DIE APFELBAUMPREDIGT

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Maximin

DIE APFELBAUMPREDIGT

#1 Beitrag von Maximin » 19.06.2008, 05:25

Predigt am 20. August 2006 – 10. Sonntag nach Trinitatis (Israelsonntag) in der Evangelischen Gemeinde Berlin-Buckow

Predigtlied:
„Gott ist getreu. Vergiß, o Seel´, es nicht ...“ (GLB Nr. 465, Melodie II) -Text: Ehrenfried Liebich (1768) – Melodie: Dora Rappard (1875)

Gebet:
Ewiger Gott, treuer himmlischer Vater. Lass uns nicht schweigen von dem, was Du durch Deinen Sohn, Jesus Christus, an uns getan hast. Wir bitten aber auch für das Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs, an dem unsere Väter schuldig geworden sind. Bewahre die Kinder Israels auf den Tag, den Du auch zu Ihrer Erlösung gemacht hast. Segen über sie. Amen.

Textwort:
(1) Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten? (2) Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; (3) aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esst nicht davon, rührt's auch nicht an, dass ihr nicht sterbt. (4) Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; (5) sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. (6) Und das Weib schaute an, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß. (1. Mose 3, 1-6 - Luther 1912)

Kanzelgruß:
Ich grüße euch alle mit dem Gruß des Auferstandenen, unseres Herrn Jesus Christus: „Friede sei mit euch!“

Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn!
Wir feiern heute den 10. Sonntag nach Trinitatis. Dieser Sonntag ist dem Gedenken Israels gewidmet und heißt auch Israelsonntag. Sehr bewusst haben die Christen, die dies in die Predigtreihe eingebracht haben, dies getan, denn es geht darum, dass wir Christen unsere geistliche Geschichte nicht vergessen. Die Geschichte Gottes mit den Menschen begann nicht erst mit Jesus, sondern es gibt eine lange Geschichte davor, in die wir mit eingebunden sind und die uns als Christen ebenso angeht. Unsere Bibel besteht deshalb ja auch aus 2 Testamenten. Und wenn auch nicht alles aus dem Alten Testament nach Christus seine Bedeutung behalten hat, so ist dieses Glaubenszeugnis doch für uns Christen Teil unseres Glaubens.

Und nun lade ich euch zu einer Betrachtung dessen ein, was Volk Israel und wir gemeinsam haben: Den Anfang der Menschheit.

Predigtüberschrift:
Die Apfelbaumpredigt: Wir haben 4 Teile:

1. Gut zu essen.
2. Nicht alles essen.
3. Sie aßen doch.
4. Weitere Aussichten...?

Zu 1.: Gut zu essen
Eine alte Dame schlief abends vor ihrem Fernseher ein. Als sie erwachte, musste sie sich angesichts dessen, was sie da auf dem Bildschirm zu sehen bekam, die Augen reiben, denn sie befand sich ungewollt mitten in einem "Pornofilm". Wenn man sich in diesen Tagen umsieht, dann trifft man auf viel Distanzlosigkeit. In unserem Lande wird inzwischen jede 3te Ehe wieder geschieden. Darüber muss also mal gesprochen werden.

Inzwischen kennt ihr meine Vorliebe zum ersten Buch der Bibel. Wer sich selbst , die Menschen im Allgemeinen und das scheinbar so komplizierte Verhältnis zwischen dem Schöpfer Himmels und der Erde etwas besser verstehen will, dem kann ich nur empfehlen, immer wieder einmal das 1. Buch der Bibel zu lesen.

Diese uralten Geschichten sagen mir auf den ersten Blick, dass Gott den Menschen jede Menge Freiheit geschenkt hat. Er hat sie gewissermaßen mit Freiheit überschüttet. Alles was dieser Gott geschaffen hat, das legt er mit der mutmachenden Einladung in ihre Hände: "Genießt alles und macht was draus", würde man heute verkürzt sagen. Paradiesische Zustände. Aber waren diese paradiesischen Zustände wirklich grenzenlos?

