Nach Jahren der Enthaltsamkeit mische ich mich mal wieder in die Diskussion ein, obwohl mich die Ausführungen zum Amtsverständnis persönlich nicht betreffen, da ich zum einen weiblich und zum anderen zu alt bin um noch Interesse an der Ordination von Frauen zu haben.
Dennoch haben mich die Ausführungen der Informationsveranstaltung zum Amtsverständnis in mehrerer Hinsicht irritiert:
Bemerkenswert ist, dass "vom theologischen Standpunkt aus […] nun die Definition des Amtes überein[stimmt] mit derjenigen von
Kirche und Sakrament", jedoch biblische Bezüge bewusst nicht erwähnt werden. Das wäre allerdings auch argumentativ sehr schwierig geworden.
Positiv bewerte ich, dass es zu einer Trennung zwischen Amt und Organisation kommt, hier wurde bisher aufgrund der Vermischung der Ebenen mannigfach Schaden angerichtet. Allerdings wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn ein Amtsträger Gläubigen keinen Rat mehr erteilen darf - damit kann individuelle Seelsorge nicht mehr stattfinden. Immerhin wird somit das, was ich schon seit vielen Jahren als Fakt erlebe, nun endlich qua höchstem Amt theoretisch legitimiert.
Die Reduktion einer aufgeblähten hierarchischen Struktur auf drei Amtsebenen begrüße ich ebenfalls. Wie sich diese radikale Änderung auf den All- bzw. Sonntag der Gemeinden und Bezirke auswirken wird, vermag ich nicht vorherzusehen, von Irritationen habe ich schon gehört.
In diesem Zusammenhang stört mich jedoch die Diktion, die in einer beruflichen Hierarchie zwar angemessen wäre, bei weitestgehend ehrenamtlich Tätigen mir jedoch unzulässig erscheint:
Die Amtsträger, die diese Leitungsfunktionen ausführen, verfügen im Rahmen ihrer Beauftragung über eine
Entscheidungskompetenz. Sie sind verantwortlich für die Einheit, die sie leiten, und müssen Rechenschaft
ablegen gegenüber ihrem Vorgesetzten.
Ich selbst bin in berufspolitischen Zusammenhängen in einer gewerkschaftlichen Organisation mehrfach in unterschiedliche ehrenamtliche Vorstandsaufgaben gewählt worden und hatte somit gewisse Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, jedoch habe ich mich nie als Vorgesetzte verstanden und auch den Gesamtvorstand, gegenüber dem ich regelmäßig gemäß der Statuten einen Rechenschaftsbericht abgeben musste, nie als Vorgesetzten betrachtet; Vorgesetzte hatte ich nur im Beruf.
In diesem Zusammenhang fiel mir auf, dass
Bischöfe, die- positiv formuliert - von Bezirksämtern als Ansprechpartner und Ratgeber gesehen wurden, nach neuer Diktion also ihre Vorgesetzten waren, deutlich degradiert werden. Zunächst einmal werden sie nicht nur nicht mehr ordiniert, sondern anders als die
beauftragten Bezirksvorsteher nur noch als Helfer der Apostel
ernannt. Anders als bei den geplanten Beratungen zur Frauenordination hat man hier offensichtlich nicht die Bibel befragt, denn dort hätte man nachlesen können:
Das ist gewisslich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt erstrebt, begehrt er eine hohe Aufgabe. (1.Timotheus 3, 1)
Einen Systembruch sehe ich auch in der Ordination des Stammapostels, die Begründung, die ich gelesen habe, reicht mir nicht. Hier erwarte ich vertiefende Erläuterungen nicht nur für Amtsträger, sondern auch für schlichte Gemeindemitglieder.
Dass ein Gremium von Männern sich nun herablässt sich mit der Frage der Ordination von Frauen in ein geistliches Amt zu beschäftigen, finde ich als Frau nur lächerlich und beschämend - ist doch die männlich-autokratische Struktur dieser Kirche bisher vergleichbar mit Strukturen in Ländern, in denen Frauen bisher nicht einmal Auto fahren durften und nun wollen Männer - und ausschließlich Männer, die diesen Denkstrukturen verhaftet sind, über die zukünftige Rolle der Frauen in ihrer Kirche entscheiden? Wie wollen sie folgende Frage, die sich sich selbst gestellt haben, beantworten: "Was möchten die Glaubensgeschwister"? Wollte man wirklich eine Antwort, müsste eigentlich eine umfassende, wissenschaftlich begleitete internationale Umfrage stattfinden. In meinem persönlichen Umfeld kenne ich nur Momentaufnahmen, die von "Frauen gehören nicht ins Amt" bis zu "Frauen sollten schon lange in alle Ämter ordiniert werden." reichen. Derlei subjektive Meinungsäußerung, aber auch eine ausschließlich männliche Sicht auf die Frauenordination halte ich für eine unzureichende Entscheidungsgrundlage. Meines Wissen gab es zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts bereits "Diakonissinnen", die vermutlich sogar ordiniert waren, aber irgendwann von der Bildfläche verschwunden sind. Mir ist ein Fall bekannt, in dem die Enkeltochter nicht einmal mehr wusste, dass ihre Großmutter als Diakonissen gedient hatte… Die Tätigkeit und Rolle dieser Frauen in der NAK vorgängig zu erforschen, fände ich spannend.
Gruß von der Trave
Sesemi