centaurea schreibt:
Es geht um die Argumentationsweise. Um die Verknüpfung von bestimmten Tun oder einer Unterlassung mit damit angedrohten Konsequenzen.
Schneider entgegnet u.a.:
Das sehe ich etwas anders: Die Gefahr besteht nicht in der Lehre an sich.
Ich wiederum sehe die Dinge eher so wie centaurea. Unter 'Lehre' verstehe ich nicht ausschließlich das Glaubensbekenntnis und auch nicht allein die Inhalte von 'Fragen und Antworten' oder des künftigen Katechismus, sondern die Predigten der leitenden Kräfte der Kirche, insbesondere die in der NAK hoch geachteten Predigten des Leiters der Kirche.
In diesen Predigten kommt nämlich die 'Verknüpfung von bestimmtem Tun oder einer Unterlassung mit damit angedrohten Konsequenzen' deutlich zum Ausdruck. Ich bringe ein Beispiel aus einer Predigt des Stammapostels Leber:
Im Zusammenhang mit Aussaat und Ernte predigte er:
Unter Aussaat im Geistigen verstehe ich, ..., das Gute zu tun, das Gott gefällt, nämlich das Gebetsleben zu pflegen, die Gottesdienste aufzusuchen, Gemeinschaft zu haben, zu opfern und zu bekennen. So sät man unentwegt etwas Gutes aus. ... Jetzt ist die Zeit des Säens, irgendwann werden wir ernten. Den Zeitpunkt bestimmt Gott. ... Wann diese große Ernte kommen wird, also wann der Herr seinen Sohn sendet, das wissen wir nicht. ... Aber solange der Herr noch nicht gekommen ist, besteht immer noch die Möglichkeit auszusäen. ... Solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun. Wir wollen so handeln und keinen Tag versäumen, nicht dass wir uns hinterher Vorwürfe machen müssten. Lasst uns also dem Herrn treu bleiben, nicht müde werden, gerne uns immer vor dem Herrn beugen in herzlicher Demut und tun, was ihm gefällt. So bleiben wir weiterhin verbunden miteinander, bis der Herr sein Werk vollendet.
Quelle
Hier haben wir genau den Sachverhalt, den centaurea anspricht. Leber fordert dazu auf, 'Gutes' zu tun und beschränkt das bewusst auf Kirchliches, 'das Gott gefällt': gepflegtes Gebetsleben, die (!) Gottesdienste besuchen, Gemeinschaft haben, opfern und bekennen. Und er vereinnahmt dann alle seine Zuhörer mit den Worten
'wir wollen' so handeln und keinen Tag versäumen' und dann spricht er indirekt die Konsequenzen an, wenn Zuhörer hier nicht mitmachen, indem er als Folge solchen Unterlassens die Gefahr an die Wand malt, 'wir müssten uns hinterher Vorwürfe machen' m.a. Worten: wir werden sonst nicht an der 'großen Ernte' = Kommen des Herrns beteiligt sein. Um seinen Erwartungen an die unter dem Fürwort 'uns' zusammengefaßten Zuhörer noch besonderen Nachdruck zu verleihen, schreibt er ihnen mit mahnenden Worten in die Seele 'Lasst uns also (!) dem Herrn treu bleiben, nicht müde werden, gerne uns immer vor dem Herrn beugen in herzlicher Demut und tun, was ihm gefällt.' Und jeder neuap. Zuhörer kennt aufgrund jahrelanger Konditionierung in dem Stil selbstverständlich die Kurzfassung dieser Predigt: 'Geschwister, wir wollen stets und vollständig tun, was die Apostel uns heute sagen, weil wir sonst am Tag des Herrn von ihm nicht angenommen werden.'
Lieber Schneider, die entsprechende Predigt ist noch recht frisch (Veröffentlichung im Nov. 2011), sie liegt aber genau auf der Linie dessen, was auch heute den Kirchenmitgliedern permanent gepredigt wird. Ich denke, das wissen Sie auch.
Es wird weiter gefordert und in mehr oder weniger geschickten Worten 'gedroht' mit gefährlichen und ewig währenden negativen Konsequenzen für den Fall, das nicht so gehandelt werde. Und wenn der örtlich zuständige Vorsteher oder Priester in die von ihm zu betreuenden Familien kommt, dann wird er diesen - die Worte des Stammapostels unterstreichend - ganz persönlich und 'ganz liebevoll' ans Herz legen: 'Ihr lieben Geschwister, wir wollen alles treu und ergeben das Gute tun, was der Stammapostel uns rät, alle Gottesdienste besuchen, an allem uns beteiligen, was in der Gemeinde geschieht, dem Herrn geben, was ihm gehört, innigst beten für den Stammapostel, die Apostel und die Brüder und alle Geschwister, damit wir alle, Ihr Lieben, zusammen am Tag des Herrn nicht vor verschlossener Tür stehen, sondern von IHM angenommen werden und unsere Lieben wiedersehen können'. Oder meinen Sie, lieber Schneider, die örtlich zuständigen Amtsträger würden ihre Gemeinschaft mit den zugeteilten Geschwistern der Gemeinde locker und ohne jede Verbindlichkeit und dazu noch fern von Leber's Predigten 'pflegen'?
So entstehen, wenn auch nicht immer nach außen getragen, Ängste in den Herzen von Kirchenmitgliedern vor etwaigen Folgen eines nicht predigtkonformen Verhaltens. Das ist m.E. das Klima, in welchem seit eh und je die hier angeprangerten und kritisierten Auswüchse innerhalb der Kirche wachsen konnten und auch heute noch wachsen. Und das flächendeckend. Man mag von 'Einzelfällen' reden, wiewohl der Begriff hier nicht zutrifft (s.Wikipedia), doch alle Fälle weisen gleiche oder ähnliche Charakteristiken auf, weil die Quelle gleich ist. Damit ist gesagt, dass sehr wohl die Lehre Grund und Ursache für Vorkommnisse ist, die m.E. zu Recht der Kritik unterzogen sind.
Einzuräumen ist indes, dass es Kirchenmitglieder gibt, denen solche Predigten absolut nichts ausmachen, vielleicht, weil sie ein dickes Fell oder 'die Ohren auf Durchzug geschaltet' haben und dass es einige Kirchenmitglieder gibt, die sich unter solchen Worten, wie L. und seine Mitapostel sie bringen, selig und glücklich fühlen (was mir allerdings sehr suspekt ist). Wie lange noch?
Comment