KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

Gebet, Gottesdienstgestaltung, Liturgie
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Maximin

KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#1 Beitrag von Maximin » 17.10.2011, 18:07

:) Lieben Freunde,
momentan bereite ich mich auf eine 6monatige Fortbildung in der EKD-Berlin mit der Überschrift vor: „Krankenbesuche und Sterbebegleitung.“ Meine Vorbereitung ist an sich offen. Trotzdem habe ich mir aber schon mal vorab einige eigene Gedanken gemacht. Diese hier beispielsweise:

Frage nicht was die Gemeinschaft für dich tun kann, sondern frage Dich, was Du für die Gemeinschaft tun kannst. Natürlich stellt sich mir dabei eine Frage in meinen weiteren Weg: „Was kann ich denn wirklich tun?“

Eine Antwort kann sein:
• „Ich kann nichts mehr tun!“ Ich bin hilflos und gebe entmutigt auf.“
Eine zweite Antwort kann sein:
• Ok, meine Möglichkeiten, selber noch etwas Sinnvolles tun zu können, sind ausgeschöpft. Ist damit aber mein Glaube an die Vollmacht unseres Herrn und Heilandes, Jesus Christus, auch am Ende angekommen?
Eine dritte Antwort kann sein:
• Ja, ich überlasse die Dinge unserem Heiland. Was ich aber selber, in meinen heute und jetzt, auch im 66ten Lebensjahr, noch tun kann, das tue ich mutig und sehr zuversichtlich.

Gerade auch an einem Kranken- und an einem Sterbebett:

• Ich kann da sein. Ich kann geduldig zuhören. Auch kann ich mit Gesten und vielleicht sogar mit Worten ehrlich hin fühlen. Mitfühlen nicht. Denn der andere liegt ja da in seinem Elend. Ich kann nachher wieder weggehen.
• Auf Begegnung und Berührung kommt alles an.
• Und was ist, wenn mein Beistand auf Widerstand stößt und strikt abgelehnt wird?

Sei Dir gewiss, die strikte Ablehnung meint nicht Dich persönlich. Sie beschreibt vielmehr nur die Verzweiflung dessen, den du trösten wolltest und der deinen Trost und Beistand einfach nicht annehmen kann.

Was dann? Wie weiter? Diese Fragen gebe ich nun einfach mal an unser kleines friedliches Forum weiter und ich bin auf Eure Rückantworten gespannt.

Liebe Grüße, landauf und landab, vom alten Maximin aus Berlin :wink:
Zuletzt geändert von Maximin am 18.10.2011, 16:52, insgesamt 1-mal geändert.

Kristallklar
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Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#2 Beitrag von Kristallklar » 18.10.2011, 09:22

Ich kenne beides, das festhalten und auch das wegstoßen in Hilflosigkeit, erlebe sehr intensiv, daß nicht alles, was an Beistand möglich ist, von einem Sterbenden auch so erwünscht ist.
Es kostet beide Seiten unendlich viel Kraft, aber auch Geduld, sich gegenseitig zu verstehen und zu tragen.

Meine eigene Erfahrungen mit dem Tod hilft niemand anderem. Meine individuellen Erfahrungen, wie soll ein Sterbender sie erfassen und annehmen können in seiner Angst, die ich ihm mit nichts und allen schönen Worten nicht nehmen kann?
Wenn sein Wunsch ist, nichts von mir sehen und hören zu wollen, muss ich das respektieren, egal, wie weh es mir tut.

Ich kann meine Nähe und Zuneigung ganz ohne Einschränkung offenbaren und es ist nicht gewiss, daß sie angenommen wird. Damit muss ich leben können. Es geht nicht um mich und meine Bedürfnisse, sondern um alles, was der Sterbende für sich in Anspruch nehmen möchte.

Alles, was ich für seinen Frieden tun kann, in dem er gehen möchte, mache ich gerne und mein Wille dabei steht völlig hintenan, ist nebensächlich. Mit allen Konsequenzen. Meine Zuneigung wird dadurch nicht einen Moment und erst recht nicht an Intensität weniger.

Weil ich kein gläubiger Mensch mehr bin, vermittel ich keine klassischen christlichen Werte, sondern das, was bisher die Größe und das Band zwischen uns ausgemacht hat.

