Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

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Andreas Ponto
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Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#1 Beitrag von Andreas Ponto » 22.04.2011, 19:48

Hallo zusammen!

Leider gehört auch dieses Thema zu unserer christlichen Realität.

Angeregt durch das Buch "Geistlicher Missbrauch" von Inge Tempelmann ISBM 978-3-417-26200-1 , das ich im Moment lese, habe ich dieses Forum hier erstellt.

Als ein Merkmal von geistlichem Missbrauch nennt sie z.B.: "Verbot der Kritik an Leiterschaft".

Dabei beschreibt sie, dass eigenständiges Denken nicht erwünscht ist.

Und wenn schon kritische Gedanken geäussert werden, dann ist die Kommunikation nur in vertikaler Ebene (von unten nach oben) zugelassen.

Ein Austausch oder gar eine Diskussion in horizontaler Ebene, also unter den Gemeindegliedern selbst, ist nicht zugelassen. Diese Art des Austausches wird als Zerreden und böses Geschwätz abgewertet und man muss mit schweren Sanktionen seitens der Leiterschaft rechnen.

Weiter beschreibt sie, dass die Lenkung der Kommunikation in vertikale Richtung nicht dazu dient, eventuelle Missstände und Probleme sofort im Sinne einer positiven Lösung angehen zu können, sondern lediglich um den Störenfried der das Problem benennt, sofort auszumachen und notfalls zu isolieren, bzw. diesem Querulanten Verantwortung zu entziehen.

Sie führt aus: "Menschen, die Probleme ansprechen, werden als Problem behandelt."

Hier noch ein Link zu einer Seite, die sich mit geistlichem Missbrauch beschäftigt: Geistlicher Missbrauch

Vielleicht können wir hier dazu beitragen, das Thema Stück für Stück auszuarbeiten und so manchem eine Hilfe auf seinem persönlichen Weg sein.

Adler

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#2 Beitrag von Adler » 23.04.2011, 09:23

Hallo Centaurea,

was du da beschrieben hast, sind doch die typischen Kennzeichen, an welchen man eindeutig eine Sekte erkennen kann! Wahres Christentum bedarf keinerlei Drohungen, gleich welcher Art, gegen seine Mitschwestern und Mitbrüder! Wo aber unter Androhung von Segensentzug usw. die Mitglieder zum regelmäßigen GD-Besuch bzw. zur regelmäßigen Abgabe bestimmter Geldbeträge, als eine Art Vorschußzahlung für zu erwartenden "göttlichen Segen", genötigt und teilweise massiv gedrängt werden, kann es nicht das wahre Evangelium sein, sondern es kann sich lediglich um eine auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Gemeinschaft, mit religiöser Verbrämung handeln.

LG Adler

tergram

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#3 Beitrag von tergram » 23.04.2011, 10:45

centaurea hat geschrieben:Vielleicht können wir hier dazu beitragen, das Thema Stück für Stück auszuarbeiten und so manchem eine Hilfe auf seinem persönlichen Weg sein.
Das, lieber Andreas, scheint mir (nicht nur) für dieses kleine Forum ein seeeehr hohes Ziel zu sein und mit fehlt auch die Phantasie, eine Zielgruppe zu erkennen.

Wir hatten einen ähnlichen Gedankenaustausch schon zu deinem damaligen Ansatz, eine "Bewegung von innen/Bewegung von unten" ins Leben zu rufen oder zumindest unterstützend zu begleiten. Und wir wissen, was daraus geworden ist: Nichts. Weil das System immer systemerhaltend wirkt/wirken muss. Störer werden identifiziert und ausgeschieden - übrigens ist das in allen ähnlich aufgebauten Systemen so, losgelöst von der Branche Kirchens & Co. Damit sind Systemveränderungen "von innen/von unten" fast ausgeschlossen.

Hoffnung auf Veränderung kann darin bestehen, dass das System mittel- bis langfristig aus sich selbst heraus eine neue Führungsriege gebiert, die zunächst systemangepasst auf der Leiter nach oben klettert und später, in Leitungsfunktionen angekommen, Veränderungen in Szene setzt - der Gorbatschow-Effekt. Im Rahmen der NAK ist Herr Klingler ein solches Beispiel. Wir erleben aktuell, wie "sowas" oft ausgeht und dass am Ende doch wieder das System gewinnt, weil die Anzahl der 'Klinglers' zu gering ist, um dauerhaft... Andere, weniger diplomatische 'Klinglers' wurden schon zuvor beseitigt: Das Sepers'sche Bauernopfer.

