Trauerarbeit

Alles rund um die Sondergemeinschaft Neuapostolische Kirche (NAK), die trotz bedenklicher Sonderlehren (u.a. Versiegelung, Entschlafenenwesen mit Totenmission, Totentaufe, Totenversiegelung und Totenabendmahl, Heilsnotwenigkeit der NAK-Apostel, Erstlingsschaft, ..), weiterhin "einem im Kern doch ... exklusiven Selbstverständnis", fehlendem Geschichtsbewusstsein und Aufarbeitungswillen, speziell für die Zeit des Dritten Reiches, der DDR, der Bischoffs-Botschaft ("... Ich bin der Letzte, nach mir kommt keiner mehr. ..."), sowie ihrer jüngsten Vergangenheit und unter erheblichem Unmut ehemalicher NAK-Mitglieder, auch Aussteiger genannt, die unter den missbräuchlichen Strukturen und des auf allen Ebenen ausgeprägten Laienamtes der NAK gelitten haben, weiterhin leiden und für die die NAK nach wie vor eine Sekte darstellt, im April 2019 als Gastmitglied in die ACK Deutschland aufgenommen wird.
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Boris

Re: Trauerarbeit

#21 Beitrag von Boris » 21.01.2018, 12:22

Lulo hat geschrieben:... Das wäre in etwa so, als müsste ich wieder glauben, die Erde sei eine Scheibe, obwohl ich doch genau weiß, dass sie rund ist. Warum also diese Emotionen? Ist das ein Widerspruch? Was meint ihr?

LG
Lulo
Liebe Lulo,
um einen kleinen Nebenaspekt zu klären:
Man soll jetzt seitens der Wissenschaftler zu der Überzeugung gelangt sein, dass es großteils eine Unterstellung gewesen sei, die Kirche hätte die Theorie von der Erde als Scheibe gefördert. Es sei, im Gegenteil, so gewesen, dass Kirchenmänner frühzeitig schon ein Kugelmodell hätten. Auch hätten sie das Kugelmodell gelehrt. Es seien nur sehr vereinzelte Kirchenfürsten gewesen, die das Scheibenmodell bevorzugt haben. In dem TV-Beitrag bezeichnete man es als bewusste Unterstellung, das die Kirche das Scheibenmodell propagiert hätte. Man wollte ein negatives Grundsatzbild von Kirche allgemein erzeugen.
Dabei waren die damals nicht ganz so dumm, wie man ihnen gern unterstellt. Naja ...

Ich sehe die emotionale Situation der "Untreuen/Abfallenden/Abgefallenen ... Aufwachenden/Aufgewachten" inzwischen als eine riesengroße Chance!

Auch auf die Gefahr der ständigen Wiederholung:
Jenseits aller politischen, gesellschaftlichen und religiösen Einflüsse stellt es in der Regel ein Problem dar, einen förderlichen Umgang mit Emotionen zu erlernen. Wir haben davon in der Regel nur sehr wenig Ahnung und machen uns sogar noch über Fachleute lustig.
Emotionen und Gefühle stellen eigentlich so etwas wie Sensoren dar. Sie haben alle eine soziale Funktion und helfen uns im täglichen Leben.

Ein Beispiel: Angst.
Es kommt als Emotion und kann sich als Gefühl melden, wenn wir beispielsweise im Nacken-/ Brustbereich entsprechende Empfindungen Haben (Schmerz/Druck Ziehen etc.).
Angst ist ein Grundgefühl und sichert u. a. das Überleben. Warnt vor Gefahren. Ist also ein mächtiges Werkzeug, welches eine enorm wichtige Funktion besitzt.

Leider können wir im Alltag damit oft nicht umgehen. Wir erziehen unseren Kindern die Fähigkeit (das Werkzeug) ab. Das beginnt damit, dass wir dem weinenden Säugling/Kleinkind einreden, dass es doch nicht weinen bräuchte/müsste und auch keine Angst haben bräuchte/müsste. Das Verhalten des Kindes stellt dabei aber nur die Reaktion des Kindes auf eine Situation dar. das Kind fühlt sich schutzlos der großen fremden Welt ausgeliefert und äußert seine Angst über das Weinen.