Zu 2.: Nicht alles essen
Nein, die paradiesischen Zustände waren nicht grenzenlos. Gott hatte auch im Paradies eine Grenze gesetzt. Nicht nur drum herum, sondern mitten hinein.

Und nun bin ich mitten in meiner Apfelbaumpredigt angekommen. Da steht er dieser verlockende "Apfelbaum" von dem geboten ist, nicht davon zu essen. Das Gebot ist eindeutig. Da ist es doch am besten, wenn ich mich diesem Baum gar nicht erst nähere - oder? Mach einen großen Bogen um ihn, meide ihn und rühre ihn nicht an.

Und nun muss ich einfach eine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen. Auf meinem Weg zur Schule musste ich am Garten unseres Nachbarn vorbeigehen. Direkt am Zaun hatte der Nachbar einen Apfelbaum stehen. Seine breit ausladenden Zweige reichten weit über den Zaun hinaus. Jedenfalls klaute ich mir im Vorübergehen so lange Äpfel von diesem Baum, bis für mich keine mehr erreichbar waren. Eines Morgens war es soweit. Ich kam an die Äpfel nicht mehr heran, so sehr ich auch Ausschau hielt. Nichts zu machen!

Und dann stand plötzlich der Nachbar wie aus dem Nichts auf der anderen Seite des Zaunes. "Na, mein Junge, möchtest Du einen Apfel von mir haben?" Ich war wie vom Donner gerührt, fühlte mich auf frischer Tat ertappt und brachte kein Wort heraus. Da pflückte der Nachbar einen Apfel von seinem Baum und schenkte ihn mir mit den Worten: "Weißt Du mein Junge, ich kann die vielen Äpfel gar nicht alle verbrauchen. Es macht mir Freude, dass Du sie so magst. Komm nur jeden Morgen. Ich werde pünktlich da sein und Dir einen Apfel reichen." Unser Nachbar hielt Wort und so wurde ich von einem Dieb zum Beschenkten.

Zurück zum Thema Distanzlosigkeit. Sie wird doch nicht dadurch gerechtfertigt, dass man bedenkenlos Grenzen überschreitet und tut, wonach einem gerade mal so zumute ist. Da gehen dann zum Beispiel Ehen kaputt, Männer verlieren ihre Frauen, Frauen ihre Männer, Kinder Elternteile und alle zusammen das Schönste was es gibt auf der Welt: Die Geborgenheit einer in sich gefestigten Familie.

Aber es geht ja noch weiter. Was ist denn das eigentlich wirklich für ein Baum gewesen, von dem Gott zu essen verboten hatte? Die Schrift sagt, es wäre der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gewesen. Wenn ich davon, entgegen dem ausdrücklichen Verbot, doch esse dann würde ich wie Gott werden. So jedenfalls die listige Versprechung der Schlange.

Ist dieser Baum nicht letztlich Gott selbst, der zu Distanz zu IHM Auffordert: „Du bist zwar nach meinem Ebenbild geschaffen? Ich spiegele mich in Dir wieder, aber hüte Dich, Dich mit mir zu verwechseln, am Ende Deine Grenzen zu übertreten und Dich über mich zu erheben. Bleibe doch bitte lieber in Deinen Grenzen. Rühre mich nicht an, sonst machst Du Dein schönes Paradies kaputt.“

Zu 3.: Sie aßen doch
Nun finde ich, dass diesem Bibelbericht späterhin viel Gewalt angetan worden ist. Da kommt eine Schlange als Anstifterin der Verführung ins Spiel. Eva erliegt der Schlange und Adam erliegt seiner Frau. Wer ist eigentlich letztlich verantwortlich? Wer ist schuldig geworden? Nur die Eva? Das stimmt doch einfach nicht wenn man genau hinsieht. Gott jedenfalls verteilt die Schuldanteile ziemlich gerecht.

