Was ist das Leben wirklich?

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Lebensmut27

Was ist das Leben wirklich?

#1 Beitrag von Lebensmut27 » 15.06.2018, 11:04

Hallo !

Was ist das Leben wirklich?
Diese Frage stelle ich mir zur Zeit.
Diese Frage lässt offen, als was man das Leben zu betrachten hat?

Ist das Leben vielleicht nur eine riesige Kirche bei der die menschen ihren persönlichen Gottesdienst leben und gestalten. Hat das leben vielleicht nur den charakter von Schuld und Sühne verliehen bekommen um nicht auf andere Gedanken zu kommen?

Wenn das Leben ein riesiger Gottesdienst wäre den die menschen gemeinsam in der Zivilisation mensch feiern sollten und nicht sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben weil jeder was anders glaubt. Meine Ansicht dazu ist dass man jegliche Schuldmanuskripte abbauen sollte und dem Schuldigen verzeihen sollte.

Die menschen sehe ich gefangen in einem menschlichen Knast aus Schuld und Angstzuweisungen. Geht das nicht auch anders oder muss man sich als Schuldigen behandeln?

Gruss
Lebensmut27

Ps. Das ist nur meine pers. Ansicht dazu. ;)

Boris

Re: Was ist das Leben wirklich?

#2 Beitrag von Boris » 17.06.2018, 16:25

Diese Frage wird dir jeder anders beantworten.
Auch die Schuldfrage wird immer von der Sichtweise abhängen.

Ich habe mich bequemerweise jahrzehntelang darauf verlassen, dass es für mich Lehrer gibt, die mir die wichtigen Lebensfragen beantworten. Diese Lehrer hatten fast alle vergessen, dass die Antwort auf diese Frage jeder für sich herausfinden muss. Daher waren diese Lehrverhältnisse irgendwann wertlos geworden.

Ich würde die Frage umformulieren:
"Was ist mein Leben wirklich?"

Darauf finde ich einige Antworten.
Was dein Leben wirklich ist, kann dir kein Mensch verraten, auch wenn es manche Oberschlaue gern machen möchten.

Wahrheit und Schuld liegen im Auge des Betrachters. Deshalb kann man sich Meinungen einholen. Ob man sich ihnen unterwirft, wäre zu prüfen,

findet Boris

Epheser
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Re: Was ist das Leben wirklich?

#3 Beitrag von Epheser » 15.07.2018, 18:27

Hallo, Lebensmut27,

selbst Naturwissenschaftler und Philosophen tun sich schwer, diese Frage zu beantworten.
Aber so, wie du dir die Frage selbst zu beantworten suchst, denkst du dabei wahrscheinlich eher an die Betrachtung aus biblischer Sicht.

Boris meint: "Diese Frage wird dir jeder anders beantworten. Auch die Schuldfrage wird immer von der Sichtweise abhängen."

Ja, das ist leider heute so, dass jeder sich diese Frage selbst beantworten will. Deshalb gibt es auch so viele unterschiedliche Meinungen darüber, was lebenswertes, sinnvolles, gelingendes Leben ist und was nicht.

Aber sollten wir, wenn wir wissen wollen, was Leben ist, nicht denjenigen fragen, der das Leben gegeben hat?
"Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht."   (Psalm 36,10)

Wenn ein Erfinder oder ein Konstrukteur eine Maschine erfunden/gebaut hat, wird er dazu auch eine Bedienungsanleitung bereitstellen.
Die Bedienungsanleitung für gelingendes, funktionierendes - oder eben auch nicht funktionierendes - Leben ist die Bibel. Dort kann man reinschauen, wenn man wissen will, wie der Mensch bzw. das Leben "funktioniert". Gott sagt darin ganz genau, was man tun sollte, damit man im Leben glücklich und zufrieden ist, damit man in stabilen und funktionierenden Beziehungen leben kann, damit man frei wird von Ängsten und Schuld(-gefühlen), damit man selbst in (rein menschlich gesehen) ausweglosen Situationen Hoffnung hat, damit man in Trauer, Leid und Verlust Trost bekommt, damit man Freude am Leben hat .......
Aber er sagt durch ziemlich viele Negativbeispiele in der Bibel auch ganz genau, was passiert, wenn man das alles ignoriert.

