Alles hat seine Zeit

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Lobo

#31 Beitrag von Lobo » 13.01.2009, 16:25

Sich fröhlich an den Tisch des Tages setzen,
Die Stunden nehmen als Menue mit siebzehn Gängen,
Die Zeit verzehren, aber nicht verschlingen,
Den herben Wein in kleinen Schlucken trinken,
Das Brot der Gegenwart mit beiden Händen brechen.

(Susanne Faschon)

Tatyana

#32 Beitrag von Tatyana » 17.01.2009, 10:45

Christian Morgenstern

Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

"Der Werwolf", - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs"- Genitiv sodann,
"dem Wemwolf" - Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf" - damit hat's ein End.'

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

Lobo

#33 Beitrag von Lobo » 19.01.2009, 12:56

Winterpsalm

Es ist jetzt nicht die Zeit, um zu ernten.
Es ist jetzt nicht die Zeit, um zu säen.
An uns ist es, in winterlicher Zeit
uns eng um das Feuer zu scharen
und den gefrorenen Acker
in Treue geduldig zu hüten.
Andere vor uns haben gesät.
Andere nach uns werden ernten.
An uns ist es, in Kälte und Dunkelheit
beieinander zu bleiben und,
während es schneit, unentwegt
wachzuhalten die Hoffnung.
Das ist es.
Das ist uns aufgegeben
in winterlicher Zeit.


(Lothar Zenetti)

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