Ich habe das Thema "historischer Jesus" anderswo angerissen. Es ist keine kühne Behauptung, wie Centaurea meint, zu sagen, dass es keine glaubwürdigen Quellen für das Leben, Wirken und Sterben des Jesus von Nazareth gibt. Die Evangelienschreiber entpuppen sich nicht nur wegen ihrer Widersprüche und offensichtlichen Unwahrheiten als Literaten, bestimmt aber nicht als Geschichtsschreiber. Und die ganze zeitgenössische Geschichtsschreibung nahm keine Notiz von diesem Gottessohn. Dass selbst Paulus (dessen Schriften am nächsten bei der angeblichen Lebzeit Jesus liegen) den historischen Jesus kaum erwähnt und dass es zwischen dem essenischen Führer der Rechtschaffenheit und diesem Jesus manche frappante Ähnlichkeiten inkl. angeblicher Herrenworte gibt, spricht auch nicht gerade für einen geschichtlichen Jesus.Centaurea hat geschrieben:Die von dir aufgeworfenen Themen an sich finde ich interessant.
Du stellst viele kühne Behauptungen auf, scheinst es mit Albert Schweizer zusammen genau zu wissen.
Wie üblich liegt die Beweislast für eine Behauptung dort, wo sie gemacht wird. Mit ihrer Leben Jesus-Forschung, angefangen bereits im 18. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, wollten daher nicht zuletzt auch namhafte evangelische Theologen die behauptete Geschichtlichkeit dieses Jesus anhand der vorliegenden Schriften (endlich) beweisen. Anfangs des 20. Jahrhunderts machte der Religionsphilosoph, Dozent für Theologie, Arzt und spätere Nobelpreisträger Albert Schweitzer wohl das, was man heute wohl Metastudie nennt. Er schrieb nicht nur die Geschichte über etwa 150 Jahren Leben-Jesu-Forschung, sondern untersuchte und bewertete, was von den verschiedenen Forschern bisher herausgefunden wurde und zog daraus u.a. einen gerne verheimlichten Schluss:
"Es gibt nichts Negativeres als das Ergebnis der Leben-Jesu-Forschung. Der Jesus von Nazareth, der als Messias auftrat, die Sittlichkeit des Gottesreiches verkündete, das Himmelreich auf Erden gründete und starb, um seinem Werke die Weihe zu geben, hat nie existiert. Es ist eine Gestalt, die vom Rationalismus entworfen, vom Liberalismus belebt und von der modernen Theologie in ein geschichtliches Gewand gekleidet wurde." (aus Schlusszusammenfassung in "Geschichte der Leben-Jesu-Forschung").
Bis heute haben die Bestrebungen nicht nachgelassen, den historischen Jesus zu belegen. Nur gibt es auch heute keine zuverlässigeren Quellen als vor hundert Jahren. Im Wesentlichen dazu gekommen sind nur die Qumran-Schriften. Die jedoch legen eher nahe, dass die Evangelisten für die Figur Jesus in diesen (zum Zeitpunkt der Evangelienschreibung wohl schon 100 oder mehr Jahre alten) Schriften Entlehnungen machten.
Gläubige Christen reagieren betroffen, manche auch höchst entrüstet auf solche Erkenntnisse. Wenn es keinen (historischen) Jesus gab, dann auch keinen Opfertod dieses angeblich von einer Jungfrau geborenen Gottessohnes am Kreuz und somit konsequenterweise auch keine Auferstehung. Und wenn es keine Auferstehung gab, dann nach Paulus:
"Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. ... Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig".