NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

Alles rund um die Sondergemeinschaft Neuapostolische Kirche (NAK), die trotz bedenklicher Sonderlehren (u.a. Versiegelung, Entschlafenenwesen mit Totenmission, Totentaufe, Totenversiegelung und Totenabendmahl, Heilsnotwenigkeit der NAK-Apostel, Erstlingsschaft, ..), weiterhin "einem im Kern doch ... exklusiven Selbstverständnis", fehlendem Geschichtsbewusstsein und Aufarbeitungswillen, speziell für die Zeit des Dritten Reiches, der DDR, der Bischoffs-Botschaft ("... Ich bin der Letzte, nach mir kommt keiner mehr. ..."), sowie ihrer jüngsten Vergangenheit und unter erheblichem Unmut ehemalicher NAK-Mitglieder, auch Aussteiger genannt, die unter den missbräuchlichen Strukturen und des auf allen Ebenen ausgeprägten Laienamtes der NAK gelitten haben, weiterhin leiden und für die die NAK nach wie vor eine Sekte darstellt, im April 2019 als Gastmitglied in die ACK Deutschland aufgenommen wird.
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Musikuss
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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#21 Beitrag von Musikuss » 16.08.2024, 15:17

Viola hat geschrieben:
01.08.2024, 10:45
Hallo in die Runde,
Hallo liebe Viola,

mich würde interessieren: wie lange ist es her, dass du aus der NAK ausgetreten bist?

Ich bin ungefähr in deinem Alter und seit jeher in meiner Gemeinde aktiv, u.a. als Amtsträger. Ich verfolge die Entwicklungen in den deutschen Gebietskirchen intensiv (da gibt es unterschiedliche Tempi und Mentalitäten), informiere mich aber auch über Entwicklungen in anderen Kirchen. Ich finde, dass sich in den vergangenen 25 Jahren enorm viel in der NAK getan hat. M.E. erheblich mehr, als in anderen Kirchen möglich gewesen wäre. Innerkirchlich (im Verhältnis Kirchenleitung - Gläubige) war das durchaus sehr anspruchsvoll und im Bezug auf das Taufverständnis gab es seinerzeit eine Zerreißprobe auf höchster Ebene.

Geschichten, wie die von dir geschilderte (Berufswahl), kenne ich auch. Im Seelsorgegespräch mit Senioren höre ich auch Geschichten, wo sich mir die Nackenhaare sträuben.

Diese Art von Machtmissbrauch durch Geistliche, Lehrkräfte, Eltern etc. kann ich mir heute allerdings nicht mehr vorstellen. Zum Einen lässt sich heute keiner mehr in die persönliche Lebensführung dreinreden. Zum Anderen gibt es mittlerweile ein umfangreiches Schulungsangebot für Amtsträger, Lehrkräfte und Gemeindemitglieder, die besondere Funktionen ausüben. Grundlage ist in jeder Gebietskirche ein Leitbild ("Dienen und Führen"); im Einführungsseminar geht es um das Menschen- und Gottesbild, Kirchen- und Amtsverständnis und ein erheblicher Teil nimmt das Thema Kommunikation ein. Vortragende sind dabei keine hochrangigen Amtsträger, die das aufs Auge gedrückt bekamen, sondern bspw. Kommunikationsexperten, Mediatoren etc., die aus der täglichen Praxis berichten können und auch praktische Übungen mit den Teilnehmern machen.

Dem potentiellen Thema des sexuellen Mißbrauchs stellt man sich kirchlicherseits: die deutschen Gebietskirchen fordern von Amtsträgern und Funktionsträgern, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, mittlerweile ein Führungszeugnis, es gibt Seminare zur Achtsamkeit hinsichtlich übergriffigem Verhaltens (das kann ja bereits subtil stattfinden), und jeder muss einen Verhaltenskodex unterschreiben.

Insofern ist die NAK mE bereits auf einem guten Weg.

Was Demokratie angeht, müsste man genauer definieren, was man diesbezüglich will - und was möglich bzw. sinnvoll ist. Ich kenne viele Gemeinden, in denen ein hoher Beteiligungsgrad besteht und die Gemeindegremien für die vielen Tätigkeitsbereiche einer Gemeinde eingeführt haben; die Gremien arbeiten und entscheiden eigenständig, besprechen sich aber natürlich ein bis zweimal pro Jahr mit der Gemeindeleitung. In finanziellen Dingen (Anschaffungen, bauliche Gegebenheiten) kommen Impulse aus der Gemeinde, die der Vorsteher entweder umsetzen kann oder weitergibt. Sicher ist die Geschichte mit den Gremien nur dort möglich, wo es genügend engagierte Gemeindemitglieder gibt. Personelle Besetzungen von Amtsträgern sind bisher tatsächlich nicht demokratisch; ich weiß, dass sich die Entscheidungsträger das nicht einfach machen und auch auf Gemeinde- und Bezirksebene darüber ein intensiver Austausch stattfindet, wer geeignet sein könnte. Die Kirchenleitung wird traditionell ebenfalls nicht basisdemokratisch gewählt. Aus unserem traditionellen Selbstverständnis heraus wäre die Wahl von Amtsträgern und Kirchenleitung wohl auch etwas, was sich die Wenigsten Kirchenmitglieder vorstellen könnten. Selbst wenn man eine demokratische Ausgestaltung zuließe, hätte man wahrscheinlich Probleme, jemanden zu finden, der sich zur Wahl stellt.

Das Apostelamt als autokratisch zu bezeichnen, geht mir zu weit. Das mag früher auf den einen oder anderen zugetroffen haben, es kommt aber eine neue Generation nach, die mW in einem sehr offenen Dialog mit Bezirks- und Gemeindeleitungen steht, ebenso mit den Kirchenmitgliedern. Denkverbote, wie du und ich sie aus der Kindheit oder Jugend kennen, haben da keinen Platz mehr. Das schließt nicht aus, dass es eine geistliche Führung gibt bzw. dass diese notwendig ist. Die Heilsnotwendigkeit des Apostelamts ist aus NAK-Sicht die "sichere Bank", spricht aber mittlerweile nicht mehr den anderen Kirchen die Wirksamkeit von Amt und Geist ab.

Soweit mal meine Innensicht zu deiner Aussensicht auf die NAK.

Viele Grüße vom Musikuss

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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#22 Beitrag von Andreas Ponto » 18.08.2024, 22:37

Viola hat geschrieben:
01.08.2024, 10:45
... Summa summarum halte ich es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass die NAK sich wie vom Autor erhofft, reformiert. Um es kurz zu machen, ich halte eine solche Reform beim gleichzeitigen Festhalten am Apostelamt und dem, wofür es gemeinhin steht, für unmöglich. Das eine (Apostelamt) schließt für mich das andere (Reform, Mitsprache der Basis, Aufbrechen von Hierarchien, etc.) aus. Ohne Apostelamt allerdings gibt es keine NAK mehr. Ich glaube, dass dies eine Zerreißprobe für die Kirchenleitung ist und ich glaube nicht, dass sie diese langfristig wird lösen können.

...

Es ist die Masse und Anzahl dieser Erfahrungen, die dieses Verhalten als systemischen Machtmissbrauch kennzeichnen.

...

2. Ich nenne dies „systemischen Machtmissbrauch“ nicht, weil ich konfrontativ argumentieren möchte, sondern weil das System der NAK, die starren Hierarchien und die Absolutheit des Apostelamts mit seiner alleinigen, gottgegebenen Entscheidungsgewalt, genau diesem Machtmissbrauch Vorschub leisten. Wie heißt es so schön „der Fisch stinkt vom Kopf her“. ...

...

Liebe Viola,

herzlichen Dank für deinen Beitrag, den ich so nur unterstreichen kann. Ich bin Mitte 50 und habe mich vor 13 Jahren von der NAK verabschiedet. Aus meiner Sicht keine Chance auf Reformfähigkeit, geschweige denn Reformwillen waren damal der Anlass für mich mich evangelisch zu werden.

Musikuss versucht aus meiner Sicht deinen Beitrag unzulässig zu relativieren: Früher war das vielleicht hie und da mal so, aber heute ist alles ganz anders...
... Diese Art von Machtmissbrauch durch Geistliche, Lehrkräfte, Eltern etc. kann ich mir heute allerdings nicht mehr vorstellen. ...
Mag sein, aber dann halt in anderer Form und auf subtilere Weise.
... Das Apostelamt als autokratisch zu bezeichnen, geht mir zu weit. ...
Doch, es ist absolut und autokratisch. So sehe ich das ebenfalls.
... Die Heilsnotwendigkeit des Apostelamts ist aus NAK-Sicht die "sichere Bank", ...
Siehst du?!
Was für eine Verblendung, Selbstherrlichkeit und geistlicher Missbrauch. Dieser Mist wird von sogenannten Aposteln den eigenen Schäfchen eingeflöst:
Wenn ihr bei uns bleibt und uns folgt, werdet ihr selig werden. Aus meiner Sicht Missbrauch und Irreführung zugleich; und in Reinform.

Ich möcht mit einem in der NAK ziemlich geläufigen Wort antworten: "Geist stirbt nicht!"

Das Machtsystem NAK hat sich nicht gewandelt und wird sich nicht wandeln. Es kann sich nicht wandeln - es hat sich lediglich neue Kleider zugelegt.

Und dazu fallen mir zwei weitere Sätze ein:
  • "Der Wolf im Schafspelz" und
  • "Des Kaisers neue Kleider"
LG
Andreas


P.S.: Auch bei der FeG kann ich das Wort "Frei" nicht nachvollziehen. Für mich persönlich wäre das vom "Regen in die Traufe" ...

Viola
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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#23 Beitrag von Viola » 20.08.2024, 13:38

Lieber Musikuss,

es hat ein bisschen gedauert, aber ich möchte gerne auf einige Punkte deiner Antwort eingehen.
mich würde interessieren: wie lange ist es her, dass du aus der NAK ausgetreten bist?
Das hat nichts mit dem Zeitpunkt meines Austritts zu tun. Wie bei vielen hier bin auch ich in einer neuapostolischen Kirche aufgewachsen und in meiner Familie und meinem kirchlichen Bekanntenkreis bin ich die Einzige, die ausgetreten ist. Ich bin also nach wie vor informiert und bekomme hautnah mit, was in unserem Kirchenkreis hier so vonstatten geht. Insofern würde ich in meinem Fall nicht von einer Aussensicht sprechen, auch wenn ich natürlich die Gottesdienste oder andere Veranstaltungen nicht besuche, abgesehen natürlich von Jubiläen, Taufen, Inruhesetzungen oder dergleichen.
Ich bin ungefähr in deinem Alter und seit jeher in meiner Gemeinde aktiv, u.a. als Amtsträger. Ich verfolge die Entwicklungen in den deutschen Gebietskirchen intensiv (da gibt es unterschiedliche Tempi und Mentalitäten)
Hier kann ich zustimmen: betrachtet man einzelne Gemeinden im Vergleich klaffen die Entwicklungen teilweise recht eklatant auseinander. Im Zweifel sind jedoch alle progressiven, auf Teilhabe ausgerichteten Bemühungen auf Gemeindeebene von dem Wohlwollen übergeordneter Ämter abhängig. Genau diese „Amtsabhängigkeit“ (die nicht nur das Apostelamt betrifft) steht meiner Meinung nach einer grundlegenden Reform im Wege. Diese Sichtweise ist sicherlich meinem Kirchenverständnis und dem wie ich „Gemeinde“ verstehe geschuldet. An dieser Stelle muss – oder sollte – sich jeder Christ wahrscheinlich im Laufe des Lebens einmal ernsthaft mit der Frage beschäftigen, was das „Evangelium“, die Botschaft Christi, in ihrem Kern wirklich ausmacht. Ist das eine Botschaft der Hierarchie, des Amtes, der Dominanz und der Institutionen? Oder ist das was Evangelium ausmacht nicht vielmehr, dass all diese menschlich aufgepfropften Dinge von dem ureigenen Wesen der Botschaft Christi aufgehoben und transzendiert werden? Natürlich braucht man Organisation, Regeln und Formen, die das Zusammenleben und das Verwalten bzw. die Durchführung der Sakramente innerhalb der Gemeinde und Kirche ordnen. Ich persönlich finde diese evangelische Botschaft für mich am ehesten hier in der Landeskirche und im protestantischen Glauben. All die oben aufgezählten Punkte sind eben auch ein Grund warum ich mich z.B. nicht zur römisch-katholischen Kirche bekennen könnte.
Diese Art von Machtmissbrauch durch Geistliche, Lehrkräfte, Eltern etc. kann ich mir heute allerdings nicht mehr vorstellen.
Das möchte man sich natürlich nicht vorstellen. Die Frage ist, ob Mechanismen bzw. Prozesse implementiert wurden, die solchem Machtmissbrauch vorbeugen? Und wenn ja, welche das ganz genau im Detail sind. Es ist nunmal leider so, dass sich das Gefühl von Macht im religiösen Kontext grundsätzlich aus einem göttlichen Sendungsbewusstsein ableitet. Das ist irgendwo auch ein theologisches Problem. Und meinem Dafürhalten nach sind hierfür Konfessionen prädestiniert, die ihre postulierte göttliche Sendung und Bevollmächtigung als vorrangig empfinden. Ich denke, das ist in der NAK nach wie vor der Fall. Dazu muss man nur den Katechismus aufmerksam