Eine förderliche Reaktion der Eltern und anderen Erwachsenen ist es dann, wenn man auf die Emotion (Angst) des Kindes eingehen kann und ihm erklärt:
"Ich verstehe, dass du dich ängstigst. Das ist normal. Ich möchte dir aber sagen, dass du lernen wirst, diese Situationen zu meistern und dann bald nicht mehr weinen brauchst. Im Moment ist es in Ordnung wenn du weinst. Wir werden dir aber zur Seite stehen und helfen."

Das wäre ein Anerkennen und Fördern der menschlichen Fähigkeiten.
Wenn ich sage: "Du brauchst/musst keine Angst haben und nicht weinen", lernt das Kind, es habe sich falsch verhalten. Es lernt, dass es seine Emotion falsch gedeutet hat und falsch reagiert hat. Das ist leider im natürlichen Alltag schon ein grundsätzliches Problem. Die Therapeuten sind sehr oft bemüht, die Fehler und Folgen auszubügeln.

Hinzu kommt dann die Strategie der NAK, die Mitglieder zu halten.
Anstelle der Überbringung einer "Frohen Botschaft, eines Angebotes etc" wird eine Drohkulisse installiert. Es werden Abhängigkeiten erzeugt. Emotionen, die eigentlich vor Gefahr warnen würden, werden völlig aberzogen. Es wird alles Diesbezügliche als falsch hingestellt und es werden völlig paradoxe Verhaltensweisen anerzogen.
Das stellt dann eine riesengroße Gefahr dar. Bei solchen Fehlerziehungen sind psychische Fehlfunktionen die logische Folge. Aus diesem Grund "funktioniert" der Betroffene auch nur noch in dieser Gemeinschaft.

Vielen Mitgliedern dieser Gemeinschaft ist es dann auch noch ein Bedürfnis, die Unterstellten und Gleichgestellten permanent auf Fehlverhalten hinzuweisen.
Hat dann ein Mitglied tatsächlich ein ernstes Problem, beginnt die schöne Fassade des Theaters zu bröckeln und die ganze Unfähigkeit/Ignoranz tritt Stück für Stück zutage.
Als krönender Abschluss kommt dann oft einfach nur der Tritt von hinten. Man wirft dem Hilfebedürftigen Fehlverhalten vor und gibt die schlimme Situation als Strafe Gottes aus. Damit findet die Ignoranz und Arroganz ihren Höhepunkt. Der Hilfebedürftige wird als Kritiker abgestempelt und man feiert sich als Kronenträger. Viel schlimmer geht es eigentlich kaum.

Hinterlassen werden falsch erzogene, teils psychisch kranke Menschen. Selbstverständlich sind nicht alle Aussteiger krank! Diese Gegebenheiten sind immer in verschiedenster Ausprägung vorhanden.

Es bleibt aus meiner Sicht nach dem Desaster die Möglichkeit, sich selbst neu kennenzulernen. Den Umgang mit sich und seiner Mitwelt neu zu lernen. Das ist eine schöne Chance. Allerdings darf man nicht vergessen, dass jahrzehntelange Fehlerziehung nicht über Nacht auszubügeln ist. Zudem sollten wir Menschen, die tiefer und anders betroffen sind als wir, nicht vorwurfsvoll und respektlos begegnen. Dann wären wir nicht besser als das, was wir hinter uns gelassen haben,