Was mich jedoch so froh macht an diesem Gott ist, dass ER sich als erstes um seine verängstigten Menschen kümmert. ER geht ihnen nach. ER spricht sie an. ER ruft sie aus ihrem Versteck heraus. ER opfert Tiere, um die ihnen bewusst gewordene Blöße zu bedecken, in dem ER ihnen aus Tierfellen Bekleidung näht. Diese Tieropfer halte ich für sehr bedeutsam. Sie sind wohl die erste Opferhandlung überhaupt. Gott opfert als erster und zwar für die Menschen und nicht für sich selbst. Da leuchtet schon ein wenig die Opfertat Jesu hervor…

Ist das ein Gott der gnadenlosen Härte, der auf Distanz geht und Nähe zu sich nicht duldet? Niemals! Ganz im Gegenteil! Gewiss, die paradiesischen Zustände haben zunächst zwangsläufig und wie angekündigt ein Ende. Aber nun macht sich dieser barmherzige Gott mit seinen distanzverletzten Menschen auf den beschwerlichen Weg, quer durch die ganze uns bekannte Reichsgottesgeschichte. Und - ER ist mit uns immer noch unterwegs…! Wozu? Warum? Wohin?

Zu 4.: Weitere Aussichten?
Ich finde meine Antwort auf diese Fragen im Neuen Testament. Man sollte das, was da geschrieben steht einfach mal auf sich wirken lassen, um vielleicht etwas besser zu verstehen, was dieser Gott mit uns Menschen vor hatte und noch vor hat:

Ich lese aus Offenbarung 21, 3-7:
"Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein."

Was meint das? Schönes Bild - nicht wahr? Aber da steht eben. "Siehe ICH mache alles neu." Das bedeutet doch, dass der neue Himmel und die neue Erde zu schaffen nichts mit meinem und Deinem Vermögen und Wollen zu tun haben können. Da steht "Ich mache". Du und ich brauchen nichts zu machen. ER macht.

Gewiss, da steht auch, dass der Überwinder das alles ererben wird. Das ist wohl wahr. Das führt mich jedoch nur auf den Ausgangspunkt zurück, dass ER, mein Gott, sein will und ich SEIN Sohn, seine Tochter. Nicht mehr und nicht weniger. Da ist er wieder dieser Distanzwunsch Gottes, der mir meine zugewiesene Grenze zeigt.

Bleibt die Frage, was es eigentlich zu überwinden gilt und wer mit Überwinder gemeint ist. Ich will versuchen darauf zu antworten, so wie ich es im Augenblick weiß:

· Überwinde die Annahme, dass du dich selber erlösen kannst.
· Überwinde die Annahme, dass dir die Mitgliedschaft in einer Kirche, egal welcher Name draußen dran steht, die Tür zum Himmel öffnet.
· Überwinde deine Zweifel, dass du durch irgendeinen anderen als durch Jesus Christus Frieden und Erlösung finden kannst: Gott selbst hat sich überwunden und ist in Jesus Christus Mensch geworden und gestorben.
· Überwinde deine Angst vor Hölle, Tod und Teufel. Jesus Christus hat sie besiegt. Er lebt und du sollst auch leben.

Die Forderung, von dem einen bestimmten Baum nicht zu essen, war sie nicht ein leichtes Verzichtsopfer angesichts der Überfülle SEINES sonstigen Angebotes? Nein! Der Wunsch selbst zu sein wie Gott, auch noch die letzte Schranke zwischen IHM und mir einzureißen, war und bleibt unzulässig.

Die biblische Geschichte ist voll von eigentlich gnadenbegabten Leuten, die, wie ich, nicht Überwinder waren und dennoch Gnade vor Gott fanden. evangelisch gesprochen: SOLA GRATIA! Allein durch die Gnade wird der Mensch gerechtfertigt!

Gerade diese Beispiele machen mir die Bibel so menschlich, mir meinen Gott so glaubhaft und mich frei davon, mich auf mich oder auf Dritte zu verlassen. Das macht mir Mut, mich eben nicht zu der irrigen Annahme zu verführen, ich könnte durch eigene Glaubens- oder Willensanstrengungen etwas zur Reparatur meines verletzen Gewissens beitragen, statt IHN machen zu lassen und mich mit IHM zu verwechseln.

