Albert hat geschrieben:
Johannes hat geschrieben:Das Alleinstellungsmerkmal der NAK mit den lebenden Aposteln, der Glaube an die baldige Wiederkunft Jesu und das Bereitsein dafür, das ist in meinen Augen nicht mehr haltbar, das so zu predigen
Mir erschliesst sich nicht, wie dann man in dieser Kirche trotzdem noch predigen kann, denn das und nichts anderes sind doch die Kernpunkte der neuapostolischen Lehre. Ohne sie wäre die NAK definitiv nicht mehr die NAK.
Ich möchte Johannes mal zur Seite springen (obwohl ich nicht glaube, dass er das nötig hat).
Ich kann Johannes ganz gut verstehen, weil ich auch eine ganze Weile ähnlich dachte.
Es gibt wohl mindestens zwei Möglichkeiten, seinen Amtsauftrag in der NAK zu verstehen:
Einmal ist man Funktionsträger der NAK und zu Loyalität der Kirchenführung und der offiziellen Kirchenlehre gegenüber verpflichtet. Das hört sich simpler an als es ist, denn die Kirchenführungen wechseln, die Kirchenlehre entwickelt sich, verschiedene „Vorangänger“ haben zur gleichen Zeit unterschiedliche Schwerpunkte, befinden sich auf der Achse konservativ-progessiv an unterschiedlichen Stellen und gehen unterschiedlich mit der Tatsache um, dass man ihnen gegenüber offen bekennt, mit machen Aussagen der Kirche seine Probleme zu haben. Es ist meiner Meinung nach eine unzulässige Vereinfachung, wenn man sagt, dass die NAK-Mitglieder ein Recht darauf haben, in der NAK auch die NAK-Inhalte in der Predigt wieder zu finden. Es gibt bei den Mitgliedern unterschiedliche Bedürfnisse und Einstellungen der Kirchenlehre gegenüber. Auch reduziert auf die Rolle des Funktionsträgers hat man eine Verantwortung für die „Anvertrauten“, und man kann nur Seelsorge machen bei Mitgliedern, die die reine NAK-Lehre kritisch sehen, wenn man ihnen Verständnis entgegen bringen kann. Gerade eine Kirche im Wandel kann nicht hingehen und sagen, wer nicht zu 100% mit der aktuellen Kirchenlehre übereinstimmt, muss gehen. Und eigentlich müsste es logisch sein, dass man das auch bei Amtsträgern nicht tun kann. Eine Kirche im Wandel erzeugt unausweichlich Spannungen zwischen der Kirchenlehre und dem persönlichen Glauben. Wie viel Diskrepanz zwischen dem eigenen persönlichen Glauben und der Kirchlehre ausgehalten werden kann, wird natürlich von jedem in der Kirche - ob Führungsperson, Amtsträger selbst oder bloßes Mitglied - unterschiedlich gesehen (und das kann auch im Laufe der Entwicklung bei ein und derselben Person schwanken). Das macht es ja so kompliziert - man muss nicht nur über Glaubensunterschiede diskutieren, sondern auch darüber, welche Konsequenzen diese Unterschiede haben oder haben sollten. Hier eine vernünftige, umfassende Diskussion in gegenseitiger Wertschätzung zu führen, ist leider bei vielen Amtsträgern mit Leitungsfunktion aussichtlos. Und der Amtsträger selbst steht im Rollenkonflikt: einerseits Loyalität nach „oben“ (in der NAK), andererseits Seelsorge und Loyalität für die Menschen, die in der Gemeinde sind. Es wird oft vergessen, dass auch letzteres mit Recht von einem NAK-Funktionsträger erwartet wird. Daher kann man die Spannung nicht auflösen, wenn man einen Amtsträger darauf reduzieren will, ein Rädchen in der NAK zu sein. Was erschwerend für den Amtsträger noch dazu kommt, dass er sich als Teil der NAK auch für die Handlungen der NAK verantwortlich fühlt. Wenn man sich zu oft für das Verhalten seiner Kirche schämen muss, wird es einem schwer, den Namen „neuapostolisch“ zu tragen.