Diese Freiheit hat jeder Mensch: zu entscheiden, ob er mit oder ohne Gott leben will. Gott zwingt niemanden zu irgendetwas. Aber egal, wie wir uns entscheiden: wir müssen mit den Konsequenzen leben.
Da die meisten Menschen sich nicht für Gott bzw. für das interessieren, was er sagt, empfiehlt und tut, ist die Welt bzw. die Menschheit heute eben das, was sie ist: "gefangen in einem menschlichen Knast aus Schuld und Angstzuweisungen", wie du so schön beschreibst.
Ja, dieser "Knast" ist "menschlich", denn Gott bietet in Jesus Christus einen Ausweg aus diesem "Knast" an. Er will nicht, dass die Menschen an ihrer Schuld, an ihrem Scheitern, an ihren Sünden, Einschränkungen, Mißerfolgen und Niederlagen kaputt gehen.

Die Allgemeinheit fragt heute nicht mehr nach Gott. 
Man will das Leben möglichst angenehm hinter sich bringen und redet von "persönlicher Freiheit" und "Selbstverwirklichung". Dabei ist man nicht wirklich frei, sondern wird eigentlich nur getrieben, versklavt und fremdbestimmt von seinen Begierden, Süchten, Sehnsüchten, Träumen, Trieben und Wünschen. Und die Erfüllung möglichst vieler dieser Dinge muss man dann in sein kurzes Menschleben packen.
Ist das Leben?

Jeder Mensch wird sich früher oder später - vielleicht nicht offenkundig, aber zumindest im Stillen - einmal die Fragen stellen:
Wo komme ich her?
Wozu bin ich hier bzw. was ist der Sinn meines Lebens?
Wo gehe ich hin?
Und viele dieser Menschen scheitern an diesen Fragen, weil sie keine Antworten darauf finden.

Ja, natürlich könnte man Arbeit, Liebe, Genuss, Fortpflanzung und ähnliche Dinge als Lebenssinn ansehen. Was ist aber, wenn es diese Dinge in einem Leben nicht (mehr) gibt? Wenn man geistlich oder/und körperlich behindert ist? Wenn man alt und gebrechlich ist? Wenn man eben diese(n) geliebten Menschen verliert? 
Spätestens der Tod ist der alles fressende Sinnkiller.

Der Lebenshunger des Menschen kann durch keinen noch so exklusiven irdischen Genuss gestillt werden. Jeder erfüllte Wunsch bringt neue Wünsche mit sich. Eine Zufriedenheit stellt sich, wenn überhaupt, nur kurzfristig ein.

Ein (sinn-)erfülltes Leben unabhängig von allen Lebensumständen kann nur Gott schenken. In seinem Sohn Jesus Christus ist dieses Leben einzig und allein zu haben: 
"Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und volle Genüge."   (Johannes 10,10)
Wer Jesus findet, findet das Leben (Sprüche 8,35).
Wer Christus im Glauben annimmt, "der hat das ewige Leben ... , er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen."   (Johannes 5,24, Johannes 3,36). Dieses in Christus selbst personifizierte Leben (Johannes 14,6) ist unvergänglich und kann auch durch den biologischen Tod nicht beendet werden!
"Die Kirche ist die einzige Organisation, die für diejenigen existiert, die nicht ihre Mitglieder sind."
William Temple (Erzbischof von Canterbury von 1942-1944)

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Andreas Ponto
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Re: Was ist das Leben wirklich?

#4 Beitrag von Andreas Ponto » 20.07.2018, 23:05

Was ist das Leben ...?
Vielen Dank für diese Frage.

