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von tergram » 23.01.2014, 16:01
Ich beschreibe hier meine subjektiven(!) Eindrücke vom heutigen Prozess NAK-NRW vs. canities, Herr Schlangen und Frau Tamm, vor dem Landgericht Bochum. Meine Beschreibung ist frei von jedem juristischen Fachwissen!
Hintergründe und Vorgeschichte sind über den Internet-Auftritt von Canities (dortige Rubrik: Im Kreuzfeuer) nachlesbar. Nach irritierend ausgiebiger Sicherheitskontrolle (parallel fand ein Prozess zwischen verfeindeten libanesischen Familienclans statt) im Eingangsbereich ging es mit ein paar Minuten Verspätung in den Sitzungssaal.
Anwesend waren für die NAK-NRW Herr Schuldt (Pressesprecher) und der Anwalt der NAK sowie Herr Schlangen, Frau Tamm und deren Anwalt, dazu etwa 20 Prozessbeobachter.
Die Kammer, nach meinem Verständnis bestehend aus dem Richter, einer Beisitzerin und einer Protokollantin, begann die Verhandlung erkennbar lustlos und vom Thema gelangweilt. Der Richter verlas leise und murmelnd einzelne Punkte aus der Klageschrift, die er zwischendurch bereits mit seiner fachlichen Einschätzung wie folgt versah:
Die von canities gemachten Äusserungen müsse eine Kirche sich in der öffentlichen Diskussion gefallen lassen, obwohl die spezielle Wortwahl auch immer auf den Verfasser zurückfiele. Die Beurteilung der Kirchenlehre sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Er (der Richter) sei verwundert, mit welchem Aufwand und welcher Energie man beiderseits argumentiere, zumal es keine an der Sache interessierte Öffentlichkeit gäbe, das habe er aber nicht zu bewerten. Die Vorwürfe seien Kleinkram. Was die Urheberrechtsverstöße durch Veröffentlichung von Bildern und Predigttexten betreffe, zeigte sich die Kammer sehr unangenehm davon berührt, dass die NAK ihr "200 Seiten bedrucktes Papier vor die Füße geworfen habe und offenbar davon ausging, das Gericht werde sich schon heraussuchen, welche Urheberrechtsverstöße konkret gemeint seien". (Dazu die Beisitzerin, erkennbar genervt, in Richtung NAK: Auf diese Weise bekommen sie von uns kein Ergebnis.) Den Begriff "faschistoid" sah der Richter als zulässig an. Auch die Begriffe "Gehirnwäsche" und "geistlicher Missbrauch von Kindern" müsse die Kirche in der öffentlichen Diskussion hinnehmen. Einzig in der Behauptung von canities, die Kirche sei von Insolvenz bedroht, sah er eine nicht zulässige Äusserung, weil diese auch Relevanz für beispielsweise Kreditgeber habe. (An diese Aussage in den canities-Texten kann ich mich nicht erinnern. Ein kurzes Gespräch im Nachgang mit Herrn Schlangen zeigte, dass der Richter wohl den Zusammenhang falsch verstanden hatte.) Die Parteien wurden aufgefordert, über die gegenseitigen Bedingungen für eine gütliche Einigung Vorschläge zu machen.
Der Anwalt der NAK bat um Verhandlungsunterbrechung und verliess mit Herrn Schuldt den Saal. (Das hat mich sehr gewundert, war ich doch davon ausgegangen, dass man sich im Vorfeld über worst-case- und best-case-Szenarien ebenso Gedanken macht, wie über die ja zu erwartende Vergleichsaufforderung.) Nach wenigen Minuten wurde die Verhandlung wieder aufgenommen. Die Klägerseite beharrte auf konkreten Vereinbarungen zu den vorgetragenen Urheberrechtsverstößen und wurde von der Kammer, diesmal nachdrücklicher, darauf hingewiesen, dass dafür die konkrete Benennung jedes einzelnen angeblichen Verstoßes nötig sein. Eine Pauschalaussage, keine Predigttexte des sog. 'Stammapostels' zu veröffentlichen, könne nicht Gegenstand einer Einigung sein. (An dieser Stelle überkam mich die Erinnerung an längst vergangene Zeiten, als die NAK ihre Predigten gar nicht genug verbreiten konnte und dankbar war, für jedes bißchen öffentlicher Aufmerksamkeit, das zu erhaschen war. Galt es doch, das Wort Gottes unter den Menschenkindern zu verbreiten - gehet hin in alle Welt...) Damit war ein Vergleich gescheitert.
Die Kammer stellte ein Urteil in Aussicht, das schriftlich verkündet und den Parteien zugestellt wird. Der Anwalt der NAK entledigte sich in großer Hast seines Talars (nennt man das so?), knüllte diesen auf dem Tisch zusammen, schloss geräuschvoll seine Aktentaschen und verliess mit Herrn Schuldt geradezu fluchtartig den Saal. Ein Verhalten, das auf mich sehr befremdlich wirkte. Sicherheit, Selbstbewusstsein und innere Größe sehen anders aus.
Die Zuschauer sahen sich etwas ratlos an - war es das jetzt schon? Das war alles? Können wir jetzt gehen? Ach...
Mein Fazit: Ausserordentlich schlechte Vorbereitung durch die NAK bzw. deren Anwalt. Die verbalen Ohrfeigen der Kammer in diese Richtung haben sicher wehgetan und waren peinlich, aber verdient. Das Gericht zeigte wenig Neigung, sich mit irgendeiner, völlig unbedeutenden, seltsamen Glaubensgemeinschaft und deren Befindlichkeiten zu befassen. Der gesamte Inhalt der Verhandlung schien beim Gericht inneres Kopfschütteln ausgelöst zu haben. Diesem Kopfschütteln schliesse ich mich an.
Ich hoffe sehr, dass weitere Teilnehmer ihre Sicht der Dinge schildern und mich insofern korrigieren und ergänzen.
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