Zum Karfreitag ...

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Hannes

Zum Karfreitag ...

#1 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 11:41

EINMAL,
da hörte ich ihn,
da wusch er die Welt,
ungesehn, nachtlang,
wirklich.

Eins und Unendlich,
vernichtet,
ichten.

Licht war. Rettung.



(Paul Celan)

Hannes

#2 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 11:45


Gedicht zum Gründonnerstag/Karfreitag



Er ging hinauf unter dem grauen Laub
ganz grau und aufgelöst im Ölgelände
und legte seine Stirne voller Staub
tief in das Staubigsein der heißen Hände.

Nach allem dies. Und dieses war der Schluß..
Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde,
und warum willst Du, daß ich sagen muß
Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.

Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein.
Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein.
Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.

Ich bin allein mit aller Menschen Gram,
den ich durch Dich zu lindern unternahm,
der Du nicht bist. O namenlose Scham ...

Später erzählte man: ein Engel kam -.

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht
und blätterte gleichgültig in den Bäumen.
Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.
Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht.

Die Nacht, die kam, war keine ungemeine;
so gehen hunderte vorbei.
Da schlafen Hunde und da liegen Steine.
Ach eine traurige, ach irgendeine,
die wartet, bis es wieder Morgen sei.

Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern,
und Nächte werden nicht um solche groß.
Die Sich-Verlierenden läßt alles los,
und sie sind preisgegeben von den Vätern
und ausgeschlossen aus der Mütter Schooß ...



Rainer Maria Rilke
Aus: Neue Gedichte (1907)

organa

#3 Beitrag von organa » 28.02.2008, 12:40

Abgesang

Fährfrau mit dem runden Hut
Hast du ihn gesehen?
Ja, sagt die Fährfrau.

Hirte mit dem toten Lamm
Hast du ihn gesehen?
Ja, sagt der Hirte.

Bergmann mit dem weißen Licht
Hast du ihn gesehen?
Ja, sagt der Bergmann.

Welchen Weges ging er, Fährfrau?
Übers Wasser trocknen Fußes.
Welchen Weges ging er, Hirte?
Berghinüber leichten Atems.

Welchen Weges ging er, Bergmann?
In der Erde lag er still.

Was stand auf seinem Gesicht geschrieben?
Frieden, sagten alle. Frieden.


Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)
Requiem Teil IV (Abgesang)

Hannes

#4 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 12:48

Tenebrae
(Paul Celan)


Nah sind wir Herr,
nahe und greifbar.

Gegriffen schon, Herr,
ineinander verkrallt, als wär
der Leib eines jeden von uns
dein Leib, Herr.

Bete, Herr,
bete zu uns,
wir sind nah.

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

Zur Tränke gingen wir, Herr.

Es war Blut, es war,
was du vergossen, Herr.

Es glänzte.

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.
Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.
Wir haben getrunken, Herr.
Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

Bete, Herr.
Wir sind nah.

.

Hannes

#5 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 12:54


Ich weine -
Meine Träume fallen in die Welt.

In meine Dunkelheit
Wagt sich kein Hirte.

Meine Augen zeigen nicht den Weg
Wie die Sterne.

Immer bettle ich vor deiner Seele;
Weißt du das?

Wär ich doch blind -
Dächte dann, ich läg in deinem Leib.

Alle Blüten täte ich
Zu deinem Blut.

Ich bin vielreich,
Niemandwer kann mich pflücken;

Oder meine Gaben tragen
Heim.

Ich will dich ganz zart mich lehren;
Schon weißt du mich zu nennen.

Sieh meine Farben,
Schwarz und stern

Und mag den kühlen Tag nicht,
Der hat ein Glasauge.

Alles ist tot,
Nur du und ich nicht.


Else Lasker-Schüler (1869-1945)

Hannes

#6 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 13:05

Du lachst und weinst und
gehst an dir zugrunde -
was soll dir noch geschehen.


(Ingeborg Bachmann)


Maximin

#7 Beitrag von Maximin » 28.02.2008, 13:23

Auf dem Lamm ruht meine Seele,
Betet voll Bewund'rung an.
Alle, alle meine Sünden
Hat Sein Blut hinweggetan.

Sel'ger Ruhort! – Süßer Friede
Füllet meine Seele jetzt.
Da, wo Gott mit Wonne ruhet,
Bin auch ich in Ruh' gesetzt.