Die für mich platte und plumpe Antwort von Epheser, hat mich angeregt etwas zu recherchieren.

Zunächst bin ich auf eine Seite mit einem, wie ich finde interessanten Ansatz gestoßen: Dialog Theologie & Naturwissenschaften der Ev. Akademie im Rheinland.

Chefredakteur Dr. Andreas Losch hat dort im März diesen Jahres einen Leitartartikel "Was ist Leben, interdisziplinär betrachtet?" publiziert.
... Aus heutiger Sicht ist der Schlüssel zum Leben wissenschaftlich betrachtet wahrscheinlich die besondere Art der Beziehung, in die sich die physikalisch-chemischen Bestandteile im Laufe der Evolution historisch angeordnet haben. Diese Beziehung kann durch ihre selbsttragende Struktur, im Stoffwechsel zum Ausdruck kommende Offenheit und natürlich die Fähigkeit zur (leicht mutierenden) Replikation charakterisiert werden kann. Die Replikationsfähigkeit führt angesichts der stets begrenzten Umweltressourcen zur natürlichen Selektion, in der sich die an die jeweilige Umwelt besser angepassten Mutationen durchsetzen. ...
... man über die Antwort „Leben ist nur Physik und Chemie“ hinausgehen muss, und es eben die besondere Art der Beziehung der Bestandteile ist, die Leben ausmacht.
Was ist Leben?
Eine besondere Art der Beziehung zwischen Materie. Eine belebte Beziehung zwischen Materie.

Und:
... Für Darwin ... ist die Komplexität des Lebens gerade nicht Beispiel einer intelligenten Gestaltung...
Und in diesem Artikel habe ich auch eine Erwiderung auf Epheser's Ausführung gefunden:
... Theologen sind sich bewusst, dass auch die Bibel aus dem Kontext ihrer Zeit zu lesen ist, und dies gerade wenn man zu ihren zentralen Dimensionen vorstoßen und ihren Kern bewahren will. Wer die Bibel „wörtlich“ verstehen will, versteht sie damit aus seinem unreflektierten Kontext der heutigen Zeit und missversteht sie vielleicht gründlich. ...
Was ist Leben?
... Als Theologe glaube ich, dass es eine zusätzliche Beziehung zur Transzendenz ist, die Leben zum Leben macht (Jackelén). ...
Die transzendente Komponente ist in den belebten Beziehungen zwischen Materie immanent und macht das Leben aus.

Aber:
... Wenn ich mich ... an Gott selbst festmache und keine Naturbeweise benötige, also die Elementarunterscheidung von Transzendenz und Immanenz verinnerliche, dann kann ich auch den Naturwissenschaften einschließlich der Biologie zugestehen, auch ohne die Gotteserklärung (in welcher Ausdruckform auch immer) auszukommen. ...
Versuch über die Grundfrage "Was ist das Leben Wirklich?" hinaus: Welchen Sinn hat das Leben?
Vielleicht hat das Leben keinen Sinn. Vielleicht ist das Leben vielmehr der Sinn.
Und wenn Gott in dieser belebten Beziehung auch noch immanent ist, dann umso mehr.

Was mir beim Lesen noch so in den Sinn gekommen oder wichtig geworden ist:
- Leben ist ein offenes System
- Individuum und Gesellschaft
- Population, Entwicklung, Ressourcen und Selektion.

Nein, fertige Antworten habe ich nicht.
Und dass der Satz "Das Leben ist der Sinn." aus dem Mund eines Christen für andere Christen schwer verdaulich sein muss, ist mir bewusst.
Im Moment jedenfalls habe ich keine anderen Worte für das, was mich zu dieser Frage bewegt gefunden.


LG
Centaurea

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Re: Was ist das Leben wirklich?

#5 Beitrag von detlef.streich » 23.07.2018, 15:29

Lebensmut27 schrieb:

Was ist das Leben wirklich?
Diese Frage stelle ich mir zur Zeit.
Diese Frage lässt offen, als was man das Leben zu betrachten hat?



