Predigt über 1. Korinther 14, 1–3.20–25

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Andreas Ponto
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Predigt über 1. Korinther 14, 1–3.20–25

#1 Beitrag von Andreas Ponto » 17.06.2012, 11:06

Liebe Gemeinde,

sicher waren Sie alle schon an historischen Stätten und haben sich Ausgrabungen angesehen.

Mit meiner Familie war ich vor ein paar Tagen in Südfrankreich. Unter Anderem haben wir eine römische Ausgrabung besucht. Eine ganze Stadt mit Häusern von reichen und armen Einwohnern, Forum, Tempel, Basilika, ein Schutzwall mit Tor, Kanalisation unter der zentralen Dorfstrasse, daneben eine zentrale Frischwasserleitung mit angeschlossenen Schöpfstellen in den Häusern, Viehställe, öffentliche begehbare Brunnen, die heute noch klares Bergwasser spenden, Inschriften, Zisternen, ein römisches Bad, und vieles mehr. Wenn man so durch diese Stadt geht und die Grundmauern der Gebäude durchschreitet, steht Geschichte auf und wird vor dem eigenen Auge lebendig. Ich bin dabei ein wenig erschaudert.

Bei dem heutigen Predigttext könnte es uns vielleicht auch so gehen. Er steht im 1. Brief des Paulus an die Korinther. Das für mich Schöne und Faszinierende an ihm ist, dass er als Brief aus der Feder von Paulus anerkannt wird. Zusammen bilden wohl 7 Briefe von Paulus die ältesten Zeugnisse der frühchristlichen Geschichte. Sie entstanden um das Jahr 55/56 n. Chr. Geburt. Selbst die Evangelien sollen deutlich später und erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels geschrieben worden sein.

Wenn wir uns nun in die Gemeinde von Korinth hineinversetzen und die Worte aus dem Brief des Paulus an diese Gemeinde auf uns wirken lassen, dann können wir zunächst ein wenig historischen Wind spüren.

Ich lese dazu aus dem 14. Kapitel des 1. Brief von Paulus an die Gemeinde in Korinth.

Zungenrede und prophetische Rede
hat dieses Kapitel als Überschrift

1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede!
2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.
3 Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.

20 (Liebe Brüder) Brüder und Schwestern, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen.
21 Im Gesetz steht geschrieben (Jesaja 28,11-12): »Ich will in andern Zungen und mit andern Lippen reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch so nicht hören, spricht der Herr.«
22 Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?
24 Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt;
25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.

Das vorhergehende 13. Kapitel ist Ihnen allen sicher bekannt. Es ist überschrieben mit den Worten: „Das Hohelied der Liebe“
Darin ist für mich die Kernaussage des Paulus: Ohne die Liebe nützen alle anderen Gaben Gottes nichts! Daran knüpft Paulus hier in unserem heutigen Predigttext direkt an. Er fordert die Gemeinde in Korinth zuerst und vor allem auf: „Strebt nach der Liebe!“ Und ich füge an: denn das ist die Voraussetzung für alles Weitere.

Was das bedeutet wäre ein eigener Gottesdienst wert. Ich meine, es lohnt sich darüber nachzudenken und gebe es Ihnen und mir als Anregung mit.
Wie agieren wir in Partnerschaft, Familie, Gemeinde, Freundschaft und Arbeit?
Was ist die Triebfeder für unser Fühlen, Denken, Reden und Handeln?
Vielleicht sucht und findet jeder für sich in den nächsten Tagen ruhige Momente in denen Zeit ist darüber nachzudenken?! Beispielsweise im Stau, in einer langweiligen Schulstunde oder beim Wäsche aufhängen? Es lohnt sich bestimmt dafür einmal das Radio auszuschalten.

Aber Paulus hält sich hier nicht auf. Er geht weiter. Ich will das mit Ihnen nun auch tun.
„Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede!“, schreibt er weiter. Ja, was ist denn das? Prophetische Rede? Er spricht weiter von der Zungenrede und der prophetischen Rede als Gaben Gottes. Danach sollten die Korinther streben.