Ruhe fand hier mein Gewissen,
Denn Sein Blut – o reicher Quell!
Hat von allen meinen Sünden
Mich gewaschen rein und hell.

Und mit süßer Ruh' im Herzen
Geh' ich hier durch Kampf und Leid,
Ew'ge Ruhe find' ich droben
In des Lammes Herrlichkeit.

Dort wird Ihn mein Auge sehen,
Dessen Lieb' mich hier erquickt,
Dessen Treue mich geleitet,
Dessen Gnad' mich reich beglückt.

Dort besingt des Lammes Liebe
Seine teu'r erkaufte Schar,
Bringt in Zions sel'ger Ruhe
Ihm ein ew'ges Loblied dar.


(nach Julius Anton von Poseck 1816-1896 · Melodie von Wilhelm Brockhaus 1819-1888)
Quelle: Melodie
Zuletzt geändert von Maximin am 10.03.2008, 20:32, insgesamt 1-mal geändert.

Hannes

#8 Beitrag von Hannes » 28.02.2008, 13:24

Wann
wenn nicht
um die neunte Stunde
als er schrie
sind wir ihm
wie aus dem Gesicht geschnitten.

Nur seinen Schrei
nehmen wir ihm noch ab
und verstärken ihn
in aller Munde.

Brüste sich
wer da will
mit seinem Mut
der Verzweiflung;

Meine Angst
kann sich sehen lassen.


(Eva Zeller)

Engelchen

#9 Beitrag von Engelchen » 28.02.2008, 21:41

Karl Gerok (1815-1890)

Golgatha (Karfreitag)

Durch manche Länderstrecke trug ich den Wanderstab,
von mancher Felsenecke schaut ich ins Tal hinab;
doch über alle Berge die ich auf Erden sah,
geht mir ein stiller Hügel, der Hügel Golgatha.

Er ragt nicht in die Wolken mit eisgekrönter Stirn,
er hebt nicht in die Lüfte die sonnige Alpenfirn,
doch so der Erd entnommen und so dem Himmel nah
bin ich noch nie gekommen, wie dort auf Golgatha.

Es trägt sein kahler Gipfel nicht Wälderkronen stolz,
nicht hohe Eichenwipfel, nicht köstlich Zedernholz;
doch, alle Königszedern, die einst der Hermon sah,
sie neigen ihre Kronen dem Kreuz von Golgatha.

Nicht gibt es dort zu schauen der Erde Herrlichkeit,
nicht grüngestreckte Augen, nicht Silberströme breit;
doch alle Pracht der Erde verging mir, als ich sah
das edle Angesichte am Kreuz auf Golgatha.

Kein Bächlein quillt kristallen dort aus bemoostem Stein,
nicht stolze Ströme wallen von jenen Höhn landein;
doch rinnt vom Stamm des Kreuzes in alle Lande da
ein Born des ew'gen Lebens das Blut von Golgatha.

Dort schlägt der stolze Heide stillbüßend an die Brust,
des Schächers Todesleide entblühet Himmelslust;
dort klingen Engelsharfen ein selig Gloria,
die Ewigkeiten singen ein Lied von Golgatha.

Dorthin, mein Erdenpilger, dort halte süße Rast;
dort wirf dem Sündentilger zu Füßen deine Last!
Dann geh und rühme selig, wie wohl dir dort geschah,
der Weg zum Paradiese geht über Golgatha!

Hannes

#10 Beitrag von Hannes » 29.02.2008, 08:27

Kommt ihr Töchter, helft mir klagen ...

1. Chor I & II & Choral:
(Töchter Zion und Gläubige Seelen)

Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen,
Sehet! - Wen? - den Bräutigam!
Seht ihn! - Wie? - als wie ein Lamm.
Sehet! - Was? - seht die Geduld,
Seht! - Wohin? - auf unsre Schuld.
Sehet ihn aus Lieb und Huld
Holz zum Kreuze selber tragen.
O Lamm Gottes unschuldig,
Am Stamm des Kreuzes geschlachtet,
Allzeit erfunden geduldig,
Wiewohl du warest verachtet.
All Sünd hast du getragen,
Sonst müßten wir verzagen.
Erbarm dich unser, o Jesu.

Matthäuspassion (J.S. Bach) ... Philippe Herreweghe/Collegium Vocale Gent


Quelle: http://de.youtube.com/watch?v=E69ASpFxOiY

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