Deine Fragen, Lebensmut 27, sind spannend und haben mich veranlasst, einen kleinen Artikel dazu zu verfassen. Noch habe ich ihn nicht eingestellt, weil hoffe, dass hier aus dem Forum noch einige anregende Gedanken beigesteuert werden, die ich dann noch einarbeiten würde.


An den Admin: Vielleicht wäre es gut, damit mehr Leute sich mit dieser Frage beschäftigen, das Ganze nach "NAK" zu verschieben???

Was ist das Leben? DS 23.7.2018

Nach einem Sektenausstieg und der Befreiung vom bisher geglaubten Irrtum stellt sich häufig die Frage „Was ist das Leben wirklich? Welchen Sinn hat das Leben?“

Eine wahrlich spannende Frage, mit der nicht nur die rein biologische Definition des vor etwa 4 Milliarden Jahren evolutionär entstandenen und sich bis heute weiter entwickelten Lebens mit seinen Kennzeichen „Stoffwechsel, Vermehrung, Wachstum, Reaktionen auf Reize etc“ gemeint ist. Je nachdem, an welcher wissenschaftlichen Fakultät, also Ontologie, Theologie, Psychologie, Philosophie etc und deren nochmals verschiedenen Ausrichtungen man sich orientiert, werden naturgemäß erstens schon die grundlegenden Ansätze und zweitens die daraus folgenden Definitionen bzw. Antworten verschieden sein – eine Vielzahl von Büchern und Aufsätzen zeugt davon! Hier nun nur einige Gedankensplitter zu einem Thema, das nicht nur Aussteiger mit ihrem nun neu zu bestimmenden Leben und dem Sinn des Lebens nach der gedanklichen Lösung von der kirchlichen Indoktrination, um nicht zu sagen seit Kindheit erlittenen, umfassenden Gehirnwäsche, beschäftigen wird. Die folgenden Überlegungen sollen aber keinesfalls als feststehende Antworten verstanden werden – dies ist bei einer derartigen Fragestellung ausgeschlossen – sondern lediglich Gedankenanregungen für die eigene Positionierung darstellen. Fangen wir also beim Ausgangspunkt an.

In der NAK galten für das sinnträchtige Leben folgende Prämissen (NGB 183b Text: Karl Johann Philipp Spitta (1833) ):

1) Wort des Lebens, laut're Quelle,
die vom Himmel sich ergießt,
Lebenskräfte gibst du jedem,
der dir Geist und Herz erschließt,
der sich, wie die welke Blume,
die der Sonnenbrand gebleicht,
dürstend von dem dürren Lande
zu der Quelle niederneigt.

2. Ohne dich, was ist die Erde?
Ein beschränktes, finstres Tal.
Ohne dich, was ist der Himmel?
Ein verschloßner Freudensaal.
Ohne dich, was ist das Leben?
Ein erneuter finstrer Tod.
Ohne dich, was ist das Sterben:
Nachtgraun ohne Morgenrot.