Heute noch finden wir z.B. in Pfingstgemeinden, charismatischen Bewegungen, evangelikalen Kreisen oder kurz auch Erweckungsbewegung genannt die Zungenrede. Es ist, so sagt Paulus, eine Gabe Gottes. Aber er trennt sie hier, wie ich finde, klar und eindeutig vom Gottesdienst. Vor allem, wenn niemand da ist, der es deuten und auslegen kann, wie Paulus etwas später ausführt.
Warum? Weil die Zungenrede der Gemeinde nicht dient. Keiner versteht, was da passiert. Bei irritierten Fremden, Gästen oder Beobachtern der Gemeinde könnte man sogar in ein schlechtes Licht geraten, befürchtet Paulus. Es könnte sie abstossen und daran hindern in die Gemeinde zu kommen. Auf diesen Aspekt möchte ich später noch einmal zurückkommen.
Was ist das Anliegen von Paulus? Er will Menschen für Christus und die Gemeinde gewinnen! Nicht umsonst kennen wir Apostel Paulus aus der Schrift als einen erfolgreichen Missionar, Gemeindegründer und den vielleicht ersten christlichen Theologen.

Was ist dafür sein Erfolgsrezept? Paulus spricht von der prophetischen Rede. Nach dieser soll die Gemeinde in Korinth am meisten streben.

Vielleicht reibt sich nun so mancher hier im Gottesdienst die Augen!? Prophetische Rede als Erfolgsrezept für die Mission und die christliche Sache? Hier im 21. Jahrhundert und auch noch bei uns am Ort?

Fragen wir doch Paulus, was er darunter versteht.
Danach können wir uns überlegen, ob das heute noch relevant, also von Bedeutung ist.
Und schliesslich wäre zu entscheiden, ob und wenn ja welche Auswirkung das auf Sie und Ihre Gemeinde haben kann oder soll.


Also was versteht Paulus unter prophetischer Rede?

Ich persönlich erlebe Paulus als einen klar und nüchtern denkenden Apostel, der seinen Verstand und seine Bildung für die christliche Sache mit grossem Erfolg eingesetzt hat. Für das Schwärmerische und Charismatische war er nach meinem Eindruck nicht zu haben. Aber er wusste um die Kraft des Heiligen Geistes, der Begeisterung und der Überzeugung. Und er versuchte sich und die Gemeinden vor blindem Fanatismus zu schützen, indem er bedingungslos alles, wirklich restlos alles, der Liebe unterordnete. Prophetische Rede ist für ihn nach meinem Verständnis ein liebevolles, klares und verständliches Wort. Das gilt für das Gespräch Miteinander, wie auch für die Verkündigung und die Predigt in der Gemeinde. Rede von Gott und Gott bezeugen zum einen, aber auch Wissen um menschliche Sorgen, Nöte, Wünsche und Hoffnungen auf der anderen Seite.

Prophetische Rede hat für Paulus einen festen Platz mitten in der Gemeinde und ist in der jeweiligen Realität aller verortet. Prophetische Rede versteht die Hörer, wird von diesen aber auch verstanden. Prophetische Rede holt ab, nimmt an der Hand und bringt Gott nahe. Gottes Liebe wird dadurch in der Verkündigung des Evangeliums deutlich, klar und erfahrbar.

Paulus fordert dazu auf verständig zu sein, sich in prophetischer Rede zu üben und in allem um den Heiligen Geist zu bitten. Dazu ist es notwendig, dass wir uns Gott und den Menschen in Liebe zuwenden, zuhören, empfinden, um dann zu verstehen.

Erst danach können wir reden. Erst durch das Verständnis für Gottes Willen und das menschliche Sein kann unter der Wirkung des Heiligen Geistes verständliche und prophetische Rede werden. Prophetische Rede als Rede, die den Menschen in seinem Sein anspricht, trifft und so für das Evangelium Jesu Christi gewinnt. So lese ich diesen Predigttext.


Hat das Wort des Apostel Paulus nun auch für uns heute Relevanz?

Dazu möchte ich, wie vorhin angekündigt, auf die Zungenrede zurückkommen. Paulus führt aus, dass Zungenrede eine unverständliche Rede ist und daher in der Gemeinde keinen Platz haben soll.