Eine weitere Möglichkeit ist "Druck durch veränderte Rahmenbedingungen", bespielsweise Wegbrechen des Finanzierungskonzeptes, dramatischer Mitgliederschwund, Veränderung der Akzeptanz von aussen etc. Dieser Bereich ist im Zusammenhang mit der NAK höchst interessant und verspricht aus meiner Sicht die größte Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre zu deutlichen Veränderungen zu führen (was nicht Verbesserung heissen muss). Diese können u.U. auch zu Abspaltungen führen, weil der bisher halbweg aufrecherhaltene Konsens unter den Gebietskirchenpräsidenten unter dem Druck der Bedingungen zerbricht.

Meine Gedanken nun zu deinem aktuellen Ansatz:

Dass die NAK in weiten Teilen klassische Merkmale einer Sekte zeigt, dürfte inzwischen bei den meisten am Thema interessierten Internetusern bekannt und Konsens sein.
  • Die Gruppe der "Kritischen" steht schon seit Jahren und immer weiter zunehmend (Glaubensbekenntnis/Katechismus ...) an einem persönlichen Scheideweg und wird sich letzlich in 2 Untergruppen aufteilen: "Bleiber" und "Geher". Beide Gruppen werden diese Entscheidung sehr bewusst treffen und gründlich abwägen, weil sie sich schon lange zuvor mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt haben. Insofern besteht kaum Anlass zur Sorge.

    Sorgenvoll betrachten könnte man die Gruppe der "100%ig-Getreuen", um im NAK-Jargon zu bleiben. Wenn man aber mit ihnen spricht, scheinen sie durchweg mit ihrer Rolle im System und dem System selbst hochzufrieden zu sein. Was einen zwar staunend zurücklässt, aber dazu führt, dass man diese Gruppe am besten "in (ihrer) Ruhe lässt", will man ihnen nicht den Seelenfrieden nehmen... und wer sagt denn, dass alle Menschen "Freiheit" zu wollen haben? Zwangsbeglückungen sind meist wenig erfolgreich.

    Eine nennenswerte Gruppe Systemgefangener, die das System zwar verlassen möchten, aber persönlich keinen Ausweg sehen, erkenne ich in meinem Erfahrungshorizont nicht.
Irre ich mich?

Ich bin gespannt auf den weiteren Austausch. Liebe Grüße,
t.

Adler

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#4 Beitrag von Adler » 23.04.2011, 15:13

Liebe tergram,

was du schreibst, würde bei der NAk voraussetzen, dass sie ihr sektentypisches Verhalten erkennt und auch tatsächlich, sowohl nach außen als auch nach innen -und hier ganz besonders!- ändern will. Ob die Sehensweise der "weisen Seher" 8) da ausreicht, wage ich persönlich zu bezweifeln ...

LG Adler

tergram

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#5 Beitrag von tergram » 23.04.2011, 15:19

Lieber Adler,

aber ich schrieb doch gerade, dass und warum ich eine Reformfähigkeit aus sich selbst heraus für nicht möglich halte... Habe ich mich so unklar ausgedrückt?

Adler

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#6 Beitrag von Adler » 23.04.2011, 15:24

Ups, da hab ich wohl was missverstanden :oops:

LG Adler

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Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#7 Beitrag von Andreas Ponto » 23.04.2011, 16:13

Wer sich hier so alles an einem wunderschönen Samstag Nachmittag im Internet tummelt?! 8)

Also, liebe tergram,

volle Zustimmung.

Es geht hier aus meiner Sicht auch nicht um die NAK oder die Reform der NAK, obwohl sie nach meiner Einschätzung von diesem Thema neben anderen massiv betroffen ist. Nun ich habe bezüglich dem System NAK aufgegeben.

Ich sehe es so, dass einfach jedwede christliche Kirche, Gemeinde, Sondergemeinschaft und Sekte (die letzteren beiden besonders, aber nicht ausschliesslich) in der Gefahr stehen religiösen/geistigen Missbrauch zu betreiben. Deswegen habe ich es auch unter "Verantwortliches Christsein" eingestellt.