Kristallklar

uhu-uli

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#3 Beitrag von uhu-uli » 18.10.2011, 10:06

Diesen Satz aus einer Predigt habe ich im Ohr:

"Nur leere Hände können Sterbende halten"

sich als "leere Landkarte" zu verstehen, weil man das Land, das der Sterbende durchschreitet nicht kennt,
ich nicht sehen kann, was er sieht, wenn er zurückblickt auf seinen Lebensweg
nicht weiß, welche Dinge er im Rückblick anders hätte machen wollen,
nicht spüre, welche Unversöhntheiten auf ihm lasten,
nicht ahne, mit wem er sich gerne aussöhnen würde
und seine Bilder nicht kennt, die er sich gemacht hat, von dem, was ihn erwartet ...

und ich auch gerade wieder mit meinen Bilder vom Sterben dazu neige
mich zu blockieren ihn wahrzunehmen und einfach da und offen zu sein ...

Alles Liebe
Uli

tergram

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#4 Beitrag von tergram » 18.10.2011, 14:12

Maximin hat geschrieben:• Und was ist, wenn mein Beistand auf Widerstand stößt und strikt abgelehnt wird?
Sei Dir gewiss, die strikte Ablehnung meint nicht Dich persönlich. Sie beschreibt vielmehr nur die Verzweiflung dessen, den du trösten wolltest und der deinen Trost und Beistand einfach nicht annehmen kann.

Werter Maximin,

höre ich da gar einen Hauch christlichen Überlegenheitsgefühls heraus? Ich hoffe, ich irre...

Wer sagt dir, dass Sterbende, die deinen Beistand nicht wünschen, in Verzweiflung sind?
Woher glaubst du zu wissen, dass Sterbende traurig, ängstlich, hilfsbedürftig sind?
Wer sagt, dass es sich mit (deinem) Beistand leichter stirbt?
Über welchen Erfahrungshorzont verfügst du auf diesem sehr schwierigen Gebiet?

Ich hoffe sehr, dass du im Rahmen deiner Ausbildung noch überraschende und wunderbare Erfahrungen machen darfst, beispielsweise die, dass auch der Sterbende, der keine christlich orientierte Begleitung wünscht, in einem reifen Seelenzustand, im tiefen Frieden mit sich und seinem Geschick loslassen kann. Getröstet von seiner Überzeugung, dass dann alles 'gut' ist, weil es eben 'nicht' ist. Du wirst dann erfahren, wie entspannt (auch) 'nicht-glauben' einen Kranken oder Sterbenden machen kann.

Aus meiner Erfahrung daher mein Appell: Auf den Sterbenden eingehen und ihn nicht - gewiss in bester Absicht - zwangsbeglücken.

Leere Hände...

Alle guten Wünsche für deine neue Aufgabe,
t.

dietmar

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#5 Beitrag von dietmar » 18.10.2011, 15:05

ja danke tergram
nur als hörender,lernender und fühlender begleiter ist man gefragt
nicht als jemand der etwas zu bieten hat

uhu-uli

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#6 Beitrag von uhu-uli » 18.10.2011, 18:53

Redenden Menschen kann geholfen werden ...

nach einem Gespräch mit Maxi, zeichnet sich für mich folgendes ab ...

ich habe ihn wohl missverstanden ...

Es kommt ihm in der Begegnung darauf an sich ganz einzulassen auf den Gegenüber.

Vielleicht meinte Maxi dann zweiten Teil, wenn der andere sich nicht einlassen kann, auf Maxis innere Bereitschaft zu Begegnung oder gar Berührung.
Dem Kranken das Vertrauen fehlt, die Fähigkeit Nähe zuzulassen oder er verlernt hat, seine Gefühle zu zeigen oder gar zu erspüren.

Da stellt sich mir die umgekehrte Frage ...

Wie würde ich reagieren, wenn jemand plötzlich in meinem Zimmer erscheint ...
oder wie würde ich mir einen Menschen wünschen, der mich beim Abschiednehmen begleitet ...
was muss wachsen, bis er mich berühren darf und ich mich öffne ...