Diese Sicht ist absolut lebensfeindlich und psychologisch gesehen entmündigend und nekrophil. Wer in solchen Gedankenfesseln selbst und zudem an die NAK gebunden war, hatte einen äußerst schwierigen Weg vor sich, um aus diesem Gefängnis des Geistlichen Missbrauchs herauszukommen. „Draußen“ lauern ewiger Tod, seelische Vernichtung und absolute Gottesferne, nur „Drinnen“ scheinen Sicherheit und Gottesnähe gewährleistet; Ausstieg ist geistiger Selbstmord! In der Regel ist auch der vollständige Verlust aller gewohnten und Sicherheit gebenden Sozialkontakte mit dem Ausstieg verbunden. Was also ist dann noch das verbleibende Leben wert? Also doch Nachtgraun ohne Morgenrot? Dies scheint nur so zu sein, denn de facto ist der Ausstieg daraus tatsächlich der erste Einstieg ins wirklich eigene Leben. Bislang war das (eigene) Leben durch die Gedanken-, Gefühls-, Verhaltens- und Zielvorgaben der Sekte/Religion fremdgesteuert. Nachfolge garantierte Scheinsicherheit. Einzelgänger erreichen das Ziel nicht (Stap. Schneider). Nach dem Ausstieg kann und darf man für sich selbst entscheiden, wohin man will und welche Schritte dazu nötig sind. Vorher hatte man die Verantwortung abgegeben, nun muss man in jeder Beziehung die Verantwortung für alle zu treffenden Entscheidungen in jeglicher Weise selbst übernehmen. Der Mensch erfährt dabei als „Einzelner“ sein nun persönliches Sein als ein neues Da-Sein, als ein In-der-Welt-Sein mit allen Konsequenzen - auch der des ausgeliefert sein den möglichen Schlägen des Schicksals. Entweder begegnet ihm dann in der Wirklichkeit der Welt auch bzw. noch die Wirklichkeit Gottes, da ER ihr eigentlicher Grund und Ursache ist. Oder Gott wird als als reines Gedankenspiel in die ungeheure Ferne als der Initiator des Urknalls gerückt, der an der weiteren evolutionären Entwicklung des Kosmos und des Lebens keinerlei Anteil mehr hat. Die heutigen Wissenschaften brauchen zur Erklärung dieser physikalischen und biologischen Phänomene keinerlei einwirkende Gottesvorstellungen mehr. Demnach bleibt auch kaum mehr ein begründender Raum für die Annahme einer Gottesexistenz oder einer weiteren Existenz des Menschen nach dem biologischen Tod und somit auch keinerlei Grund, welcher Religion auch immer zu folgen. Jegliche theologischen Erwägungen sind dann als absolut unnötig einzustellen. Einzig der Subjekt-Objekt-Dualismus zwischen Mensch und umgebender Wirklichkeit bleibt übrig.

Nimmt man hingegen weiterhin einen Gott als die Ursache alles Seienden an, muss aber die bisherige Gottesvorstellung und sämtliche damit verbundene Begrifflichkeit und Gedankenwelt radikal korrigiert werden. Der bisher angenommene und geglaubte Kirchengott mutiert dann zu einer bloßen Götzenfigur oder einem Dämon nach menschlichen Vorgaben und Vorstellungen. An dieser Stelle löst sich auch die theologisch nicht befriedigend zu beantwortende Frage nach der Theodizee auf – warum ließ oder lässt Gott das zu - und wird zur Anthropodizee: Nicht der Gott, den es ohnehin nicht gibt, muss sich rechtfertigen, sondern der Mensch als Individuum trägt die volle Verantwortung für die von ihm selbst verursachten Übel. Selbst Schäden durch Erbeben oder Tsunamis sind letztlich menschenverursacht, da freiwillig gefährdete Gebiete besiedelt oder Häuser aus Kostengründen zu schlecht gebaut wurden. Wenn die Idee der Anthropodizee nicht bald möglichst viele Menschen ergreift, wird nicht nur weiterhin der einzelne Mensch an anderen Menschen Schaden anrichten, sondern dann wird die Menschheit an sich weiterhin den fragilen Planeten so zugrunde richten, dass das Überleben der Menschheit an sich fragwürdig ist.

Über den GOTT hinter bzw. über Gott (Paul Tillich, siehe weiter unten) ließen sich aber auch im Sinne Meister Eckharts (Der Mensch kann nicht wissen, was Gott ist. Etwas weiß er wohl: was Gott nicht ist!) keine weiteren Aussagen machen, außer vielleicht Paul Tillichs Aussage folgend:

"‚Du bist angenommen!‘ Angenommen, bejaht durch das, was größer ist als Du, und dessen Namen Du nicht kennst. Frage jetzt nicht nach dem Namen, vielleicht wirst Du ihn später finden. Versuche jetzt nicht, etwas zu tun, vielleicht wirst Du später viel tun. Trachte nach nichts, versuche nichts, beabsichtige nichts. Nimm nur dies an, dass Du angenommen bist.“
Aus einer Predigt von Paul Tillich am 20. August 1946