Nun zur zweiten Möglichkeit, seinen Amtsauftrag zu sehen: Man nimmt die Aussagen der Kirche ernst: Durch das Wirken des heiligen Geistes hat Gott mir den Auftrag gegeben, für die Geschwister da zu sein. Das ist eine andere Rolle als die des Kichenfunktionsträgers. Das mag vielleicht naiv klingen, entbehrt aber doch nicht der Logik. Außerdem hat man vielleicht einiges erlebt, was einem in diesem Glauben bestärkt, ein Werkzeug Gottes zu sein - und nicht ein Werkzeug des Apostels. Wenn man weiter bestärkende Erfahrungen macht, aber in Konflikt zum Apostel steht, kommt zum oben beschriebenen Intra-Rollenkonflikt ein Inter-Rollenkonflikt zwischen den Rollen als Funktionsträger und als „Werkzeug Gottes“ dazu. Eine Möglichkeit, mit diesem doppelten Rollenkonflikt umzugehen, ist, sich quasi als christlichen Missionar in der eigenen Kirche zu verstehen. Man wertet die zweite Rolle höher als die erste Rolle; und da Gott höher ist als die Kirche, ist das auch ganz und gar nicht abwegig. Das erfordert aber ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz, denn man fühlt sich einerseits zu Hause, andererseits aber immer wieder fremd.
Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die das aushalten. Diese sind nicht besser oder schlechter als die Menschen die ihren Amtsauftrag abgeben oder die NAK verlassen. Man tendiert manchmal dazu, Menschen, die konsequent erscheinen, einen größeren Respekt zu zollen als denen, die inkonsequent erscheinen. Aber mit welchem guten Grund? Nicht immer ist Konsequenz eine Tugend, und manchmal ist es es konsequent, inkonsequent zu sein, z.B. einen Rollenkonflikt auszuhalten. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass die Konsequenz schon mehr Menschen getötet hat, als die Inkonsequenz.
Im Rückblick bin ich dankbar für die kräftezehrenden inneren Kämpfe in der Lebensphase, als ich noch Priester in der NAK war. Es hat meine Sinne geschärft, meine Gedanken vertieft, mein Denken erweitert – und mir Erfahrungen geschenkt, die mich der Existenz Gottes ganz sicher sein lassen. Die Art, wie Gott mich zunächst aus meiner NAK-Heimatgemeinde (in die ich hineingeboren wurde) in eine andere NAK-Gemeinde geführt hat (was die soziale Verwurzelung gelöst hat) und einige Jahre später aus dem Priesteramt und schließlich der NAK-Mitgliedschaft in die evangelische Kirche geführt hat, war so eindeutig, dass ich mir wie ein Narr vorkäme, wenn ich das mit „Zufall“ erklären würde. Ich habe in meinem ganzen Leben Gott nie so intensiv erlebt wie in der Ablösung von der NAK. Und paradoxerweise habe ich in der NAK so viel über den heiligen Geist und die Liebe gelernt, dass ich mir irgendwann eingestehen musste, dass ich beides in der NAK nur noch ausnahmsweise erleben kann und dass die NAK ein System ist, für das der heilige Geist eher eine lästige Störung als eine Lebenskraft ist und für das die Macht der Apostel wichtiger ist als die Macht der Liebe. Ich bin Gott dankbar, dass er diesen Weg bei mir so gestaltet hat, dass ich ihn mit meiner Frau gemeinsam gehen konnte, und dass er für mich erträglich war: Als ich durch einen Umzug ohne Amt und andere gewohnten musikalischen Funktionen in einer mir ziemlich fremden NAK-Gemeinde saß, war das Fremdheitsgefühl pötzlich viel größer als das Gefühl von Heimat und das Verantwortungsgefühl den Geschwistern gegenüber. Ich verlor das Gefühl des „Missionardaseins“ und konnte so meinem Herzen folgen, das den Namen „neuapostolisch“ nicht mehr ertragen konnte.
Lieber Johannes, Sie haben meinen Respekt und mein Mitgefühl. Ich wünsche Ihnen, dass Sie gerade an den inneren und äußeren Kämpfen wachsen können und dass Sie das Gefühl, in der NAK Gutes tun zu können, noch lange erleben können. Falls Sie vielleicht irgendwann mit der NAK zu sehr fremdeln, wünsche ich Ihnen, das Sie unter Erhalt möglichst vieler sozialen Beziehungen (v.a. in der Familie) einen guten Weg woanders hin finden. Wie schon jemand hier in diesem Forum geschrieben hat: Es gibt keinen Ersatz für die Gemeinde, in die man hineingeboren wurde und in der man erwachsen wurde. Keinen Ersatz für diese positiv eingestellte große Familie, in der man auch als junger Laie ganz viel machen konnte. Aber es gibt Gemeinden, wo man Gutes tun kann, Gemeinden, wo man Kraft tanken kann, Gemeinden, wo so gepredigt wird, dass einem die Tränen kommen, weil man sich endlich nicht mehr als „Ketzer“ fühlen muss und weil man endlich den Tiefgang findet, den man zu oft vergeblich in der NAK suchte.