LG
Uli

dietmar

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#7 Beitrag von dietmar » 18.10.2011, 19:24

ielleicht meinte Maxi dann zweiten Teil, wenn der andere sich nicht einlassen kann, auf Maxis innere Bereitschaft zu Begegnung oder gar Berührung.
Dem Kranken das Vertrauen fehlt, die Fähigkeit Nähe zuzulassen oder er verlernt hat, seine Gefühle zu zeigen oder gar zu erspüren.

liebe Uli, dass sind alles nur negative Beschreibungen und Aussagen.
Vielleicht ist es in Ordnung nicht alleine zu sein, aber mehr nicht.Dies hat seine Berechtigung und dann ist gut so.
In innerer Abgeschiedenheit...alles,jede Reaktion hat seine Berechtigung.Darauf muss sich der Begleiter einstellen, auf nichts anderes. Er , sie ist nicht der Heilsbringer..nichtdurch die Berührung-ein Eindringen in die Intimsphäre- Maxi muss sich auf den Kranken oder Sterbenden einlassen und nicht umgekehrt und dem jenigen vermitteln es ist gut so wie du es jetzt und heute möchtest.

uhu-uli

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#8 Beitrag von uhu-uli » 18.10.2011, 21:32

Lieber Dietmar,

Stimmt. Was gibt mir das Recht den Gegenüber als bedürftig einzustufen ...
Respekt, wenn es gelingt das eigene "Gutmeinen" ganz zurückzunehmen, um den Gegenüber richtig wahrzunehmen.
mich einzuschwingen auf seine Wünsche und sie zu achten

Buona Notte
Uli

Kristallklar
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Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#9 Beitrag von Kristallklar » 19.10.2011, 05:59

Wie gesagt, alleine der Willle des Sterbenden ist das Maß.
Eine Begleitung nach den Wünschen des/der Begleiter/s lässt ein Sterbender zuweilen noch nicht mal in seiner engsten vertrauten Familie und Umgebung zu.

Nur dann, wenn er es will und bei wem er es will, ist eine Begleitung sinnvoll. Nie sollte außer acht gelassen werden, wie der Sterbende es sich wünscht, zu gehen.
Ich denke schon, daß zwar niemand in seiner letzten Minute im Bewußtsein alleine sein möchte, aber auch das gibt es.

Menschen, die nie so wirklich Gefühle zeigen konnten und ihre Gefühle nicht nach außen getragen haben, diesen fällt es wesentlich schwerer, sich dann anderen Menschen ausliefern zu sollen und ich kann verstehen, wenn sie sich dagegen wehren und es nicht zulassen.
Nur er allein sollte bestimmen können, was geschieht und wieviel Nähe und Berührung er aushalten will.
Das sollte selbst ein ihn liebender Mensch akzeptieren können, ja müssen.

Ganz schwerfallen würde mir persönlich, einen mir ganz fremden Menschen zu begleiten, dazu wäre ich vermutlich sogar völlig ungeeignet. Ich denke nicht, daß mich das zu einem schlechteren Menschen macht.

Ich kann es nur bei von mir geliebten Menschen. Es hat auf der einen Seite Angst gemacht und doch war es ein unbeschreibliches aber gutes Gefühl, einen Menschen in den Armen sterben lassen zu dürfen.
Es ist einfach so. Die Praxis hat mich gelehrt, der Sterbende gibt unendlich viel, wobei ich dann glaube, nicht sehr viel zurückgeben zu können.

Ich komme mit leeren Händen zu ihm und gehe mit reich beschenktem Herzen.

Kristallklar

dietmar

Re: KRANKEN- UND STERBEBEGLEITUNG

#10 Beitrag von dietmar » 19.10.2011, 09:31

wer es sich zutraut kann Begleitung, auch völlig fremder Menschen, lernen.
Erster Schritt ist allerdings sich über seine eigene Motivation klar werden und damit auseinandersetzen. Es ist eine Form von "dienen", der Auftraggeber ist der Kranke oder Sterbende, ich selbst habe mich in der Zeit der Anwesenheit völlig zurückzunehmen. Ohne meine eigene Werteskala, ohne meine religiöse Ansicht usw...nur das geben was gewünscht wird.
Eine anstrengende aber auch schöne Aufgabe...es entwickeln sich manchmal Gespräche ohne Worte.....

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