Alles hat seine Zeit

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tosamasi
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#21 Beitrag von tosamasi » 07.12.2007, 13:53

Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Und die Sonne scheint nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
der dein stilles Glück gesehn;
ganz in Duft und Dämmerungen
will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
unaufhaltsam durch den Duft,
und ein Strahl der alten Wonne
rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
dass man sicher glauben mag:
hinter allem Winterleide
liegt ein ferner Frühlingstag.

Theodor Storm


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Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
tosamasi

filippo

#22 Beitrag von filippo » 07.12.2007, 14:35

Es blüht der Winter im Geäst
und weiße Schleier fallen.
Einsam erfriert ein Vogelnest.
Wie vormals läßt das Weihnachtsfest
die Glocke wiederhallen.
*
Es neigt sich über uns der Raum,
drin auch wir uns neigen.
Es glänzt der Kindheit Sternentraum.
Ein neuer Stern blinkt noch am Baum
und winkt aus allen Zweigen.
Johannes R. Becher

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evah pirazzi
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#23 Beitrag von evah pirazzi » 11.12.2007, 00:44

Dämmerstille Nebelfelder
(Autor unbekannt)

Dämmerstille Nebelfelder,
schneedurchglänzte Einsamkeit,
nur ein wunderbarer weicher
Weihnachtsfriede weit und breit.

Nur mitunter, windverloren,
zieht ein Rauschen durch die Welt
und ein leises Glockenklingen
wandert übers stille Feld.

Und dich grüßen alle Wunder,
die am lauten Tag geruht
und dein Herz singt Kinderlieder,
und dein Sinn wird klar und gut.

Und dein Blick ist voller Leuchten,
längst Entschlaf'nes ist erwacht...
und so gehst du durch stille
wunderweiche Winternacht.

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evah pirazzi
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#24 Beitrag von evah pirazzi » 27.12.2007, 00:12

Zum Abschluss des Weihnachtsfestes der nachdenkliche Text ein kleinen Liedchens:

WEIHNACHT, WAS BIST DU

Weihnacht, was bist du?
Bist du Kerzen und Schnee
oder nur ein Seemann,
der allein ist auf See?

Weihnacht, was bist du?
Bist du Hoffnung der Welt,
oder bist du einfach
das ganz große Geld?

Glaubst du, alle Menschen
verstehn dein Wort noch heut,
oder bist du nur ein Traum
aus unsrer Kinderzeit?

Weihnacht, was bist du ...

Weißt du, viele Menschen
brauchen dich so sehr.
Mancher weiß es selbst noch nicht
und fühlt es um so mehr.

Weihnacht, was bist du ...

(Rolf Zuckowski)

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tvmovie

#25 Beitrag von tvmovie » 01.01.2008, 19:44

Bewaffneter Friede
Ganz unverhofft, an einem Hügel,
Sind sich begegnet Fuchs und Igel.

Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
Der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät
Geh her und übergib dein Fell.

Der Igel sprach: Nur nicht so schnell.
Laß dir erst deine Zähne brechen,
Dann wollen wir uns weiter sprechen!

Und allsogleich macht er sich rund,
Schließt seinen dichten Stachelbund
und trotzt getrost der ganzen Welt,
Bewaffnet, doch als Friedensheld.
Wilhelm Busch

uhu-uli

Einfach anders ..

#26 Beitrag von uhu-uli » 26.07.2008, 18:27

8)
Zuletzt geändert von uhu-uli am 12.10.2009, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.

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tosamasi
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#27 Beitrag von tosamasi » 08.11.2008, 17:27

  • Die Menschen gehn

    Die Menschen gehn. Die Ferne flieht und fließt.
    In fremde Hände fällt die schwere Stadt.
    Und hinter jeder Türe, die sich schließt,
    steht eine Nähe auf, verwirrt und matt.

    Jetzt drängen sich die Dinge um den Dichter
    als bangten sie ihn wieder zu verlieren.
    Sie zeigen ihre leidenden Gesichter
    dem Einsamen, dem Sagenden, dem Richter;
    denn er ist einer von den Ihren.


  • Rainer Maria Rilke, Winter 1905/06
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nikodemus

#28 Beitrag von nikodemus » 11.11.2008, 15:51

Alles hat seine Zeit Prediger 3

1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 2 geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; 3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; 4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; 5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; 6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; 7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; 8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. 9 Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. 10 Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. 11 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. 12 Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. 13 Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll. 15 Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.

In IHM
der Niko

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#29 Beitrag von tosamasi » 07.12.2008, 11:33

  • Nächtens will ich mit dem Engel reden

    Nächtens will ich mit dem Engel reden,
    ob er meine Augen anerkennt.
    Wenn er plötzlich fragte: Schaust du Eden?
    Und ich müsste sagen: Eden brennt

    Meinen Mund will ich zu ihm erheben,
    hart wie einer, welcher nicht begehrt.
    Und der Engel spräche: Ahnst du Leben?
    Und ich müsste sagen: Leben zehrt

    Wenn er jene Freude in mir fände,
    die in seinem Geiste ewig wird, -
    und er hübe sie in seine Hände,
    und ich müsste sagen: Freude irrt



    Rainer Maria Rilke, 25.9.1914, Irschenhausen
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
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#30 Beitrag von tosamasi » 09.12.2008, 19:33

  • Groß-Stadt-Weihnachten

    Nun senkt sich wieder auf die heim'schen Fluren
    die Weihenacht! die Weihenacht!
    Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
    wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.

    Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
    Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
    Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
    den Aschenbecher aus Emalch glase.

    Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
    auf einen stillen heiligen Grammophon.
    Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
    den Schlips, die Puppe und das Lexikohn.

    Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
    voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
    dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
    "Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!"

    Und frohgelaunt spricht er vom 'Weihnachtswetter',
    mag es nun regnen oder mag es schnein.
    Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
    die trächtig sind von süßen Plauderein.

    So trifft denn nur auf eitel Gück hienieden
    in dieser Residenz Christkindleins Flug?
    Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden...
    "Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug."

    (Kurt Tucholsky, 1890-1935)
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