Lieber Jinn,
habe jetzt mal (aus zeitlichen Gründen nicht eher) deinen ursprünglichen Beitrag gelesen.
Ich kann jedes bisschen Ärger, Wut, Hass ...Enttäuschung verstehen.
Leider muss ich faktisch das Handeln dieser Kirchenmänner so bestätigen.
Nun ist es im Allgemeinen üblich, dass jungen Menschen Emotionen aberzogen werden. Meist einfach so aus Unwissenheit. Diese Emotionen haben, jede einzelne, eine soziale Funktion. So beladen sich Eltern und Mitmenschen unwissentlich mit einer gewissen Schuld, die sie vehement bestreiten.
In Einrichtungen wie Sekten und Kirchen wird eine tiefgreifende Abhängigkeit erzeugt. Die Seele wird einem Herrschaftsbild unterworfen.
Eigentlich würden uns unsere Emotionen als warnende Sensoren zur Vorsicht mahnen. Da man uns aber trainiert hat (indoktriniert), dass diese Emotionen nicht so zu deuten sind, sind wir mit dieser Situation überfordert, bzw. deuten sie aufgrund des Trainings falsch. Wir deuten: ich muss mir mehr Mühe geben, meinem Schöpfer zu gefallen.
Die eigentliche Deutung wäre: Die wollen mich nur gefügig machen.
Da unsere Eltern i. d. R. selbst nicht gelernt haben, mit der Gefühlswelt richtig umzugehen, folgen sie natürlich der Herde und wollen einfach nur ein wertvolles Mitglied sein. Es überfordert sie meist komplett, wenn wir von ihnen sofortige und umfassende Einsicht verlangen.
Natürlich gibt es schon immer Menschen in der NAK, die nicht ganz so dem "Ideal" entsprechen wollen. Denen fällt es leichter, als Mitglieder außerhalb der "Mitte der Gemeinde" zu leben, oder im Zweifel kaum zum Gottesdienst zu gehen. Oder gar nicht. Sie haben von Beginn an genug Abstand gehalten.
Ich musste aber nach NAK feststellen, dass es im genzen Leben so funktioniert. Es sind nicht nur religiöse Ideen, von denen sich der Mensch gefangennehmen lässt.
Für mich muss ich feststellen:
Es war für mich wichtig, die ganzen Gefühle endlich einmal rauslassen zu können. Sie endlich haben zu "dürfen". Endlich mal laut sagen zu dürfen, was nicht stimmt (meiner Meinung nach).
Danach kam ganz langsam das Erkennen, dass ich meine Eltern nicht bekehren muss. Mein Bruder hatte schon vor mir eine kritische Einstellung.
Jetzt, wo ich erkannt habe, dass meine Eltern völlig normale Menschen sind, akzeptiere ich sie und wir haben wieder Frieden. Wir können uns sogar gegenseitig (bedingt, aber immer besser) respektieren.
Ich habe verstanden, dass nicht sie, sondern ich derjenige bin, der ein funktionierendes soziales System durchbrochen hat. Ich bin anders geworden. Es ist utopisch/unrealistisch, von ihnen eine geistige Wendung in kurzer Zeit zu erwarten.
So, auf der Basis gegeseitigen Respektierens, ist wieder Frieden eingekehrt.
Da mein Bruder und ich voller Überzeugung eine Abwendung vollzogen haben und auch nicht bereuen, kommt es im Verlauf automatisch, dass unsere Eltern viele Dinge auch skeptisch sehen.
Allerdings bin ich nicht mehr dem Wahn erlegen, ich müsste sie kurz vor der Schwelle ins Jenseits noch von ihren sozialen Kontakten trennen.
Es läuft natürlich bei jedem von uns anders.
Manch einen trifft es dabei auch extrem hart.
Eins bleibt bei jedem von uns:
Wir müssen viel lernen. Ein Stück weit das Leben neu lernen.
Unsere Lieben müssen lernen, jetzt mit uns umzugehen, da wir anders sind/werden.
Je mehr wir Respekt vor anderen (auch unserer Ansicht nach falschen) Meinungen aufbringen können, desto einfacher wird
fast alles, glaube ich. Wir sollten nicht vergessen: Auch wir sind nicht "optimal" erzogen und müssen daher wirkliche Toleranz und wahre Nächstenliebe erst noch lernen. Vielleicht auch von den "bösen Weltmenschen"

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Auf jeden Fall wünsche ich dir immer mehr inneren Abstand und Ruhe/Frieden.
Mir hat der Austausch hier im Forum sehr geholfen. Das wünsche ich dir auch.
LG Boris