lesen. Noch einmal: ich sage nicht, dass dies allein ein Problem der NAK ist. Ich bin aber nach wie vor nicht überzeugt, dass sich die NAK mit den Wurzeln dieses Problems wirklich tiefgehend auseinandergesetzt hat. Hier ist z. B. die katholische Kirche ein gutes Stück weiter. Hier wurden mittlerweile von vielen Diözesen Anlauf- und Beratungsstellen für von religiös-geistlichem oder sexuellem Missbrauch Betroffenen eingerichtet. Auch wird sich des Themas immer mehr in der Forschung und im Studium, sowohl fachspezifisch im Theologiestudium als auch in der Pastoralausbildung angenommen.
Zum einen lässt sich heute keiner mehr in die persönliche Lebensführung dreinreden.
Dann gehöre ich wohl zu den armen Irren, die sich haben dreinreden lassen.
Der Satz ist zutiefst entlarvend, diffamierend und verurteilend. Es ist also nicht das Fehlverhalten eines Laienpriesters, der sich in seinem Sendungsbewusstsein gefällt und dem Ratsuchenden mit dem Verlust des ewigen Heils droht, sondern mein persönliches Versagen dieses zugelassen zu haben. Für mich reinster neuapostolischer Geist.
Zum anderen gibt es mittlerweile ein umfangreiches Schulungsangebot für Amtsträger, Lehrkräfte und Gemeindemitglieder, die besondere Funktionen ausüben. Grundlage ist in jeder Gebietskirche ein Leitbild ("Dienen und Führen"); im Einführungsseminar geht es um das Menschen- und Gottesbild, Kirchen- und Amtsverständnis und ein erheblicher Teil nimmt das Thema Kommunikation ein. Vortragende sind dabei keine hochrangigen Amtsträger, die das aufs Auge gedrückt bekamen, sondern bspw. Kommunikationsexperten, Mediatoren etc., die aus der täglichen Praxis berichten können und auch praktische Übungen mit den Teilnehmern machen.
Es ist natürlich gut und lobenswert, dass es mittlerweile entsprechende Schulungen gibt. Ich denke dennoch, dass die seelsorgerliche Qualität generell in der NAK deutlich niedriger anzusiedeln ist als in den Landeskirchen, speziell der Evangelischen. Ich möchte nicht bestreiten, dass es gewiss hier wie auch dort Ausnahmen von der Regel gibt, so wie überall. Einerseits ist das sicherlich das Resultat der professionelleren Ausbildung evangelischer Theologen und Seelsorger. Andererseits bieten z. B. die evangelischen Landeskirchen und auch die römisch-katholische Kirche eine Vielzahl von übergeordneten und unabhängigen Beratungsstellen für eine Vielzahl von Problematiken an (wie bereits oben erwähnt). Diese Stellen bezeichne ich als unabhängig, weil sie der täglichen Gemeindearbeit an zentraler Stelle übergeordnet sind und unabhängig von den Ortsgemeinden agieren. Auf subjektiver Ebene möchte ich zudem noch anmerken, ohne dass ich hier generalisieren kann, denn ich habe das ja nicht wissenschaftlich erhoben, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Schweigepflicht in den Landeskirchen und auch der römisch-katholischen Kirche deutlich gewissenhafter befolgt wird.
Dem potentiellen Thema des sexuellen Mißbrauchs stellt man sich kirchlicherseits: die deutschen Gebietskirchen fordern von Amtsträgern und Funktionsträgern, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, mittlerweile ein Führungszeugnis, es gibt Seminare zur Achtsamkeit hinsichtlich übergriffigem Verhaltens (das kann ja bereits subtil stattfinden), und jeder muss einen Verhaltenskodex unterschreiben.
Hierzu kann ich nichts anmerken. Es ist gut, dass die Amts- und Funktionsträger dahingehend sensibilisiert werden. Sind auch die Gläubigen sensibilisiert worden und haben sie Ansprechpartner und unabhängige Stellen an die sie sich bei Fehlverhalten wenden können? Wo finden sie diese Stellen? Werden diese Stellen öffentlich gemacht oder geht das wieder die gemeindeinterne Ämterstufe hoch und runter?
