Predigt zu Jeremia 1, 4-10

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Andreas Ponto
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Predigt zu Jeremia 1, 4-10

#1 Beitrag von Andreas Ponto » 05.08.2012, 22:30

Liebe Gemeinde,

vor gut 2 Wochen habe ich eine im letzten Herbst verlorene Wette ausgeglichen. Guter Wein hat den Besitzer gewechselt.

Um was es ging? Um Politik. Ich hatte mit einem Freund gewettet, ob die Regierung das Desaster um unseren Euro überlebt oder nicht. Naja, bis jetzt hat sie es ja gut überlebt und meine Einschätzung und Vorhersage dazu war schlicht falsch.

Als Prophet tauge ich also eher nicht. Das Schöne an Wetten bei denen es um etwas geht aber ist, daß man an das, was man so fest und überzeugt vertreten hat, erinnert wird.

Den Experten, Wirtschaftsweisen, Politikern und Richtern geht es im Moment auch nicht viel anders mit Ihren Einschätzungen und Prognosen zur sogenannten Euro-Krise selbst: Ein Stochern im Nebel des Unvorstellbaren.

Ein Finanzsystem am Wanken? Und wie damit umgehen? Was tun um dieses Finanzsystem und das damit im Zusammenhang stehende politische System Europa zu retten oder neu und stabil aufzusetzen?

Ein Prophet wäre da nicht schlecht, einer der uns direkt von Gott geschickt, sagt, was wir in dieser tatsächlich bedrohlichen Situation zu tun haben.

Jeremia war ein solcher Prophet für das damalige Jerusalem und seine Könige.

Ich lese den heutigen Predigttext überschrieben mit “Jeremias Berufung” aus Jeremia 1:

4 Und des HERRN Wort geschah zu mir:
5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.
7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.
8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.
10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

Jeremia und seine Mahnungen vor der Zerstörung Jerusalems wollte man zu seiner Zeit nicht hören. Er prangerte die aus Gottes Sicht falsche Bündnispolitik Jerusalems an. Er mußte nach Ägypten gehen und wurde dort schließlich gesteinigt.

Gefühlt geht es uns manches Mal sicher auch so. Da stehen wir vorne, haben eine Aufgabe übernommen oder gehen in unserer Berufung auf, aber es will niemand auf uns hören. Oder wie erkennen eine Entwicklung und möchten uns einbringen, damit sich etwas zum Guten wendet und werden überhaupt nicht gehört, geschweige denn auch nur ansatzweise Verstanden. Kennen Sie das?

Jeremia hatte noch ein ganz anderes Problem. Er wollte sich gar nicht einbringen. Er fühlte sich nicht geeignet für diesen Job den Gott ihm da zugedacht hatte. Zu jung, zu unerfahren und ohne jeglichen Einfluß in den damaligen Netzwerken. Da gibt es doch genügend Propheten am Hof des Königs. Laß die doch machen, hat er vielleicht gedacht.

Er wußte wohl von vorne herein, dass das kein Amt war nach dem man sich sehnt. Keine Auszeichnungen und Anerkennungen waren zu erwarten. Ärger stand vielmehr bevor, wenn man die herrschende Klasse anging.

Das ist ja heute nicht viel anders geworden. Wer sagt, was zu sagen ist und gegen den Strom anschwimmt erntet Unverständnis, Hohn und Spott. Die Ratschläge der vielen Experten, die gegen die eingeschlagene Richtung der Regierung in der Krise angehen, werden in den Wind geschlagen. Die Experten werden in ihrer Fachlichkeit und Seriösität durch wenige abschätzige Sätze angezweifelt und ihre Mahnungen abgetan.

Unter solchen Umständen ist es doch besser, man hält den Mund, oder? Warum sich einbringen, wenn es doch keiner hören will und zu nichts führt? Warum sich den Mund verbrennen und dafür auch noch schief angesehen werden? Wozu, wofür? Wenn doch alles seinen Gang geht und man nichts aufhalten, nichts bewegen und nichts ändern kann?

In gewachsenen, fest eingefahrenen, vielleicht auch verkrusteten Strukturen ist das so. Wer nicht vorne und obenan steht hält besser seinen Mund. Das ist in Politik, Wirtschaft, Beruf, Gemeinde und Verein - einfach in allen Lebensbereichen so. Die Dinge sind geregelt und gehen ihren Gang.

Da will man nicht aus der Masse heraustreten und auch nur ansatzweise kleine, unangenehme Wahrheiten aussprechen. Man hat, wie ich finde zu Recht, Angst um sein Ansehen, um den Verlust der Sympathie, die einem bis dahin entgegen gebracht wird.

Ich muß Ihnen ehrlich zugeben: Einfach als Prophet und später als Märthyrer dazustehen genügt nach meiner Einsicht nicht. Hauptsache man hat gesagt was Sache ist und ist damit seiner Verantwortung gerecht geworden? Das ist mir zu billig.

Auf der anderen Seite:
Berufung, Auszeichnung, Erwählung das heißt Verantwortung tragen, das heißt wahre Worte sprechen, unangenehme Wahrheiten verkünden müssen und oftmals gegen den Strom zu schwimmen. Ja! Die allgemeine Meinung, der Mainstream, der Trend, das alles ist für den Berufenen nicht mehr wichtig. Unbedingt ja!