Oft sind es Einzelpersonen, davon meistens Führungskräfte/Leiter/Lehrer, die ihre Macht/ihre Autorität/das Vertrauen, das ihnen entgegen gebracht wird, missbrauchen, oft ist es aber auch das gesamte System (Sondergemeinschaften, Freikirchen, Sekten - ohne zu generalisieren).

Mir geht es hier auch nicht darum, das alles aus der Welt zu schaffen. Das wird wohl nicht möglich sein.

Aber, wenn wir hier aufzeigen, was Grenzüberschreitungen sind, was geistiger und religiöser Missbrauch ist, dann hilft uns das selbst. Zum Einen, dass wir im Übereifer nicht Täter werden und zum Anderen, dass wir uns gegen Grenzüberschreitungen zur Wehr setzen, missbräuchliche Tendenzen und Systeme in unserem Umfeld erkennen, benennen und ggfs. dagegen angehen, bzw. dem aus dem Weg gehen können.

Zum anderen habe ich die stille Hoffnung, dass wir hin und wieder jemandem helfen, sich von solchen Systemen jedweder Couleur lösen zu können. Oft ist es ja das eigene Empfinden, dass etwas nicht stimmt, aber man kann es nicht festmachen. Vor allem nicht, wenn man in solchen Systemen gross geworden ist. Wenn sojemand dann feststellen kann, dass er da nicht alleine ist mit seinen Empfindungen und auch noch klar benannt bekommt was es ist und wie er damit um gehen kann, dann kann das eine erste Hilfe sein.

Vielleicht merkt auch mancher Verantwortliche, was er an ihm anvertrauten Seelen im Namen Gottes unheilvolles anrichtet. Liegt es an seiner Person, kann er versuchen es abzustellen, liegt es am System sollte er Konsequenzen ziehen.

Aufklärung ist einfach noch die beste Wunderwaffe. Deswegen versuchen diese missbräuchlichen Systeme ja auch so vehement sich abzuschotten und die Kommunikation nach innen und aussen absolut zu kontrollieren.

Adler

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#8 Beitrag von Adler » 23.04.2011, 16:38

Als die Christen in ihren Anfängen, begannen Männer oder Frauen in "Ämter" zu berufen und ihnen besondere Befugnisse zu übertragen, wurde dem damit einhergehenden bzw. sich daraus ergebenden Macht- und Amtsmissbrauch bereits Tür und Tor geöffnet. Bei einer "Amtsführung" auf Augenhöhe, wo alle in der gleichen Position sind, ist dies eher unwahrscheinlich. Petrus hatte ja auch im Kreis der ersten Christen eher die Position eines >primus inter pares< als die eines Kirchenoberhauptes wie man es heute in den verschiedenen christlichen Gemeinschaften kennt.

LG Adler

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Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#9 Beitrag von Andreas Ponto » 23.04.2011, 17:08

Das Beispiel der Fusswaschung (Joh. 13, 1-17) ist immer noch das Beispiel schlechthin, wie es unter Christen und in christlichen Gemeinschaften zugehen sollte. Es ist eines der zentralen Anweisungen, die Jesus seinen Jüngern gegeben hat.

Der Grösste unter euch soll euer Diener sein (Matth. 23, 11).

Aber und das hat Adler ja richtig benannt, dieses Beispiel ist in der Praxis verloren gegangen. Wenn so die Amtsführung, die empfangene Gabe verstanden würde, dann würde kein Missbrauch betrieben.

Die Realität ist aber eine andere, das hat Jesus ebenfalls benannt und deswegen, denke ich, lohnt es sich darüber zu sprechen, sich damit auseinander zu setzen, es sich bewusst zu machen und die damit verbundenen Mechanismen zu enttarnen.

Adler

Re: Was ist religiöser Missbrauch - was nicht?

#10 Beitrag von Adler » 23.04.2011, 18:03

Ein Sprichwort sagt: "Stecke einen Menschen in eine Uniform und du erkennst seinen wahren Charakter."

Genau so ist es! Ganz gleich, wie auch immer diese Uniform aussehen mag . . .

LG Adler

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