tergram hat geschrieben:Lieber Cemper,
wir "reden" nun schon seit Jahren längs und quer durch die Foren miteinander. Schon oft habe ich versucht, Ihnen die Besonderheiten eines durch die NAK geprägten Lebens aufzuzeigen - mit geringem Erfolg. Sei's drum, vielleicht ist es nicht so wichtig, gewiss ist es nicht zwingend.
Mir fällt jedoch eine Unschärfe in ihrer Argumentation auf, die sich über die Jahre nicht geändert hat:
Sie reklamieren, die in den Foren geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen seien allesamt Einzelfälle und nicht auf das Ganze übertragbar. Gleichzeitig schildern Sie in den Foren immer wieder neuapostolische Verwandte und Bekannte, die derartige Erfahrungen nicht gemacht hätten und leiten daraus ab, dass deren Erlebniswelt bestimmend für das Ganze sei.
So wenig richtig die eine Sehensweise ist, so falsch ist die andere.
Unabhängig von persönlichen Erfahrungen sehr verschiedener Art gibt es gewiss Gründe, warum die NAK von fachkompetenter Seite eher als Glaubensgemeinschaft denn als Kirche und eher im Bereich "Sekte" oder "sektennah" gesehen wird. Diese Einordnung aus der neutralen Außensicht stützt das, was in den Foren vielfach aus der Innensicht berichtet wird.
Freundliche Grüße,
t.
Guten Tag tergram,
Ihre Argumentation irritiert mich.
Zunächst einmal dies: Wir "reden" tatsächlich schon lange miteinander. Dazu kann ich sagen, dass ich die Dialoge immer als angenehm wahrgenommen habe, weil Sie lange Zeit sachlich, nicht verletzend, gelegentlich etwas humorvoll waren - mich sogar mal gesperrt haben - und weil ich Sie in manchen privaten Angelegenheiten (über die Sie ja auch öffentlich gesprochen haben) als verletzt oder erschütterbar, als mutig und verlässlich wahrgenommen habe. Wir haben aber nicht - wie Sie schreiben - "längs und quer durch die Foren" geredet. Ich sage das, weil das alte Forum Glaubenskultur und das Nachfolgeforum glaubeundkirche ja praktisch ein Forum geblieben ist und weil das Forum GF24 vom Personenkreis her auch eine gewisse Fortsetzung ist. So gesehen bin ich nur in einem Forum. Ich sage es außerdem, weil mir die Forenwelt eigentlich fremd ist. Aber nun bin ich da reingerutscht und drin - und es war in Teilen auch lehrreich.
Zur Sache:
Ich verstehe Ihren Hinweis nicht, dass ich die negativen Einzelfälle als nicht auf das Ganze übertragbar ansehe und gleichzeitig die positiven anderen Erfahrungen der mir bekannten Menschen aus der neuapostolischen Kirche als eine das Ganze bestimmende Erlebniswelt sehe.
Das nämlich mache ich nicht. Wer so von mir redet, ignoriert mich und stabilisiert - so mein Eindruck - aus Gründen des Selbstschutzes sein negatives NAK-Bild.
Ich meine tatsächlich, dass - wie Sie sagen - "die in den Foren geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen allesamt Einzelfälle" sind. Dabei heißt "allesamt" buchstäblich alle. Dazu gehören die Forumsmitglieder, die mal kritisch-ablehnend und mal kritisch-zustimmend schreiben, dazu gehören die Forumsmitglieder, die nur oder überwiegend negative Punkte ansprechen, und dazu gehören auch die, die nur oder überwiegend positive Punkte vorstellen. Ich sehe das Forum - bildlich gesprochen - als Dorf oder Kleinstadt mit so und so vielen Einwohnern. Jede und jeder ist mit seinen Erlebnissen und Erfahrungen ein Einzelfall. Diejenigen, die immer wieder neu auf negative Punkte verweisen und die in diesem Forum ganz eindeutig die Mehrheit sind, gehören dazu, und ebenso die anderen, die die NAK eben anders sehen.
Für mich stellt sich gar nicht die Frage, die Sie ansprechen: ob nämlich die (negativen) Erlebnisse und Erfahrungen der einen auf das Ganze übertragbar sind und ob die (positive) Erlebniswelt der anderen bestimmend für das Ganze ist. Ich sehe es vielmehr so: das Ganze ist die Summe der Einzelfälle und zugleich mehr.
Dieses Ganze könnten wir als Ganzes und in Teilbereichen (vor allem geographisch) betrachten und - was wir allerdings nicht tun - empirisch untersuchen. Bei einem so differenzierenden Blick könnte man verlässliche Daten zu manchen Gebieten bekommen. Und dann stellt sich die Frage, was wir da sehen.
