DENNOCH...

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Maximin

DENNOCH...

#1 Beitrag von Maximin » 10.12.2007, 08:13

Predigt zum Gottesdienst am 27. Februar 2005 (Okuli)
Evangelische Gemeinde Berlin-Buckow

Predigtlied: „Keiner wird zuschanden, welcher Gottes harrt. Sollt ich sein der erste, der zuschanden ward? Nein, das ist unmöglich, du getreuer Hort. Eher fällt der Himmel , eh’ mich täuscht dein Wort.“ GGB 475)

Gebet: Herr, allmächtiger Gott, unser lieber Vater im Himmel. Heilige uns nun in Deiner Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit. Schenke uns bitte erneut Dein Wort und lass es bewirken, wozu du es sendest. Amen.

Textwort: Psalm 73, 23-26 (Luther 1912)
(23) Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei deiner rechten Hand, (24) du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich in Ehren an. (25) Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. (26) Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

Kanzelgruß: Ich grüße euch alle mit dem Gruß des auferstandenen Herrn Jesus Christus: „Friede sei mit Euch!“

Predigt:

Wir alle erleben Augenblicke, in denen wir uns danach sehnen:
· nicht alleine zu sein;
· jemanden neben uns zu haben der uns beisteht;
· eine Hand zu fühlen, die uns führt;
· und manchmal auch um starke Arme zu wissen, die uns ein Stück weit tragen, wenn wir selber nicht mehr können.

Das sind Augenblicke heftiger Anfechtungen, deutlicher Kraft- und Mutlosigkeit sowie Augenblicke, in denen über uns unvorhergesehene Wellen zusammenschlagen, die uns jeden Mut rauben. Was ist zu tun, wenn man dem selbst kaum noch etwas entgegensetzen kann? Etwa resignieren und aufgeben?

Die Hl. Schrift ist voll von Beispielen, in denen frühere Glaubensväter und Glaubensmütter genau solche Zustände zu durchleben hatten. Asaph, hat das auch erlebt. Er hat dieses Erleben aufgeschrieben und uns als 73. Psalm zur Glaubensstärkung hinterlassen.

Ich überschreibe die heutige Predigt mit einem einzigen Wort: DENNOCH !

Die Predigt hat 4 Teile:
1. Du hältst mich bei meiner rechten Hand.
2. Du leitest mich nach deinem Rat.
3. Wenn ich nur Dich habe.
4. Du bist mein Trost und mein Teil.

Zu 1.: Du hältst mich bei meiner rechten Hand.
Haben Sie sich schon einmal verlaufen? Ich schon! Sehen Sie, ich war einmal mit meiner kleinen Tochter Ruth auf Pilzsuche im Oberpfälzer Wald unterwegs. Ich kannte mich dort eigentlich ganz gut aus - wie ich meinte. Wir waren bei unserer Pilzsuche sehr erfolgreich. Vor lauter Sammlerglück hatte ich leider irgendwann aufgehört, mich an der Umgebung zu orientieren. Als ich das bemerkte, war es zu spät: Ich hatte die Orientierung verloren.

Meine damals 5jährige kleine Tochter muss das instinktiv gefühlt haben. Denn plötzlich drängte sie sich an mich, nahm meine Hand und fragte mich ziemlich ängstlich: „Papa, stimmt’s! Wir haben uns verlaufen!“ Sie hatte Recht!

Mir kommt es bei dieser sehr persönlichen Erlebnisschilderung nicht so sehr auf mein Versagen an. Nein! Was ich uns allen mitteilen möchte ist vielmehr dieses: Mein Kind fühlte sich in meiner Nähe bis eben noch absolut sicher. Bald eiltet sie mir voraus, manchmal hörte ich sie hinter mir herzhaft lachen, wenn sie einen schönen Pfifferling entdeckte, den ich übersehen hatte. Als sie jedoch diese Sicherheit nicht mehr fühlte, drängte sie sich ganz nahe am mich heran, fasste meine Hand und ließ sie nicht mehr los.

Mit diesem Bild kommen wir wieder beim 23. Vers unseres Textwortes an: „Du hältst mich bei meiner rechten Hand.“

· Wer suchte in meinem geschilderten Erlebnis wessen Hand?
· Wer musste sein Versagen eingestehen?
· Wer hielt sich da an wem hilfesuchend fest?

Ich liebe das Wort des Propheten Jesaja im Kapitel 53, 6 (Luther 1984): „Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeglicher sah auf seinen Weg...“. Ein anderer Übersetzer sagt es mit diesen Worten: „Wir alle waren wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg.“ (Gute Nachricht Übersetzung)

Jetzt setze ich noch einen oben drauf. Das verdeutlicht den Grund, weshalb wir uns manchmal allesamt verlaufen: Ich sage nämlich nicht: „Wir alle waren wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg“, sondern ich sage: „Wir alle sind wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder will seinen eigenen Weg gehen.“

Wenn wir in unserem Christenstand darin verharren wollen ist zu befürchten, dass wir auf Irrwegen bleiben. Dem aber, der seinem Herrn vertraut, der darf ganz sicher sein, dass der Herr ihn selbst auf Irrwegen bei seiner rechten Hand hält und auf die richtigen Wege zurückführt.

Wie Sie sehen, habe ich mit meiner kleinen Tochter Ruth aus dem Wald herausgefunden. Wir sind nicht umgekommen! Nicht im Wald und auch nicht an unserem anschließenden Pilzgericht.

Zu 2.: Du leitest mich nach deinem Rat.
Nun möchte ich meinen etwas verunglückten Waldspaziergang nicht überstrapazieren. Vielleicht fragen Sie aber doch, wie wir denn aus dem Wald herausgefunden haben. Ich hatte mich zunächst an der Sonne orientiert und dann darauf gehofft, dass jemand kommt, der sich auskennt. Und so kam es auch. Wir erreichten schließlich eine Landstraße, trafen dort auf einen Bauern, der uns mit seinem Traktor bis nach Hause brachte. Wir waren weit abgekommen...!

So geht es uns in unserem Christenstand auch oft. Eben noch freuten wir uns über unsere felsenfeste Glaubensgewissheit, gingen kraftvoll unseren Weg, meisterten tapfer alle möglichen Schwierigkeiten und waren sogar in der Lage, anderen Mut und Zuversicht zu vermitteln.

Und ist es nicht dann auch wieder so ganz anders, wenn genau das Gegenteil eintritt:

· heftige Anfechtungen;
· deutliche Kraft- und Mutlosigkeit;
· Augenblicke, in denen über uns unvorhergesehene Wellen zusammen schlagen;
· Augenblicke, in denen uns der Mut verlässt und die Hoffnung schwindet.

Frage ich noch einmal: „Was ist zu tun, wenn man dem selbst kaum noch etwas entgegensetzen kann? Resignieren und aufgeben? Nach meinen Lebens- und Glaubenserfahrungen komme ich zu einem anderen Schluss: Nicht aufgeben! Nicht resignieren! Richten Sie in solchen Augenblicken ihren Blick nach oben. Gewiss nicht nur zur leuchtenden und wärmenden Sonne. Wir sind schließlich keine Sonnenanbeter! Und hoffentlich auch keine Schönwetter-Christen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz anhalten und uns einmalv erschiedene Christenarten beschreiben:

· Augen-Christen, die nur glauben was sie sehen;
· Ohren-Christen, die nur Hörer des Wortes sind;
· Maul-Christen, die sich oft selbst rühmen;
· Bau-Christen, die nur um Lohn arbeiten;
· Sonntags- und Feiertags-Christen, die nur an solchen Tagen ein christliches Gewand tragen;
· Wetter- und Barometer-Christen, deren Frömmigkeit von der Großwetterlage abhängig ist. Solange die liebe Sonne scheint, ist alles Friede, Freude, Eierkuchen. Aber wehe, es ziehen Wolken oder gar ein Gewitter auf;
· Geschäfts-Christen, die ihre Kundschaft in christlichen Versammlungen suchen;
· Karussell-Christen, bei denen sich alles nur um sie selber dreht und die sich nur um sich selber drehen. Die kommen keinen einzigen Schritt weiter;
· Gefühls-Christen, deren Rettung mit dem Wechsel der Gefühle steht und fällt.

Wer ist von „Fühlhausen“ nach „Glaubhausen“ gezogen? „Fühlhausen“ ist eine Millionenstadt; „Glaubhausen“ ein ganz kleines Dorf. Da ziehen nur wenige hin. Es gibt so viele Arten von Christen. Darum lasst uns echte Christen werden.“ [vgl. Samuel Furrer, “ Schatztruhe des Glaubens“, Verlag Schulte & Gerth, 1984]

Lebendige mündige Christen geben auch in Krisensituationen nicht auf. Die laufen nicht einfach kopflos weg, um sich immer aufs neue zu verlaufen und sich in immer abenteuerlichere Irrtümer zu verrennen. Sie werden sich in entscheidenden Krisensituationen gegenseitig an die Hand nehmen und IHN um Rat, Hilfe und Orientierung bitten. Ich kenne keinen zuverlässigeren Ratgeber als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, zu dem wir als Christen „lieber Vater“ sagen dürfen.

Zu 3.: Wenn ich nur Dich habe:
Jetzt einmal abgesehen von unserem Gott – wen haben Sie eigentlich sonst noch? Gewiss, da sind, liebe Verwandte, Freunde, Glaubensgeschwister, Arbeitskollegen und Nachbarn. Die haben wir schließlich doch alle – oder? Aber mussten wir nicht doch schon schmerzlich erfahren, dass wir in entscheidenden Krisensituationen trotzdem ganz alleine dastanden? Ich habe das erlebt und dieses Erleben war grauenhaft...

