PRÄGUNGEN...!

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Maximin

PRÄGUNGEN...!

#1 Beitrag von Maximin » 22.09.2008, 15:53

Lieben Freunde,
„Um ein Kind richtig aufzuziehen braucht man ein ganzes Dorf“, zitiert Frau Anne ein afrikanisches Sprichwort. Also ich kenne mich in Berlin-Brandenburg wesentlich besser aus als in Afrika. Dort ist die Lage in weiten Teilen nämlich überwiegend so: Verschlechterung der Infrastrukturen, immer weniger Arbeitsplätze, deutliche Bevölkerungsabwanderung, vor allen Dingen von jungen Frauen, dramatische Geburtenrückgänge mit allen damit verbundenen negativen Folgen. Die Dörfer schweigen und sterben...

Im Nachbarforum werden schwerwiegende Spätfolgen von Prägungen diskutiert, religiösen Prägungen. Und dazu möchte ich hier bei uns etwas beitragen.

Gestern beobachtete ich im Gottesdienst folgendes: Der Saal war voll besetzt und es wurde eine Videoaufzeichnung gemacht. Während des Gottesdienstes trug ein junger, sehr hoch gewachsener Papa seine plärrende Tochter auf seinen Armen hinaus. Da er an der aufzeichnenden Videokamera vorbei musste, bückte er sich, um die Aufnahme nicht zu stören. Nach ca.10 Minuten kehrte er mit seiner sichtlich beruhigten kleinen Tochter an der Hand wieder an seinen Platz zurück. Erneut bückte er sich und seine kleine ca. 3 jährige Tochter duckte sich ebenfalls unter der Kamera vorbei.

Als ich das beobachtete, da musste ich schmunzeln. Warum bückte sich die Kleine? Mit ihrer höchstens 50 cm Körpergröße hätte sie nie und nimmer die laufende Videoaufnahme beeinträchtigen können. Sie bückte sich aber dennoch. Sie tat das, was ihr Papa getan hatte. Natürlich wusste sie nicht, warum Papa sich gebückt hatte, aber sie amte sein Verhalten trotzdem nach. Warum?

Seit einigen Tagen beschäftigt mich ein :arrow: Lied,, dass ich in meiner früheren Kirche als Kind erlernt und eigentlich auch noch lange gerne gesungen habe. Das Lied fing so an: „Ich bin ein Kind, so arm und klein, und meine Kraft ist schwach. Ich möchte gerne selig sein und weiß nicht, wie ich's mach', und weiß nicht, wie ich's mach'!“(AGB Nr. 229) Übrigens hat meine frühere Kirche seither viele Lieder in der Versenkung verschwinden lassen. Überwiegend solche, die mein religiöses Weltbild mit geprägt haben, auch, als ich schon kein Kind mehr war.

Ich will nur noch eines meiner Kinderlieder erwähnen. Es geht so an: „Ich bin ein Gotteskind, folg meinem Herrn. In dem Apostelamt, von Herzen gern. Geht auch die schmale Bahn, aufwärts gar steil. Seine Liebe leuchtet uns, zu unserem Heil.“ So entstehen Prägungen, religiöse Prägungen.

Frage: Kann man sich solchen Prägungen entziehen oder bleiben sie unauslöschlich in die Seele eingraviert?

Meine Antwort ist diese: Nein, solche Prägungen wird man in Wahrheit nie mehr wirklich los. Da hilft auch keine entdeckte und eingestandene Enttäuschung, keine noch so große Wut und auch keine panische Flucht. Was hilft aber dann?

In meinem Beispiel ein mutiger Neuanfang. Etwa so ein naturbedingter, wie ihn der hl. Apostel Paulus im hohen Lied der Liebe beschreibt: „Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.“ (1. Korinther 13, 11)

Liebe Grüße, landauf und landab, von
Eurem Micha :wink:
Zuletzt geändert von Maximin am 22.09.2008, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.

Tatyana

#2 Beitrag von Tatyana » 22.09.2008, 16:50

Nein, Prägungen, auch religiöse, läßt man wohl nie wirklich ganz hinter sich.

Aber die Frage ist doch, wie man damit umgeht. Erkennt man eine solche frühe Prägung als Auslöser und Ursache bestimmter Konfliktsituationen, kann man sich distanzieren, kann daran arbeiten, die vorhandenen Prägungen zu überschreiben und damit etwas Eigenes zu schaffen.

Wer das nicht kann und nicht tut, läuft Gefahr, vorhandene Prägungen immer nur weiter zu vertiefen...

Maximin

ÃœBERSCHREIBEN GEHT NICHT...