Das hat eine Frage in mir provoziert, die ich hier gerne an Sie weitergebe:
Wie verständlich ist unsere Rede vom Kreuz Christi, von der Gnade, vom Abendmahl, von der Sündenvergebung, schlicht vom Evangelium?
Wie verständlich ist die Predigt in unseren Gottesdiensten?
Wie verständlich sind unsere Lieder und Gesänge, sind unsere Gebete, unsere Gespräche über den Glauben und unser Zeugnis vom Glauben?

Kann es sein, das bei uns auch manchmal oder vielleicht doch öfter gewissemassen in Zungen geredet wird und wir eigentlich jemanden zur Hilfe rufen müssten, der das Gesagte für, wie Paulus sagt, Unkundige und Ungläubige deutet und übersetzt?

Kurz zusammengefasst: Handelt es sich bei unserem Reden um Zungenrede oder um prophetische Rede? Verstehen nur Eingeweihte oder auch Aussenstehende was in unserer Gemeinde und in unserem Glauben vor sich geht? Spricht das Wort in der Gemeinde, die Menschen in ihrem Sein an, trifft es und gewinnt es für das Evangelium?

Ich meine, das sind existentielle Fragen für jede christliche Gemeinde, die sich aus dem Brief des Paulus an die Korinther ergeben. Insofern sind diese für uns alle immer wieder neu zu beantwortende Fragen und einer ständigen Überprüfung wert.

Und damit wären wir bei uns heute im hier und jetzt. Da sind wir alle gefordert. Sprache kann und soll abgrenzen, ja. Das ist ganz sinnvoll und notwendig, aber sie soll nicht ausgrenzen. Sprache in der Funktion von prophetischer Rede soll vor allem öffnen, einladen, gewinnen und integrieren.

Sie hatten vergangenes Wochenende eine Gemeindefreizeit und heute Nachmittag laden Sie zum Sonntagscafé ein.

Das sind Begegnungs- und Berührungspunkte, die Sie bestimmt für zuhören, verstehen und reden genutzt haben und nutzen werden. Vielleicht auch in umgekehrter Rangfolge? In jedem Fall hatten und werden Sie Gelegenheit dazu haben.

Vielleicht haben Sie dabei aktiv prophetische Rede erlebt? Vielleicht ist Ihnen unter der Reflexion hier im Gottesdienst bewusst geworden, dass da was war? Eventuell haben Sie danach die Möglichkeit und die Gelegenheit wahrgenommen in Ihrem direkten Umfeld davon weiterzugeben? Vielleicht kommt noch die eine oder andere Gelegenheit davon zu berichten? Vielleicht noch eine herzliche Einladung für heute Nachmittag?

Es kann ja aber auch sein, dass noch so mancher von Ihnen fragt, wie das hier und heute gehen kann, dass prophetische Rede wirkt.
Ich frage zurück: Warten wir darauf, dass etwas von selbst passiert?
Ja, gerne erwarten wir, dass Wunder ausserhalb von uns ihren Anfang nehmen und an uns wirken, praktisch über uns kommen. Aber, dass wir selbst der Anfang dafür sind, sein können? Ist das möglich und denkbar?

Paulus fordert die Mitglieder der Gemeinde in Korinth dazu auf, dass sie nach prophetischer Rede streben. Da wird also eigene Entscheidung und Aktion angemahnt.

Und genau das gebe ich nun auch in unsere Runde. In uns selbst soll die Entscheidung getroffen werden, dass wir hier einen Schritt nach vorne gehen wollen. Das heisst, dass in jedem von uns selbst der Anfang für prophetische Rede stattfindet. Das bedeutet, sich für bewusstes und aktives Zuhören, für verstehen wollen, für persönliches Auseinandersetzen und schliesslich für verständliche und prophetische Rede entscheiden. Das wird nicht immer gelingen, aber mit der grundsätzlichen Entscheidung dafür und dem festen Willen dazu wird es werden und das immer öfter.

Den Rest machen Gottes Liebe und der Heilige Geist. Darauf haben wir keinen Einfluss, denn der Geist weht bekanntlich wo er will. Aber er weht, darauf können wir uns verlassen.

Schön, wenn ER sich auf uns verlassen kann und wir IHN und unseren Glauben in prophetischer Rede und mit viel Liebe bezeugen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Andreas Ponto, 2012-06-17 - Es gilt das gesprochene Wort.
Erarbeitet auf der Basis eine Predigtvorlage für Prädikanten der ELK-WUE.

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