Was Demokratie angeht, müsste man genauer definieren, was man diesbezüglich will - und was möglich bzw. sinnvoll ist. Ich kenne viele Gemeinden, in denen ein hoher Beteiligungsgrad besteht und die Gemeindegremien für die vielen Tätigkeitsbereiche einer Gemeinde eingeführt haben; die Gremien arbeiten und entscheiden eigenständig, besprechen sich aber natürlich ein bis zweimal pro Jahr mit der Gemeindeleitung. In finanziellen Dingen (Anschaffungen, bauliche Gegebenheiten) kommen Impulse aus der Gemeinde, die der Vorsteher entweder umsetzen kann oder weitergibt.
Und wieder hängt die Umsetzung vom Gutdünken eines einzelnen, übergeordneten Amtes ab.
ich weiß, dass sich die Entscheidungsträger das nicht einfach machen und auch auf Gemeinde- und Bezirksebene darüber ein intensiver Austausch stattfindet, wer geeignet sein könnte.
Es ist schön, dass das im Ämterkreis (mittlerweile) engagiert diskutiert wird. Die betroffenen Gemeindemitglieder haben dennoch an diesen Diskussionen so weit ich es sehe keinerlei Anteil oder werden auch nur angehört. Wäre das nicht gerade auf Gemeindeebene sinnvoll? Ich kann schon nachvollziehen, dass man Bedenken hat, dass auf diese Art und Weise Persönlichkeitsrechte verletzt werden könnten. Ich frage mich nur, warum nicht wenigstens kommuniziert wird, warum ein bestimmtes Amt wohin auch immer vergeben wird. Man kann doch die Pro-Gründe ganz offen kommunizieren, ohne jemand anderem auf die Füße zu treten? Ich habe hier nach wie vor den Eindruck, dass alle Entscheidungen hinter verschlossenen Türen unter dem mystischen Schleier der Gottgewolltheit getroffen werden.
Die Kirchenleitung wird traditionell ebenfalls nicht basisdemokratisch gewählt. Aus unserem traditionellen Selbstverständnis heraus wäre die Wahl von Amtsträgern und Kirchenleitung wohl auch etwas, was sich die Wenigsten Kirchenmitglieder vorstellen könnten.
Das stimmt selbstverständlich. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz und, auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, jeder muss sich fragen: was ist Kirche für mich? Was ist Gemeinde? Was ist Evangelium?
Selbst wenn man eine demokratische Ausgestaltung zuließe, hätte man wahrscheinlich Probleme, jemanden zu finden, der sich zur Wahl stellt.
Das heißt im Umkehrschluss jemand wird gezwungenermaßen ins Amt gedrängt? Sorry, falls das provokant rüberkommt, aber ich frage mich was das was du schreibst grundsätzlich bedeutet. Bin mir nicht sicher wie ich das verstehen soll.
Das Apostelamt als autokratisch zu bezeichnen, geht mir zu weit.
Wie würdest du es denn bezeichnen?
Das mag früher auf den einen oder anderen zugetroffen haben, es kommt aber eine neue Generation nach, die mW in einem sehr offenen Dialog mit Bezirks- und Gemeindeleitungen steht, ebenso mit den Kirchenmitgliedern. Denkverbote, wie du und ich sie aus der Kindheit oder Jugend kennen, haben da keinen Platz mehr. Das schließt nicht aus, dass es eine geistliche Führung gibt bzw. dass diese notwendig ist.
Aber darf diese geistliche Führung auch in Frage und Zweifel gestellt werden? Darf über Entscheidungen diskutiert werden? Oder verleugne ich dann fast schon automatisch Gottes Willen und setze mein Seelenheil aufs Spiel?
Die Heilsnotwendigkeit des Apostelamts ist aus NAK-Sicht die "sichere Bank", spricht aber mittlerweile nicht mehr den anderen Kirchen die Wirksamkeit von Amt und Geist ab.
Dann ist es ja keine Notwendigkeit mehr, oder? So ein bisschen nach dem Motto: na ja, Gott kann ja noch eingreifen, wenn er will. Das macht für mich irgendwie gar keinen Sinn und ist einfach ein Punkt, den ich nicht nachvollziehen kann. Für mich hat Christus schon das Heil gespendet – einmal vollbracht, vollgültig, ewiggültig. Ein Mensch, ein Amt kann nicht mehr machen als was Christus schon vollbracht hat.
Soweit mal meine Innensicht zu deiner Aussensicht auf die NAK.
Ich möchte noch kurz anmerken: danke, dass du dir die Zeit genommen hast zu antworten und deine Sicht zu schildern und zwar auf sehr angenehm sachliche und konstruktive Weise.