findet Boris

Lulo

Re: Trauerarbeit

#22 Beitrag von Lulo » 22.01.2018, 09:34

Magdalena hat geschrieben:Bei jedem verläuft die o. g. Trauerarbeit anders. Meine z. B. war abgeschlossen, als ich erkennen musste, welcher Manipulation, Gehirnwäsche usw. ich über Jahrzehnte hinweg ausgesetzt war und wie bedingungslos ich mich dementsprechend völlig untergeordnet hatte. Als ich innerlich von dieser "Gemeinschaft" weg war, habe ich keine Sekunde mehr getrauert.
Klingt fast zu schön (zu einfach) um wahr zu sein. Das komplette Paket NAK aus räumlicher und zeitlicher Distanz zu betrachten, ist sicher sehr hilfreich beim Sortieren und Bewerten der eigenen Befindlichkeiten.
Magdalena hat geschrieben:Aber ich kann auch die verstehen, die immer noch trauern. Ich habe für mich einen Weg gefunden, der für mich passt und auf dem ich glücklich und zufrieden sein darf - mit Gottes Hilfe.
Das habe ich auch. Auch wenn mich ab und zu meine neuapostolische Vergangenheit einholt, kann ich sagen, dass ich (meistens) glücklich bin auf meinem neuen Weg - ob mit oder ohne Gottes Hilfe, wahrscheinlich eher ohne.

Lulo

Re: Trauerarbeit

#23 Beitrag von Lulo » 22.01.2018, 10:33

Stefan hat geschrieben: Hey Lulo, hast du wirklich deinen Glauben verloren oder glaubst du nur nicht mehr an die Le(e)(h)re der NAK? Meinen Glauben habe ich durch meinen zunehmenden Abstand zur NAK nicht verloren.
Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Momentan gibt es darauf keine klare Antwort. Nach meinem Ausstieg habe ich die neuapostolische und auch die christlische Lehre im Allgemeinen weit von mir geschoben, aber einen Gott oder eine höhere Macht nicht ausgeschlossen. Ehrlich gesagt, fand ich die Vorstellung sehr tröstlich, dass da jemand ist, der unser Schicksal lenkt usw. Doch inzwischen ist die Frage nach einem Gott für mich nicht mehr so wichtig. Ich komme sehr gut ohne ihn klar, weshalb ich auch nicht das Bedürfnis habe, mir eine neue Religion zu suchen. Sollte es Gott geben, dann sicher ganz anders, als wir ihn uns vorstellen. Ein Gott würde die Menschen auch sicher nicht in Gläubige und Ungläubige einteilen.

Edda hat geschrieben:...dass Hormon heißt Oxidoxyn und macht auch ein wenig glücklich;-)...
Oxytocin - Kuschelhormon und Wunderdroge - wurde auch während des Singens im NAK-Chor ausgeschüttet und ist vielleicht eine Erklärung, dass das heute beim Hören immer noch funktioniert.

Bezirks-Elster

Re: Trauerarbeit

#24 Beitrag von Bezirks-Elster » 22.01.2018, 10:55

Die Erklärung von Boris zbgl. der Angst macht Sinn und habe ich anderweitig auch schon gehört.

Ich stelle mir gerade die Frage, ob man das Gefühl, die Emotion der Trauer / Traurigkeit auch irgendwie rational herleiten kann.
Trauer hängt ja eng mit einem Verlust zusammen. Wenn ich einen lieben Menschen, ein Tier, meine Gesundheit oder meine Heimat verloren habe, macht das alles Sinn.
Wie ist das aber bei einem strengen Glaubenssystem, bei dem ich mich bewusst selber hinausbegeben habe? Mir wurde also nix weggenommen. Ich habe mich selber rational entschieden, da herauszugehen.
Was betrauere ich da?
Die schönen Momente? Die Kraft der Gemeinschaft, die ich als Einzelkämpfer nicht mehr spüre? Die Generalzusage, dass ich "in den Himmel komme"?
Oder ne andere Frage, werden die Leute in China und Nordkorea auch trauern, wenn ihr System sich mal ändert von einer Diktatur hin zu einer Demokratie?