Ich will das einmal an einem Beispiel andeuten: NAK und Schule/Bildung.
Ich lese in diesem Forum manches über Bildungsfeindlichkeit in der NAK. Manche verweisen auf Einschränkungen und auf seltsame Begründungen von Eltern und Amtsträgern und klagen, dass sie in Sachen Schule/Bildung durch die NAK behindert wurden und dass die NAK unter anderem deshalb fürchterlich sei. Im Kreis der mir bekannten neuap. Menschen sehe ich, dass es kaum jemanden gibt, der nach 1945 geboren wurde und nicht Abitur gemacht und studiert hat. Wenn ich mir in den Wohngegenden dieser Menschen die Amtsträger auf Gemeinde- und Bezirksebene anschaue, dann sehe ich, dass es da in unterschiedlichen Altersstufen fast alles gibt: in der einen Gemeinde ist ein so genannter "einfacher Mann" (und er ist wirklich lieb und schlicht) Gemeindevorsteher und ein Medizinprofessor und ein Informatiker sind Priester. In einem anderen Bezirk ist ein Bezirksältester im Zivilberuf Oberstudiendirektor, der Gemeindevorsteher Oberstudienrat und ein Priester ungelernter Arbeiter. Man hat da die ganze soziale Wirklichkeit. Und wenn ich beispielsweise die offizielle Kirchenseite NAK Mitteldeutschland anschaue, sehe ich, dass die dort vorgestellten, nicht mehr ganz jungen Herren der Kirchenleitung - also die Apostel dieser NAK-Gebietskirche - ausnahmslos "studierte Leute" sind (wenn ich das richtig erinnere).
Was soll ich denn dann davon halten, wenn X und Y kritisch mit dem Argument "Bildungsfeindlichkeit" kommen?
Ich meine, dass eine auf die NAK in Deutschland gerichtete empirische Bildungsforschung zeigen würde, dass es in der Untersuchungsgruppe NAK ein Bemühen um eine "ordentliche Ausbildung" einschließlich Hochschulen gegeben hat und gibt, das über dem Bundesdurchschnitt liegt. Ein solches Ergebnis würde nicht zu den Beschreibungen der Ablehnungen von Schule und Bildung durch die Kritiker passen.
Auf anderen Gebieten könnte es - das vermute ich - ähnliche Differenzen geben. Es würde sich evtl. zeigen, dass die NAK "als Ganzes" anders ist, als sie von vielen Kritikern beschrieben wird, was aber nicht heißt, dass es die von den Kritikern beschriebenen Erlebnisse nicht gibt und dass ihre Erfahrungen belanglos sind. Die Berichte sind auch zu respektieren. Aber die Kritiker haben - so mein Eindruck - Schwierigkeiten, zur Kenntnis nehmen, dass die NAK nicht nur so ist, wie sie diese Kirche beschreiben. Die Vorstellung, dass allein die Kritiker diese Kirche richtig verstehen, halte ich für abwegig. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass einige Kritiker argumentativ nicht erreichbar sind. Sie brauchen zum Schutz ihres Selbstbildes ihr negatives Kirchenbild. Mich erinnern manche Kritiker an Menschen aus der NAK, die vor lauter Seligkeit von einem Glaubenshöhepunkt zum anderen taumeln - aber mit umgekehrten Vorzeichen. Die einen wollen missionarisch die Welt erlösen. Die anderen wollen missionarisch vor einer Kirche warnen und sind dabei vielfach so arrogant und geistig unbeweglich, wie manche 150 % überzeugte neuap. Frauen oder Männer.
Die ganze NAK ist - wie oben erwähnt - mehr als die Summe der Einzelfälle. Und da beobachte ich, dass die NAK "als Ganzes" eine in vielen Hinsichten schwer verständliche Religions- oder Glaubensgemeinschaft ist. Sie ist nicht nur so und nur so. Sie ist so und so. Und sie ist wirklich nicht einfach zu beschreiben. Wahrscheinlich versteht diese Kirche sich selber nicht.
Unter anderem deshalb frage ich auch oft, warum Menschen und welche Menschen (!) in dieser Kirche sind. Aber das ist ein anderes Thema - und eine Antwort darauf bekommt man hier nicht. Hier kann ich aber Spekulationen darüber lesen, ob ich Richard Fehr bin und was man mir zahlt. Liebe Leute - ich fasse mich manchmal an den Kopf und frage mich, was ich hier "zu suchen" habe.
Ebenfalls freundliche Grüße
HC