Gruß,

Viola
Zuletzt geändert von Viola am 20.08.2024, 16:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#24 Beitrag von Viola » 20.08.2024, 16:03

Lieber Andreas,

Ich sehe das wie du und möchte noch einmal ein paar Dinge herausgreifen und näher darauf eingehen.
Andreas Ponto hat geschrieben:
18.08.2024, 22:37
herzlichen Dank für deinen Beitrag, den ich so nur unterstreichen kann. Ich bin Mitte 50 und habe mich vor 13 Jahren von der NAK verabschiedet. Aus meiner Sicht keine Chance auf Reformfähigkeit, geschweige denn Reformwillen waren damal der Anlass für mich mich evangelisch zu werden.
Ich stimme dir zu – ich habe ja bereits deutlich gemacht, dass ich die NAK nur für wenig reformierbar halte. Zumindest nicht in dem Umfang, der für mich persönlich akzeptabel war; das wäre dann am Ende eine völlig andere, protestantische Kirche. Vielleicht darf ich der Verständlichkeit halber, einmal kurz den Prozess skizzieren, über den ich in die EKD fand. Mein Weg führte über eine tiefe Unzufriedenheit mit der fehlenden Teilhabe der Gemeinde an allen Entscheidungen und der kompletten Unfähigkeit der Bezirksleitung zu jeglicher Art von offener Kommunikation auf Augenhöhe (vom Blumenschmuck bis zur Einsetzung eines völlig überforderten Vorstehers, die letztendlich zur Zersetzung der Gemeinde führte, um nur zwei Beispiele zu nennen) hin zu einer fundamentalen Auseinandersetzung mit der Theologie, die die NAK für sich für gültig erklärt. Natürlich bin ich auch schon vorher über einige Diskrepanzen in Lehraussagen oder im Gottesdienst gestolpert. Diese wurden entweder stets weggewischt oder aber man reagierte auf Nachfragen mit „Liebesentzug“ oder Gaslighting-Strategien. Irgendwann fragte ich mich: „Glaube ich jetzt nicht mehr an Gott, an Jesus Christus und sein Evangelium? Ist das mein Problem? Oder glaube ich nur nicht mehr dem, was diese Kirche über Gott sagt?“ Ich bin dann durch die Beschäftigung mit der Reformation und insbesondere Martin Luthers zu meinem ganz eigenen Turmerlebnis gekommen. Eigentlich habe ich das Gefühl meine Zeit in der NAK in geistiger Umnachtung, in einem geistigen Ödland oder Gefängnis verbracht zu haben. Hauptsächlich waren meine Kindheit und mein Erwachsenleben in der NAK von Zweifeln und Ängsten geprägt; Zweifel nicht gut genug zu sein, nicht genug Opfer zu bringen, Ängste wenn ich es einmal nicht in den Gottesdienst, zur Gesangsstunde schaffte (Stichwort: Segens- oder Gnadenentzug; eigentlich wurde eine Werksfrömmigkeit gepredigt und gefordert). Insbesondere das Verpassen des Abendmahls wurde für mich zum Prüfstein meines Glaubens: was wenn ich das Abendmahl verpasse und der Herr kommt? Die Angstspirale drehte sich einfach unaufhörlich weiter, bis ich einfach alles, was mit Gott oder Kirche zu tun hatte nur noch verweigerte. Dabei war ich allerdings zutiefst unzufrieden und so stellte ich mir irgendwann die obigen Fragen. Seitdem hat sich für mich eine ganz neue Welt im Glauben aufgetan. Zusammenfassend kann man es wohl so beschreiben: durch persönliches Fehlverhalten der Kirche und der in ihr tätigen Amtsträger hat mich meine Unzufriedenheit und meine Verzweiflung zum mündigen Glauben geführt. Im Grunde ist nicht meine persönliche Enttäuschung über einzelne Ungerechtigkeiten ausschlaggebend für meinen Austritt gewesen, sondern die Erkenntnis, dass ich das was in der NAK gelehrt wird eigentlich nicht glaube bzw. ich sogar denke, dass es in gravierenden Punkten dem Evangelium widerspricht.