Edda

Re: Trauerarbeit

#25 Beitrag von Edda » 22.01.2018, 11:11

Guten Morgen,
ich habe in meiner langen Phase der Ablösung große Verunsicherung und auch Angst gespürt. Irgendwo in der Literatur dann folgende Aufzählung gefunden: Schuldgefühle, eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit, Perspektivlosigkeit, Sorge und Trauer, Wut und Ärger, Furcht und Angst, Isolationsempfinden, Misstrauen, die Tendenz zu verabsolutiertem dichotomen Denken, dissoziative Zustände, das Gefühl überflüssig und wertlos zu sein, sog. Floatingerlebnisse, Schlafstörungen und Alpträume, Familien- und berufliche Probleme, Entfremdungsgefühle, Depressionen...Krise.

Jede Ablösung läuft je nach Lage anders. Der eine hat mehr, der andere weniger Probleme. Wir alle sind ja nicht dazu erschaffen, alleine über die Welt zu laufen. Da sind lange Prozesse der Neuorientierung nötig.

@Lulo sorry für die falsche Schreibeweise!
Wir Menschen sind auf jeden Fall Bindungswesen:-)

Grüße von Edda

fridolin

Re: Trauerarbeit

#26 Beitrag von fridolin » 22.01.2018, 11:22

Oder ne andere Frage, werden die Leute in China und Nordkorea auch trauern, wenn ihr System sich mal ändert von einer Diktatur hin zu einer Demokratie?
Vermutlich würden viele echt trauern. Sie kennen ja nichts anderes. Aber die Umstellung in ein besseres Leben geht schnell, dann wird dem alten nicht mehr nachgetrauert. :D

Lulo

Re: Trauerarbeit

#27 Beitrag von Lulo » 22.01.2018, 12:25

Boris hat geschrieben: Ich sehe die emotionale Situation der "Untreuen/Abfallenden/Abgefallenen ... Aufwachenden/Aufgewachten" inzwischen als eine riesengroße Chance!
Das sehe ich auch so. Oftmals gehört aber eine mehr oder weniger intensive Aufarbeitung dazu, je nachdem, wieviel es aufzuarbeiten gibt. In meinem Fall scheint es da Nachholbedarf zu geben. Und ich muss wohl akzeptieren, dass das dauert. Denn wie du auch sagst, lässt sich jahrzehntelange Fehlerziehung nicht über Nacht ausbügeln.
Bezirks-Elster hat geschrieben:Trauer hängt ja eng mit einem Verlust zusammen. Wenn ich einen lieben Menschen, ein Tier, meine Gesundheit oder meine Heimat verloren habe, macht das alles Sinn. Wie ist das aber bei einem strengen Glaubenssystem, bei dem ich mich bewusst selber hinausbegeben habe? Mir wurde also nix weggenommen. Ich habe mich selber rational entschieden, da herauszugehen.
Was betrauere ich da?
Gute Frage. Ich stelle gerade fest, dass ich mir darüber erstmal klar werden muss. Gern antworte ich dann später darauf. Bin selbst gespannt. :wink:
Bezirks-Elster hat geschrieben:Oder ne andere Frage, werden die Leute in China und Nordkorea auch trauern, wenn ihr System sich mal ändert von einer Diktatur hin zu einer Demokratie?
Ich bin auch in einer Diktatur aufgewachsen, aber nachgetrauert habe ich diesem System nicht eine Sekunde. Vielleicht hinkt der Vergleich auch etwas. Der Wechsel von der Diktatur zur Demokratie wurde ja nicht von einem einzelnen bewirkt (man war bestenfalls daran beteiligt) und ließ sich auch nicht planen bzw. steuern wie ein Kirchenaustritt.