Wer sich selbst verstehen möchte, wer die Menschen um sich herum verstehen möchte und wer vor allen Dingen verstehen will, was es bedeutet, dass wir alle Geschöpfe des ewigen Gottes sind, der lese und begreife die Bedeutung der ersten Seiten der Hl. Schrift. Denn da stehen u. a. die bedeutsamen Worte unseres Schöpfers geschrieben:

„Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ ( 1. Mose 2, 18 / Luther 1984 )

Ich habe schmerzhaft erfahren müssen wie einem wird, wenn man gemieden wird. Wenn sich um einen die Einsamkeit wie eine Fessel zusammenschnürt, wenn einem die Luft zum atmen genommen wird und man dann manchmal nicht einmal mehr Kraft zum Beten hat. Wenn sich niemand mehr um einen kümmert, wenn man seiner vertrauten Umwelt gleichgütig geworden ist und wenn man das Gefühl hat, nur noch von Feinden umgeben zu sein.

Selbst in solchen scheinbar ausweglosen Situationen können lebendige Christen auf den einen bauen, auf den schon unsere Glaubensmütter und -väter erfolgreich gebaut haben: Auf „IHN“, unseren Herrn!
Es gibt ein schönes altes Lied, das mir in meinen Krisensituationen viel Kraft gegeben hat: „Keiner wird zuschanden, welcher Gottes harrt. Sollt ich sein der erste, der zuschanden ward? Nein, das ist unmöglich, du getreuer Hort. Eher fällt der Himmel , eh’ mich täuscht dein Wort.“

Zu 4.: Du bist mein Trost und mein Teil.
Zu Beginn hatten wir festgestellt, dass jeder von uns Augenblicke erlebt, in denen er sich danach sehnt:

· nicht alleine zu sein;
· jemanden neben sich zu haben der einem beisteht;
· eine Hand zu fühlen, die einen führt;
· und manchmal auch um starke Arme zu wissen, die einen ein Stück tragen, wenn man selber nicht mehr weiter kann.

Ich habe erfahren, dass das alles sehr tröstlich sein kann. Nun habe ich aber auch erfahren müssen, dass es mitunter auch scheinbar untröstliche Lebenslagen gibt. Da steht man am Ende, trotz aller noch so gut gemeinten Tröstungen, mit seinem Elend (scheinbar) ganz alleine da:

· Wie kann man zum Beispiel getröstet werden, wenn einem das Liebste was man hatte genommen wurde?
· Wie kann man getröstet werden, wenn man keinen anderen Ausweg mehr sieht als den, alles hinzuschmeißen und aufzugeben?
· Wie kann man getröstet werden, wenn man die Gewissheit verloren hat, dass wir Menschen in diesem unüberschaubaren Universum eben nicht alleine sind, sondernd über uns allen ein gnädiger Gott, ein liebender Vater, waltet, der nichts anderes will, als uns armseligen Kreaturen zu helfen, damit wir zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und endlich wieder da ankommen, woher wir alle gekommen sind und wohin wir nach Gottes Willen eigentlich hingehören?!

Wohin möchten Sie gehören? Haben Sie ein bestimmtes Glaubensziel? Ich weiß keine bessere und keine wirksamere Tröstung als die, die ich meiner Bibel entnehme: „ER, mein Heiland, ist mein einziger Trost! Meine einzige Hoffnung!“

Mögen die Verhältnisse um mich, vielleicht sogar die in meiner christlichen Gemeinde, vorübergehend eher frustrierend und entmutigend sein. Na wenn schon! Es steht geschrieben: „Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.“ (Jesaja 38, 17 / Luther 1984)

Darauf stimme ich, vielleicht so ein wenig trotzig wie der Psalmist Asaph, mit meinem Bekenntnis ein: „Dennoch bleibe ich Herr an dir“. Und ich wünschte mir, dass sie dazu alle „Amen“ sagen könnten.

Schlussgebet:
Herr Jesus Christus! In der Nacht, als du verraten wurdest, da schliefen die ein, die dir am nächsten waren. In der Nacht, als du angeklagt wurdest, da haben sich alle deine Jünger von dir abgewendet und dich sogar verleugnet. Ich glaube nicht, dass ich mich anders verhalten hätte. Verzeih mir bitte trotzdem. Du hast dennoch zu ihnen gehalten und sie nicht verworfen, sondern bist ihnen nachgegangen. An dem Tag, als man dich an das Kreuz genagelt hat, da fühltest selbst Du dich vom Vater verlassen. Aber das eine kann ich glauben und weiß es ganz gewiss, dass dein Leiden und Sterben nicht umsonst war. Denn durch deine Wunden sind wir alle geheilt und erlöst, weil wir Dir glauben und nachfolgen. Ich und mein schwieriger Nachbar auch. Amen.

Michael Steinbach, Februar 2005

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