Musikuss versucht aus meiner Sicht deinen Beitrag unzulässig zu relativieren: Früher war das vielleicht hie und da mal so, aber heute ist alles ganz anders...
Es wird im Grunde keine Verantwortung für Fehler übernommen. Es gibt keinerlei offene Aufarbeitung oder gar aufrichtige Reue, sondern nurmehr Lippenbekenntnisse. Ich komme zu diesem Schluss, weil die Kirchenleitung immer, wenn Fehlverhalten angesprochen oder thematisiert wird nach wie vor mauert - relativiert wie du sagst - und versucht Verantwortung auf die Betroffenen abzuwälzen. Außerdem unternimmt sie kaum etwas, um effektiv vorzubeugen oder sich auf einen offenen Dialog einzulassen. Da werden Betroffene dann in Vier-Augen-Gesprächen von verschiedenen Amtsträgern „bearbeitet“, seelsorgerliche Gespräche werden ohne Einverständnis innerhalb des Amtsträgerkreises weitergegeben und die, die sich des Fehlverhaltens schuldig gemacht haben, gehen unbehelligter Dinge den schönen geraden, neuapostolischen Weg. Betroffene werden marginalisiert und ausgegrenzt, Täter hofiert. Das wurde über Jahrzehnte so gehandhabt und nach wie vor wird darüber der Mantel des Schweigens gedeckt. Und, lieber Musikuss nichts für ungut, genau dieses Verhalten spricht auch aus einigen Stellen deines Beitrags. Man will nichts gesehen und von nichts gewusst haben; es waren immer die anderen. Und wenn es dann doch passiert, dass Mitgliedern das Leben verbaut wird – tja, warum lassen die sich auch dreinreden? Irgendwie ist man in der NAK, wenn man wirklich an deren Lehren glaubt und diese versucht umzusetzen, immer der reinen Willkür ausgesetzt. Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?
Mag sein, aber dann halt in anderer Form und auf subtilere Weise.
Hier kommt die spezifisch neuapostolisch tradierte Symbolik und Bildsprache zum Tragen. Das ist eine an vielen Stellen alarmierend manipulative Sprechweise, die man in vielen - viel zu vielen - Gottesdiensten oder auch im persönlichen Gespräch nach wie vor antrifft. Hier kann man ganz einfach Zusammenhänge triggern ohne sich nach außen die Hände schmutzig zu machen. In dem Zusammenhang habe ich mich übrigens vor kurzem gefragt, warum eigentlich so wenig neuapostolische Gottesdienste online übertragen werden? Also frei zugänglich online, z.B. auf YouTube, wie es auch während Corona gehandhabt wurde. Stattdessen wird da umständlich mit iptv und Zugangscodes hantiert - muss das wirklich sein? Warum denn? Man müsste doch froh sein, die neuapostolische Botschaft für alle zugänglich zu machen. Das ist doch der Sendungsauftrag Jesu Christi! Das ist doch die sichere Bank zum Heil! Warum wird das so verdruckst gehandhabt? Da sind die katholische und evangelische Kirche nicht so verhalten. Auch wüsste ich gerne, kann es aber nicht nachprüfen, inwiefern die Gottesdienstberichte in der neuapostolisch wortgetreu wiedergegeben werden?
Doch, es ist absolut und autokratisch. So sehe ich das ebenfalls.
Ich finde dafür auch nach langem Nachdenken keine andere Begrifflichkeit.
Siehst du?! Was für eine Verblendung, Selbstherrlichkeit und geistlicher Missbrauch. Dieser Mist wird von sogenannten Aposteln den eigenen Schäfchen eingeflöst:
Wenn ihr bei uns bleibt und uns folgt, werdet ihr selig werden. Aus meiner Sicht Missbrauch und Irreführung zugleich; und in Reinform.
Ja, ich stimme dir auch hier zu. Das ist eben das Resultat aus der „(…) Heilsnotwendigkeit des Apostelamts [ist] aus NAK-Sicht die ‚sichere Bank‘ “ wie Musikuss in seinem Beitrag schrieb.