Und die eingangs gestellte Frage nach dem Sein/Leben an sich und einer noch möglichen Religiosität bedeutet dann vielleicht, „leidenschaftlich nach dem Sinn unseres Lebens zu fragen und für Antworten offen zu sein, auch wenn sie uns tief erschüttern. Eine solche Auffassung macht die Religion zu etwas universal Menschlichem, wenn sie auch von dem abweicht, was man gewöhnlich unter Religion versteht. Religion als Tiefendimension ist nicht der Glaube an die Existenz von Göttern, auch nicht an die Existenz eines einzigen Gottes. Sie besteht nicht in Handlungen und Einrichtungen, in denen sich die Verbindung des Menschen mit seinem Gott darstellt. Niemand kann bestreiten, dass die geschichtlichen Religionen "Religion" in diesem Sinne sind. Aber Religion in ihrem wahren Wesen ist mehr als Religion in diesem Sinne: Sie ist das Sein des Menschen, sofern es ihm um den Sinn seines Lebens und des Daseins überhaupt geht. (Paul Tillich, Die verlorene Dimension. Not und Hoffnung unserer Zeit. Hamburg 1962, S. 8 ff.)

In diesem Sinn ist der einzelne Mensch an dieser Stelle also in die vollständige Geistesfreiheit bei allerdings gleichzeitiger und vollständiger Eigenverantwortung für sein Tun entlassen. Ferner ist er befreit vom Zwang jedweder religiösen Institution und deren Dogmen oder Ritualen wie von der Ausrichtung an jahrtausendealten, willkürlich zusammengestellten und letztlich von Menschen erfundenen biblischen Schriften, die völlig anachronistisch sogar als Maßstäbe für das heutige Leben genommen werden und teilweise die Entwicklung der eigenen Persönlichkeitsentfaltung maßregeln oder entscheidend be – oder sogar verhindern. Seine Aufgabe im Leben wird von nun an sein, sich auf den Weg zu machen, seinen eigenen „Sinn“ des Lebens für sich selbst zu entdecken und seine Persönlichkeit unter strikter Beachtung der Persönlichkeitsrechte der anderen Menschen zu entfalten, indem er z.B. zunächst seine eigenen, anerzogenen Verbiegungen erkennt und überwindet. Aus dem ehemaligen Glauben an bestimmte Vorgaben und Lehren wird das vollständige Ergriffensein einer Person von dem, was sie unbedingt angeht (Tillich) Dieses Unbedingte kann sich überall und in allen Strukturen des Seins ereignen. Dass der GOTT über Gott diesen Weg „begleitet“, begründet Paul Tillich wie folgt (Großschreibung GOTT v.V.):

„GOTT über Gott“ Wie ist das möglich? Weil GOTT nicht ein Seiendes ist, sondern der Grund alles Seienden, weil er als der schöpferische Grund alles Seienden auch der Grund meines Seins ist und nicht gegen mich steht. In meiner Selbstbejahung bejaht er sich selbst. Indem er an mir teilhat, ist Autorität hinfällig geworden. Das, was in mir Gott töten will, ist GOTT selbst, nämlich der Grund meines Seins und Sinnes – meiner Selbstbejahung. Man könnte dies den ‚GOTT über Gott‘ nennen, das heißt über jenem Gott, der ein höchstes Wesen und die Ursache jeder heteronomen und hypostasierten Autorität ist. Der wahre GOTT, der GOTT über jedem Gott, der ein Wesen ist, befreit uns von der totalen Autorität auch des höchsten polytheistischen Gottes, der in Wahrheit ein Dämon ist.“ P. Tillich, Autorität und Offenbarung, GW VIII, S. 69.

