Winter

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Steppenwolf

Winter

#1 Beitrag von Steppenwolf » 05.12.2008, 08:12

  • Winter

    Die Bäume glitzern rings im Eise,
    Unheimlich lautlos rieselt Schnee.
    Die weichen Flocken decken leise
    Der Blumen letztes Todesweh.

    Nur zwischen starren Zweigen hangen
    Noch rote Beeren, frisch und licht,
    Ein täuschend Leben! Rosenwangen
    Auf einem Leichenangesicht.

    Die gold'ne Sonne strahlt wie immer,
    Doch wärmt sie nicht das öde Land.
    An Menschenaugen mahnt ihr Schimmer,
    Die falsch und treulos man erkannt.

    Eugenie Marlitt, (1825 - 1887)




Katharina

#2 Beitrag von Katharina » 05.12.2008, 14:03

:arrow: Die drei Spatzen

In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.

Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.


Christian Morgenstern

Brombär

#3 Beitrag von Brombär » 05.12.2008, 22:06

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Die Stille des Schnees


In meiner Kindheit und Jugend, da war Schnee fast so selbstverständlich, wie heute die Diskussion über Klimaerwärmung und die spätestens im Advent wiederkehrende Frage: Wird es diesmal weiße Weihnachten geben ?

Eines Tages im Dezember lag er plötzlich in der Luft, der Frosthauch des Schnees, der vielleicht schon in der kommenden Nacht fallen würde. Am Morgen erwachten wir durch das Kratzen der Schneebleche, mit denen die Nachbarn die Gehsteige frei schoben. Alle übrigen Geräusche wurden von der wattigen Fülle erstickt.

Geblieben ist über all die Jahre die sorglose Freude an der verwandelten Wirklichkeit, wenn es geschneit hatte, obwohl ja Schnee das Leben beschwerlicher macht.

Normalerweise nehmen wir unsere Schritte nicht wahr. Ein Schritt ist wie tausend andere. Für sich allein bedeutet er nichts. Im Schnee aber, wenn er mühselig und unsicher ist, gelangt der Schritt wieder ins Bewusstsein.

Knirschend sinken unsere warm und fest eingepackten Füße durch das formlose Weiß, tasten nach dem festen Widerstand des Weges. Es liegt Konzentration auf jedem Schritt, dass man geradezu sagen könnte, im Schnee lerne unser Bewusstsein aufs Neue das Gehen. Und es lernt hören. Einen Klang wieder wahrzunehmen, der im täglichen Leben untergegangen ist.

Wenn die Schneeflocken schräg durch die Lichthöfe der Laternen fallen, sanft und sacht, und die gewohnten Konturen auflösen, wird er plötzlich vernehmbar: Der Klang der Stille.

Die Anwesenheit und das verlorene Krächzen der Krähen im Wintermorgenschnee stört uns nicht, sie gehören dazu, sind unentbehrlich.

Und der Schnee fällt weiter in großen dichten Flocken. Lässt Bordsteine verschwinden, krönt Hydranten mit spitzen Hauben. Das Hämmern der Bautrupps erstirbt. Wie erlöst von ihrer unterirdischen Verbannung steigt eine Stille über dem Pflaster auf. Die Stille des Schnees.




( Uwe Prieser )




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tosamasi
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#4 Beitrag von tosamasi » 05.12.2008, 22:20

  • Du wacher Wald

    Du wacher Wald, inmitten wehen Wintern
    hast du ein Frühlingsfühlen dir erkühnt,
    und leise lässest du dein Silber sintern,
    damit ich seh, wie deine Sehnsucht grünt.

    Und wie mich weiter deine Wege führen,
    erkenn ich kein Wohin und kein Woher
    und weiß: vor deinen Tiefen waren Türen-
    und sind nicht mehr.




    Rainer Maria Rilke, 19.1.1898, Berlin
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
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tergram

#5 Beitrag von tergram » 06.12.2008, 08:06

Wintermorgen

Eis‘ger Wind zieht durch die Heide,
hält den Frost an seiner Hand
und gemeinsam malen beide
der Natur ein weiß‘ Gewand.

Frierend liegen müde Wiesen,
glitzern bunt wie ein Kristall,
die der Himmel scheint zu gießen
zart mit Mondlicht aus dem All.

Selbst die Sterne sind verschwunden,
ruhen schon im Wolkenfell.
Langsam kriechen sich die Stunden
vorwärts bis zum frühen Grell.

Dämm‘rung drängt sich über Bäume,
lädt das Tagbeginnen ein,
dass verblassend schöneTräume
bald vergessen werden sein.


(Anette Esposito 2007)

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#6 Beitrag von tosamasi » 06.12.2008, 22:20

  • Es gibt so wunderweiße Nächte


    Es gibt so wunderweiße Nächte,
    drin alle Dinge Silber sind.
    Da schimmert mancher Stern so lind,
    als ob er fromme Hirten brächte
    zu einem neuen Jesuskind.

    Weit wie mit dichtem Demantstaube
    bestreut, erscheinen Flur und Flut,
    und in die Herzen, traumgemut,
    steigt ein kapellenloser Glaube,
    der leise seine Wunder tut.

    Rainer Maria Rilke, 1875 - 1926
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
tosamasi

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