So einfach ist das und scheinbar doch so schwer. Der verlockende Reiz des "Apfels" und die in mir raunende „Versuchung“ sind einfach viel stärker als meine Überwinderkraft. Der Apostel Paulus hat es so ausgedrückt: "Das Gute was ich tun wollte tat ich nicht. Und das Böse, was ich nicht tun wollte, das tat ich (doch)." (Römer 7,19) Ist das krank?

Jesaja sagt es so schön in seinem 53. Kapitel: „(4) Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.(5) Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“

Da stehen die Worte "sind wir geheilt“. Da steht nicht „werden wir geheilt wenn“. Nein, da steht "sind wir geheilt". Punkt.

Als ich den tiefen Sinn dieser mit Römer 6 bis 10 verknüpften Botschaft begriffen hatte, begann ich mich von der Irrlehre zu lösen, ich könnte mich durch meine (guten) Werke oder (frommen) Willensanstrengungen selbst heil machen und mir so den neuen Himmel und die neue Erde erarbeiten. Beides gibt es „umsonst“! Fassen wir es doch!

Wie oft haben viele in ihrem Leben den Zuspruch gehört: "Dir sind Deine Sünden vergeben!" Und, was ist? Manche leiden trotzdem unter Schlafstörungen, Depressionen, Herzrasen oder Angstattacken, weil aus ihrem Unterbewusstsein dunkle Erinnerungen auftauchen, die mit ungesühnter Schuld zu tun haben, mit Anmaßung oder mit nicht verarbeitetem Unrecht, das ihnen angetan wurde. Da schreckt man dann nachts schon mal hoch und versucht diese aufdringlichen „Gespenster“ zu verjagen. Klappt aber leider nicht immer und, je länger man lebt, offensichtlich immer weniger. Es hat doch aber sonst immer geklappt Gewissensbisse zu verdrängen. Wo ist in solchen Zuständen die künstlich aufgebaute Distanz zur eigenen Schuld oder die durch mein Verzeihen heilende Distanz zu denen geblieben, die mich schwer verletzt haben?

Ist vielleicht der elende Kampf gegen Sünde in Gedanken, Wort und Werken in Wirklichkeit vergeblich und lebenslänglich? Hilft es zu kapitulieren und sich so anzunehmen sie man eben ist? So ein wenig Selbsterlösung? Vielleicht mit einem von der Krakenkasse mäßig bezahlten Seelenklempner? Schaden kann das nicht. Vielleicht reicht es aber auch schon aus, unterscheiden zu lernen. Unterscheiden zu lernen zwischen dem was einem zu tun möglich ist, und dem, was ER für uns längst getan hat.

Ich denke schon, dass dabei für jeden von uns noch eine ganze Menge zu tun ist. Kein leichter Weg an einen Erlöser zu glauben, den man nicht sehen und nicht (an-) fassen kann. Wiederum kann dieses Bemühen aber auch ziemlich spannend und voller Überraschungen sein. evangelisch gesprochen: SOLUS CHRISTUS – Allein durch Christus bin ich gerechtfertigt.

Höchst unbekömmlich ist es allerdings, sich von anderen Menschen überfordern zu lassen, oder, was noch viel unbekömmlicher ist, wenn man sich permanent selbst überfordert.

Als ich eines Tages alles aber auch wirklich alles mit IHM besprach, was in meinem Gewissen viel zu lange unerledigt herumgelegen hatte, da nahm ich mir vor, den danach neuen großen freien Raum nicht als bedrohlich zu erleben, sondern als eine Weite zu genießen, SEINE wie meine Grenzen zu respektieren und mich jeden Tag neu darüber zu freuen, dass Frieden möglich ist. Evangelisch gesprochen: SOLA FIDE – Allein aus Gnade bin ich gerechtfertigt .

Noch mal zurück zu der alten Dame und ihrem Fernseherlebnis: Was hat die gemacht? Sie hat auf den "Ausschaltknopf" gedrückt.
Amen.

Michael Steinbach
(Es gilt das gesprochene Wort.)

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