Diese „Gottesbefreiung“ ist radikal! Analog zu einem Jesuwort könnte man sagen, wer die Hand an diesen neuen Pflug legt und schaut zurück, der taugt nicht für dieses Neue Sein. Und alles, was auf diesem Weg individuell förderlich und positiv ist und der möglichst Entfaltung der eigenen Potentialität dient, gleich ob es Kunst, Musik, Malerei, Literatur, Tanz, Sport oder irgendetwas Anderes ist, kann damit zur theologischen Komponente werden, indem es den Einzelnen in wahrem Sinn unbedingt angeht und ihm hilft, das zu gestalten, was ihm im eigenen Inneren zutiefst Lebensidee ist oder wird. Aber hinter dieser potentiellen Entwicklung steht kein Leistungsdruck!

Aber fragt jetzt nicht mehr, „was wir tun sollen oder was für Taten aus dem neuen Sein und dem Frieden unserer Seele entstehen sollen. Fragt nicht, denn ihr fragt auch nicht, wie gute Früchte auf einem guten Baum reifen können. Sie reifen. Das Handeln erwächst aus dem Sein.“(Aus: Paul Tillich; In der Tiefe ist Wahrheit, Seite 89 ff).

Und dieses (neue) Sein ist dein Leben, wie du es für dich gestaltest!

R/S

Re: Was ist das Leben wirklich?

#6 Beitrag von R/S » 23.07.2018, 21:06

Aus DS Artikel:
Wenn die Idee der Anthropodizee nicht bald möglichst viele Menschen ergreift, wird nicht nur weiterhin der einzelne Mensch an anderen Menschen Schaden anrichten, sondern dann wird die Menschheit an sich weiterhin den fragilen Planeten so zugrunde richten, dass das Überleben der Menschheit an sich fragwürdig ist.
Ist es nicht vielleicht auch Teil jenes alten fundamentalistischen Anthropozentrismus, das Überleben der Menschheit als derart wichtiges Ziel innerhalb der Schöpfung(sgeschichte) zu betrachten ...?
Das erinnert mich an den hier:
Treffen sich zwei Planeten auf ihrem Weg durch die Unendlichkeit des Universums. Sagt der eine: "Na wie geht's dir so?" Drauf der andere: "Nicht so doll - ich hab Homo-Sapiens." Antwortet der eine: "Mach dir nichts draus, das geht vorbei ..."

Es sei denn, sie wäre tatsächlich Teil eines göttlichen Plans ... :oops:

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Andreas Ponto
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Re: Was ist das Leben wirklich?

#7 Beitrag von Andreas Ponto » 24.07.2018, 00:05

Heute in einem wunderschönen Buchladen in Paris, bin ich auf einen Spruch des persischen Dichters und Mystikers Hafis (1315-1390)
aufmerksam geworden, der vielleicht hier zum Thema spricht:

IMG001.jpg
IMG001.jpg (144.68 KiB) 4187 mal betrachtet


I wish I could show you when you are lonely or in darkness the astonishing light of your own being” von Hafis.
Oder vielleicht etwas sperrig:
"Ich wünschte ich könnte dir, wenn du einsam oder in Dunkelheit bist, das erstaunliche Licht deines eigenen Seins zeigen".

Ich verstehe das als Aufforderung, das eigene Sein als wunderbares, aber zugleich auch unbegreifliches Geschenk anzunehmen.

Centaurea

fridolin
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Re: Was ist das Leben wirklich?

#8 Beitrag von fridolin » 24.07.2018, 13:06

Ich verstehe das als Aufforderung, das eigene Sein als wunderbares, aber zugleich auch unbegreifliches Geschenk anzunehmen.

Centaurea
Da hast du wunderbar ausgedrückt. Das eigene Sein ist wirklich ein wunderbares unbegreifliches Geschenk. :!:

Das nicht durch Elitegedanken eingeengt werden sollte :D

Weiter schönen Aufenthalt in Paris. :wink:

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