Jinn

Re: Trauerarbeit

#28 Beitrag von Jinn » 22.01.2018, 12:26

Wertes Forum und Diskussionsteilnehmer und Trauernde,
Magdalena hat geschrieben:Bei jedem verläuft die o. g. Trauerarbeit anders. Meine z. B. war abgeschlossen, als ich erkennen musste, welcher Manipulation, Gehirnwäsche usw. ich über Jahrzehnte hinweg ausgesetzt war und wie bedingungslos ich mich dementsprechend völlig untergeordnet hatte. Als ich innerlich von dieser "Gemeinschaft" weg war, habe ich keine Sekunde mehr getrauert.
Die Verarbeitung der NAK-Zeit hin zu einem „normalen“ Leben verläuft natürlich bei jedem anders. Genauso wie die Auswirkungen und Schäden aus dieser Zeit bei jedem anders sind.
Es wäre wünschenswert, wenn allein die Erkenntnis, auf o.g. Manipulation und Gehirnwäsche hereingefallen zu sein, ausreichen würde um diese Zeit abhaken zu können.
Das dürfte aber m. E. eher die absolute Ausnahme, als die Regel sein.
In der Regel braucht diese Aufarbeitung lange Zeit, oft auch professionelle Hilfe mittels speziell geschulter Therapeuten. Selbst dann aber, wie man aus den vielen NAK-Aussteigerberichten entnehmen kann, bleiben noch „Tics“, die immer mal wieder zu Vorschein treten.

Ich stelle mir das bildlich und real vor: Da ist jemand z. B. 20 – 30 Jahre im Netz der NAK-Manipulation durch die erfolgte Gehirnwäsche gefangen gewesen.
Eines Tages wacht er morgens auf, erkennt das wahre Wesen der NAK, eben die Manipulation und Gehirnwäsche, sagt sich „ups, da bin ich wohl 30 Jahre auf etwas hereingefallen und habe mein gesamtes öffentliches berufliches und privates Leben, sowie meine 30 Jahre Lebenssinn auf etwas ausgerichtet, das manipulatorisch erfunden, getrickst und vorgetäuscht wurde. Egal, Schwamm drüber. Ab heute wird getanzt, gelacht, auf Partys gegangen und endlich frei und ohne Ketten dem Leben gefrönt“.
Das wäre wahrlich ein Lebenskünstler par excellence. Besser noch: Er wäre unter allen Psychiatern und Psychologen dank seines Schlüssels, wie man „ein Gehirn und alle emotionalen (seelischen) Prozesse flugs umdrehen kann“ eine weltweite Koryphäe.
Und – das sage ich mal leise zu mir – geradezu prädestiniert für den höchsten zu vergebenden Job in der NAK.
Weil er dann ja weiß, wie man so ein Gehirn, ohne dass es sich ob des zuvor Erlernten wehrt, und ohne dass die Betroffenen irgendetwas Vorherigem nachtrauern würden, mal über Nacht umdreht.

Wie geschrieben: In der Regel, dies als Warnung an alle, die „es“, nämlich die NAK-Lehre trotz aller Warnungen mal ausprobieren wollen, funktioniert ein menschliches Gehirn und das daran geknüpfte Leben so nicht!