Aber genügt das? Ich meine nein! Unser Einsatz sollte doch zu etwas führen. Zu etwas Gutem führen! So erlebe ich Jesus in den Erzählungen und seinen Worten aus der Schrift.

Er hat in den Kreisen in denen er wirken konnte, wo er angenommen war, gewirkt und versucht die Änderung im Menschen selbst und von dort ausgehend im Umgang miteinander zu bewirken. Vom Kleinen zum Großen die Dinge zu ändern und dabei das Große und Ganze im Blick zu haben.

Um die, die ihn nicht angenommen oder gar abgelehnt haben, hat er sich eher weniger gekümmert. Er hat schon das Seine gesagt, wenn es darauf ankam, aber wie und was er gesagt hat zeigt mir, dass er nicht von einer Änderung oder einer positiven Ressonanz, die seine Worte hervorrufen, ausging.

Triebfeder für sein Handeln war die Liebe.

“Friede sei mit dir!” oder schlicht “Shalom” das war nicht nur eine leere Grußformel, das war die Basis auf der er sich mit seinem Gegenüber auseinandersetzte und wie er von seinen Jüngern wollte, dass diese mit den Leuten umgehen.

Er hat sich der Sorgen und Anliegen angenommen. Menschen die ihm gegenüber offen waren und zu ihm Vertrauen hatten, die zu ihm gekommen sind, mit ihm gegangen sind, dort hat er ausgesät.

Er hat keine schnellen Scheinlösungen, sogenannte Quick-Fixes, wie es heute so gerne getan wird, verteilt. Sondern ein Samenkorn ausgestreut, auf Wachstum, Entwicklung und Veränderung vertraut.

Segen und Heilung hatte seinen Ausgang bei ihm, lösten aber immer auch Eigeninitiative der Empfänger, der Angesprochenen, der Geheilten zur Veränderung aus. “Sündige hinfort nicht mehr!”

Macht es nicht Sinn in dieser Art und Weise aktiv zu werden, sich einzusetzen? Unangenehme Wahrheiten auszusprechen, Position zu beziehen, sich einzubringen und einzumischen, Verantwortung zu übernehmen?!

Wie sieht es denn mit einer Berufung bei uns aus? Fühlen wir uns zu einem Dienst oder einer Aufgabe berufen? Oder wurden wir zu einer Sache berufen? Wie sieht es mit unserer Berufung als Christ aus?

Sicher, dann geht es nicht ab, ohne dass wir auch auf Ablehnung stoßen. Dietrich Bonhoeffer ist so ein Beispiel. Wo er gewirkt hat, wäre es uns vielleicht unmöglich, standhaft zu bleiben. Aber was er uns hinterlassen hat, hat seine Gültigkeit. Notfalls gelte es "nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen". Aber die Betonung sollte hier auf notfalls liegen.

Muß es denn soweit kommen?

Gottes Wort kann Veränderung in uns bewirken. Es wirkt selbstständig, bewirkt aber auch Initiative! Das verstehe ich unter authentisch sein. Sprüche sind gleich verbreitet, die Frage ist, ob man diese an uns auch erfährt? Ob wir Alternativen zum allgemeinen Handlungsmuster durch unser Reden, Tun und Handeln aufzeigen.

Und ist es nicht unsere Verantwortung Gottes Wort konsequent weiter zu tragen? Kleine Samenkörner auszustreuen, dort wo wir Vertrauen genießen?

Wie schafft man denn Vertrauen? Indem wir zunächst zuhören! Indem wir wirklich und echt verstehen wollen, was unser Gegenüber bewegt, fühlt und denkt und dieser sich tief verstanden fühlt!

In einem schlauen Buch habe ich vor Kurzem von einer interessanten Variante der Gesprächsführung erfahren. Indianerstämme haben ihre Konflikte untereinander in Beratungen gelöst, in denen es einen “Talking Stick” gab. Derjenige der diesen “Redestab” hatte, der redete und nur der. Und erst wenn er das Gefühl hatte, dass er von allen richtig verstanden wurde, erst dann hat er diesen Redestab an den Nächsten weitergegeben.

So wurde zuerst das Verständnis füreinander durch zuhören hergestellt und dann konnte ein sogenannter 3. Weg gefunden werden. Kein fauler Kompromiss, sondern eine echte und für alle bessere Lösung, weil Verständnis füreinander da war.

Könnte das nicht eine echte Alternative im Miteinander sein?! Der Größte unter euch soll euer Diener sein? Könnten wir so nicht unserer Berufung folgen?!

Ich will uns ermuntern hier im Kleinen, im Miteinander, an den Stellen wo wir als Christen und zum Reich Gottes Berufene stehen unsere Aufgabe und Berufung zu finden und Gottes Wort zu wirken.

Wirken setzt Handeln voraus und erzielt Wirkung!

Beide Komponenten sind wichtig. Dafür lohnt es sich vorne zu stehen und sich einzubringen. Da wird Gott mit uns als seine Diener sein.

Lassen Sie uns Gottes Reich bauen, säen und pflanzen!

Amen.

Andreas Ponto, 2012-08-05 - Es gilt das gesprochene Wort.
Erarbeitet auf der Basis eine Predigtvorlage für Prädikanten der ELK-WUE.

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