#3 Beitrag von Maximin » 24.09.2008, 11:33

Ja liebe Tatyana, man kann die Ablösung schaffen. Aber ich glaube nicht, dass man das alleine, ohne professionelle Hilfe, schaffen kann. Überschreibe Du mal eine Schallplatte...! :roll: Im PC geht das. Mit althergebrachten Schallplatten leider nicht.
Gruß vom Micha + + +

Tatyana

#4 Beitrag von Tatyana » 24.09.2008, 12:54

Ich dachte da eigentlich auch nicht an spröden Schellack oder zerbrechliches Vinyl, sondern an Silbermünzen :wink: . Der Grundwert bleibt der Gleiche, egal, welches Bild darauf eingeprägt ist...und wenn man eine neue Prägung über die alte legt, ist der Wert immer noch der Gleiche, nur das Bild sieht anders aus. Man mag vielleicht noch erahnen, was darunter liegt, aber letztlich sind es andere Dinge, die wirklich zählen...

Maximin

DAUERHAFTE WERTE DARUNTER...!

#5 Beitrag von Maximin » 24.09.2008, 16:17

:) ... der Wert des Silbers, also der Basiswert. Richtig! :wink:

Dieter

#6 Beitrag von Dieter » 25.09.2008, 07:51

Prägungen - es sind Ereignisse, die mit uns geschehen sind. Oft unbewußt, auf jeden Fall stets von außen. Und wir waren in der passiven Rolle.
Wir haben aber die Chance, aktiv unser Leben zu gestalten. Und somit können wir uns für die Gegenwart und die Zukunft so verhalten, daß wir es sind, die Hand anlegen.
Alte Prägungen sind zwar geschehen, aber sie müssen uns nicht ein Leben lang begleiten. Was gut war, laß weiter zu. Und was als schlecht erkannt, laß liegen und kümmere dich nicht mehr darum. Im Frühjahr schlägt man auch nicht das Vorjahreslaub von den Bäumen. Das neue wirft das, was nicht schon abgefallen ist, automatisch ab.
So verlieren sich auch Prägungen aus unserem Leben, wenn wir uns neu ausrichten.

Dieter

Tatyana

#7 Beitrag von Tatyana » 25.09.2008, 08:05

Dieter, Wunden mögen verheilen, aber Narben bleiben. Unser Körper und unser Geist zeichnen alles auf, was passiert; manches mag vordergründig in Vergessenheit geraten, aber Geschehenes, und damit alte Prägungen, bleiben für immer erhalten. Wir können also nicht beliebig neu anfangen. Wir können aber hingehen, und auf dem, was war, verschieden aufbauen. Können uns rückwärts orientieren oder nach vorn, können das eine mehr betonen oder das andere. Das wird uns nicht davor bewahren, uns mitunter dabei zu ertappen, in alte Denkens- und Verhaltensmuster zu verfallen. Aber wir können alte Schwächen und Stärken integrieren und uns so weiterentwickeln.

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#8 Beitrag von tosamasi » 25.09.2008, 13:13

  • Dank dem heiligen Götzenbild der "Autorität" der Eltern über die Kinder herrschen Dummheit und Aberglauben in einer großen Zahl von Familien. Das von Vorurteilen noch freie Gehirn des Kindes müßte in der Erkenntnis der Fortschritte der Wissenschaft, der Kunst und der Moral erzogen und hauptsächlich zur Selbständigkeit des Urteils und zur Stärkung des Willens angehalten werden. Aber zu häufig macht man aus den Kindern ein Eigentum der Eltern. Nach Willkür, Launen, Unwissenheit, Vorurteil, Feigheit, Dummheit, Eitelkeit und Heuchelei formen die Eltern ihre Kinder nach ihrem eigenen Bild und betrachten alle Anwandlungen von selbständigem Urteil und Unabhängigkeit als strafbare Auflehnung.
    Auguste Forel, (1848 - 1931)
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
tosamasi

Hannes

#9 Beitrag von Hannes » 25.09.2008, 18:16

Dieter hat geschrieben:Wir haben aber die Chance, aktiv unser Leben zu gestalten. Und somit können wir uns für die Gegenwart und die Zukunft so verhalten, daß wir es sind, die Hand anlegen.
Stimmt - und genau da liegt die Kuh begraben! Wie willst Du mit Deinem So-sein, Deinem Hirn und Deinen Prägungen das anstellen. Sags mir und ich mach Dich zum Multi-Milliardär! Echt!

Gute Nacht!
Hannes

Maximin

#10 Beitrag von Maximin » 25.09.2008, 19:58

...man überlebt, wenn man es schaffen will...! Ich wollte und will.
Gruß Micha :wink:

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