Als Neben- und Langzeitwirkungen sind bisher bekannt:
  • Wenn Du wieder aussteigen möchtest aus der Sekte, verlierst Du auch Dein gesamtes soziales Umfeld.
  • Du hast verlernt in der Sekte Dich „normal“ unter „normalen“ Menschen in Gesellschaft zu bewegen.
  • Du hast dasselbe Syndrom, wie langjährige Gefängnisinsassen und denkst ständig darüber nach, ob das was Du gerade machst, nicht doch „von oben“ beobachtet wird.
  • Du wirst Dich bei jedem zufälligen Misserfolg in Deinem Leben fragen, ob der Misserfolg die Strafe „Gottes“ ist.
  • Du wirst Dich ständig fragen, ob Deine Lebensentscheidungen richtig sind. Vor allem aber ob sie „im Sinne Gottes“ sind.
  • Du wirst Dich schwertun, dort wo es nötig ist, klare Kante zu zeigen und zu Deinen wahren und echten Empfindungen zu stehen, weil Du gelernt hast, dass ein „Gotteskind“ demütig schweigt, brav und folgsam ist, und lieber in Scheinharmonie lebt, als in gar keiner.
  • Du wirst einen unerklärlichen Respekt vor allen Männern in schwarzen Anzügen haben, sobald sie machtvoll über Dein Leben bestimmen wollen, obwohl sie in Deinem Leben überhaupt nichts zu suchen oder zu sagen haben.
  • Vor allem in den ersten 12 – 36 Monate nach Deinem Ausstieg aus der NAK, wird Dich Sonntagsmorgens und Mittwochsabends eine unerklärliche Unruhe befallen, und Du empfindest es als „Leere“, weil Du mit der geschenkten Zeit nichts anzufangen weißt.
    (Zum Vergleich: Ein Suchtmittelentzug dauert längstens 7 – 10 Tage, eine Entwöhnungstherapie max. 12 – 16 Wochen.)
  • Obwohl Du Deine Zeit in der NAK als extreme Belastungsprobe empfunden hast, und obwohl Du ggf. bei Deinem Ausstieg Deine besten Freunde verloren hast, oder Deine Frau und Familie sich von Dir getrennt hat, wirst Du noch viele Jahre hören (müssen), dass alles gar nicht so schlimm war.
  • Du hast während Deiner NAK-Zeit gelernt, dass es immer nur einen Schuldigen gibt: Dich.
  • Das wird sich fortsetzen: Wenn es Dir jetzt, aufgrund Deines Ausstiegs schlecht geht, dann wird Dir gesagt, dass allein Du daran schuld bist.
  • Wenn Du ein sehr rationaler, hochintellektueller Mensch bist, dann wirst Du unter anderen Langzeitwirkungen leiden. Du bist dann aus reinem Kalkül auf einen gut bezahlten „Seelsorgerjob“ in die NAK eingestiegen. Mach Dir nichts draus, wenn nichts draus geworden ist: Du kannst es in anderen kirchlichen Einrichtungen z. B. als Chefdirigent in Hauptstadt-Ensembles noch weit bringen.
    (Aber hüte Dich Deine NAK-Vergangenheit an den großen Nagel zu hängen. Sie ist eher ein Fallstrick, als eine Empfehlung!)
  • Bist Du ein sehr emotionaler Mensch wirst Du ggf. Trost in anderen „Seelentröster“ suchen. Dann hast Du aber einen Vorteil bei Deinem Ausstieg auf Deiner Seite: Von der NAK wirst Du nie wieder etwas hören, und niemand von denen wird jemals wieder Kontakt zu Dir suchen.
  • Als emotionaler Mensch bist Du eher anfällig für die „Rückholungs-Versuche“ der Sekte, und man wird Dich (ggf. noch lange nach Deinem erklärten Ausstieg) mit Appellen an Dein Seelenheil (nur als Gotteskind kannst Du in den ersehnten Himmel kommen. Neueste Interpretation der NAK: Auch als nichtneuapostolischer Christ kannst Du in den Himmel kommen, sitzt aber dann ganz weit hinten und musst für die vorderen Reihen noch bekehrt werden.) bombardieren.
  • Ist Deine Herkunftsfamilie immer noch neuapostolisch, werden viele (versuchte) Gespräche binnen Kurzem in der „das größte Geschenk für uns wäre, wenn Du wieder in den Gottesdienst kommen würdest“-Sackgasse enden.
  • Sind Deine Eltern Kriegs- oder Nachkriegsgenerationenangehörige und immer noch neuapostolisch, sorge für den Fall vor, dass sie ins Alten- und Pflegeheim müssen. Schau Dich ggf. in anderen caritativen oder diakonischen Einrichtungen um, was Dir dort (trotz Deiner neuapostolischen Vergangenheit) an Hilfen angeboten werden. Sei nicht enttäuscht, dass auch das lebenslange, hohe Opfer (Ein Zehntel ihrer lebenslangen Lohnerwerbsleistungen) lediglich zum sonntäglichen Priesterbesuch für ihr Seelenheil, aber nicht zu einer weitergehenden Betreuung, wie z.B. regelmäßiges Vorlesen „Unserer Familie“ u.ä. ausreicht.
    (Kleiner Tipp: Viele andere, ehrenamtlich in großen Kirchen engagierte Menschen helfen gerne ohne dass Deine Eltern an ihre Kirche angebunden sind.)
  • Und last but not least: Ärgere Dich nicht oder fühle Dich peinlich berührt, wenn Du einem ehemaligen neuapostolischen Bruder oder einer Schwester begegnest, die Dich wider besseren Wissens mit „Bruder“ oder „Schwester“ anreden. (Deine Gefühlswallungen, die dann entstehen (können) nennt man fachlich „flashback“.
… die Liste kannst Du für Dich selbst, je nach Schwere und Dauer Deiner NAK-Angehörigkeit beliebig weiterführen. Aber Vorsicht: Je länger Du „raus“ bist, umso mehr Nachwirkungen wirst Du feststellen können. Schwamm drüber: Du hast Deine frühere Gefangenschaft im Netz der NAK erkannt und kannst sie deswegen nachhaltig abhaken.
(In der Regel wirst Du auch noch nach 5, 10, oder 20 Jahren etwas entdecken, das in Dir querliegt und Dich an der Teilnahme eines „normalen, freien Leben“ hindert oder zumindest be-hindert.)

Zur Trauerarbeit der 20- oder 30 oder mehr Jahre Deines Lebens.
Traure ihnen nicht nach, wende Dich für den Rest Deines Lebens gestärkt und munter anderen (weltlichen oder im ungünstigsten Fall religiösen) Dingen zu.
Egal wie besch … es für Dich gelaufen ist, Du wirst trotzdem niemals sagen können (dürfen), was gewesen wäre, wenn. Vergiss es einfach! Du bewegst Dich damit im reinen Spekulationsbereich, und jetzt, im Alter von 50 oder 60 wird Dich ohnehin kein Unternehmen mehr aufgrund Deiner herausragenden Fähigkeiten und Ambitionen karrieredienlich fördern. Wenn Du für Dich ganz persönlich etwas tun willst, dann geh auf eine Uni für ältere Semester, und versuch wenigstens rein prophylaktisch etwas für das eventuelle folgenden tausendjährige Reich zu tun.
Gott, so steht es in der Bibel, mag weise Männer (und manchmal auch Frauen).

*Teile dieses Beitrags enthalten satirische Merkmale

Herzlichst
Jinn

Lulo

Re: Trauerarbeit

#29 Beitrag von Lulo » 23.01.2018, 10:47

Hallo Jinn,

einige der von dir geschilderten Symptome nach dem Ausstieg kenne ich sehr gut, beispielsweise das Gefühl, immer noch "beobachtet" zu werden, sich zu fragen, ob es dem da oben gefällt, was ich gerade tue. Meine innere Uhr war auch lange auf sonntags halb zehn und mittwochs halb acht eingestellt - schon krass. Allerdings empfand ich diese nun zusätzliche Zeit nie als Leere, sondern als Geschenk. Endlich konnte ich Dinge tun, die früher wegen chronischen Zeitmangels nicht drin waren.
Jinn hat geschrieben:Zur Trauerarbeit der 20- oder 30 oder mehr Jahre Deines Lebens. Traure ihnen nicht nach, wende Dich für den Rest Deines Lebens gestärkt und munter anderen (weltlichen oder im ungünstigsten Fall religiösen) Dingen zu.
Ich habe zwar noch nicht herausgefunden, worauf sich das Gefühl der Traurigkeit bezieht, sicher jedoch nicht auf die (verlorenen?) Jahre in der NAK, die ich ev. hätte anders verbringen können. Die Frage, wie das eigene Leben ohne NAK verlaufen wäre, könnte man endlos weiter führen nach dem Motto: Wenn ich gestern nach links statt nach rechts gegangen wäre, dann... Das Leben ist nun mal so gelaufen und mit einer anderen Vergangenheit wäre man auch ein anderer Mensch. Ob das nun besser wäre oder nicht, ist reine Spekulation.

Magdalena

Re: Trauerarbeit

#30 Beitrag von Magdalena » 23.01.2018, 11:35

Jinn hat geschrieben:Es wäre wünschenswert, wenn allein die Erkenntnis, auf o.g. Manipulation und Gehirnwäsche hereingefallen zu sein, ausreichen würde um diese Zeit abhaken zu können.
Das dürfte aber m. E. eher die absolute Ausnahme, als die Regel sein.
Lulo hatte am 19. 01. 2018 geschrieben:
Tja, und dann sind sie wieder da, die Emotionen und ich bin hin- und hergerissen: Schalte ich ab oder lasse ich das laufen? Meistens höre ich es mir dann an. Es klingt so schön und so vertraut und ist ja (obwohl von einem NAK-ler komponiert) keines der typischen NAK-Lieder á la „Apostelwort der Kirche Licht“, sondern hat einen allgemein-christlichen Charakter. Es ist auch nur ein Beispiel dafür, worauf ich nach so vielen Jahren immer noch reagiere. Es gibt auch andere Situationen, in denen dieses Gefühl, etwas Unwiederbringliches verloren zu haben, sehr stark ist, fast als hätte ich einen lieben Menschen für immer verloren. Immer haben sie mit Musik zu tun, vielleicht weil ich selbst viele Jahre im Alt gesungen habe

Lieber Jinn,

es ist wieder eines der Missverstände, die dadurch entstehen, dass man nur schreibt und sich nicht richtig von "Angesicht zu Angesicht" unterhalten kann.
Wenn ich schrieb, dass ich nach meinen Erkenntnissen über die NAK keinerlei Wehmut und dergleichen verspürte, als ich sie verließ, dann bezog ich mich ausschließlich auf die Emotionen von Lulo - wie oben zitiert.

Natürlich habe ich gelitten wie mehrere Hunde, als ich sehen musste, dass ich praktisch Jahrzehnte meines Lebens auf ein falsches Pferd gesetzt hatte. Das tat schon sehr, sehr weh! Aber ich hatte keinerlei Sehnsucht mehr nach etwas, das nach NAK roch, ich hatte fertig! Absolut! Allerdings hatte ich dann noch jahrelang mit den Prägungen der NAK zu tun und bin auch heute noch nicht ganz frei davon. In dieser Beziehung geht es mir wie den meisten Fories hier. Also nichts mit einfach nur abhaken! :lol:

In der NAK bin ich seinerzeit vollkommen aufgegangen, mit Haut und Haar, mehr als 150%. :mrgreen: Ich habe mich jahrzehntelang ausnutzen lassen, miese Behandlung immer wieder runter geschluckt, so viele Dinge über mich ergehen lassen, das meiste nie verarbeiten können, weil ja alles immer mit dem Mantel der Liebe zugedeckt werden musste.

Als dann mein innerer Ausstieg kam, war das für mich endgültig. Ohne Trauer, ohne Wehmut. Vielleicht rührt dieses auch daher, dass es bis auf ganz wenige Ausnahmen keine "Geschwister" oder ATs gab, die ich wirklich vermisst hätte. Und diese Ausnahmen waren dann auch nicht mehr in meiner Gemeinde. Ich hatte leider viel zu viel an mangelnder Wertschätzung, an Unfreundlichkeit und Lieblosigkleit erleben müssen (nicht nur an mir, sondern auch an anderen) - wahrscheinlich ist mir auch deshalb in dieser Hinsicht der Ausstieg leichter gefallen als vielen anderen.

Es kann sein, dass meine ehemalige NAK-Gemeinde in dieser Hinsicht eine unrühmliche Ausnahme ist. Eine Bekannte von mir aus meiner o. g. Gemeinde wohnt jetzt in Südwest-Deutschland und ist begeistert von der dortigen Gemeinschaft in der NAK. Sie hatte früher auch viel Böses erleben müssen und ist jetzt dort ganz glücklich. Ja, so etwas gibt es auch.

Es grüßt herzlich Magdalena

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