Das Machtsystem NAK hat sich nicht gewandelt und wird sich nicht wandeln. Es kann sich nicht wandeln - es hat sich lediglich neue Kleider zugelegt.
Genau das ist ja das grundlegende Problem: wie soll sich dieses System mit dem Anspruch, dass es für sich und sein Apostelamt erhebt, ändern? Das ist für mich als proklamierte die katholische Kirche auf einmal: „Ach ja, wir brauchen eigentlich gar keinen Papst. Apostolische Sukzession haben wir wohl zweitausend Jahre überbewertet. Wir wollen jetzt flache Hierarchien und ein Priestertum aller Gläubigen.“
Und dazu fallen mir zwei weitere Sätze ein:
  • "Der Wolf im Schafspelz" und
  • "Des Kaisers neue Kleider"
Ja, auch hier stimme ich dir zu. Ich halte vieles von dem, was als Reform deklariert wird, für Kosmetik. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich manchmal den Eindruck gewinne, dass einige Amtsträger, auch auf höheren Ebenen, mit diesen „Reförmchen“ (frei nach den bekannten „Gebötlein“ Richard Fehrs) Bauchschmerzen haben. Und zwar nicht, weil ein konservativer Habitus sich an ihnen stößt, sondern weil sie im Grunde Schwierigkeiten haben, dieses widersprüchliche Lehrgerüst mit dem Evangelium in Einklang zu bringen. Kann auch sein, dass das nur mein Eindruck ist, aber manchmal habe ich, aus der Außensicht wohlgemerkt, das Gefühl es gärt an vielen Stellen.
P.S.: Auch bei der FeG kann ich das Wort "Frei" nicht nachvollziehen. Für mich persönlich wäre das vom "Regen in die Traufe" ...
Wieder Zustimmung: auch bei der FeG wird vielerorts ein Evangelium der Angst und der Ausgrenzung gepredigt, dass die eigenen Gläubigen über andere erhebt und gleichzeitig begrenzt, alles unter dem Deckmantel der Familiarität und starken Gruppenzugehörigkeit; manchmal kann man hier ein regelrechtes Lovebombing erleben - meiner Meinung nach sind dies sektenähnliche Manipulationsstrategien. Auch die Exegese, die die FeG an vielen Stellen betreibt, halte ich persönlich für kontrovers. Aber das ist wieder ein eigenes Thema. Sicherlich ist die evangelische Landeskirche nicht der Himmel auf Erden und auch hier finden sich keine rein paradiesischen Zustände. Ich habe hier aber eine Offenheit, Akzeptanz und Toleranz kennengelernt, einen Mut sich mit schwierigen Themen auf allen Ebenen auf Augenhöhe auseinanderzusetzen – das sind Dinge, die ich nach allem, was ich in der NAK erlebt habe, wirklich von ganzem Herzen wertzuschätzen weiß.

LG

Viola

Holger F.
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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#25 Beitrag von Holger F. » 23.09.2024, 09:21

Andreas Ponto hat geschrieben:
18.08.2024, 22:37

Das Machtsystem NAK hat sich nicht gewandelt und wird sich nicht wandeln.
Lieber Andreas,

ich würde nicht vom „Machtsystem“ sprechen, sondern von einem „Organisationssystem“. Die Apostel der NAK strukturieren und organisieren Gemeinden und Bezirke… Dabei sind sie immer auf die Mithilfe der Gemeindemitglieder angewiesen, was mal besser und mal schlechter funktioniert. Das war immer so, ist so und wird auch so bleiben.

Man sollte also der NAK nicht so sehr vorwerfen, dass sie nicht evangelisch genug ist 😀, sondern das tun, was du getan hast, nämlich sich dem geistlichen Ort zuwenden, der einem gut tut.

Und darüber hinaus sollte man - das wird mir immer wichtiger - nicht vergessen, dass es das neuapostolische Umfeld in der Kindheit und Jugend war, das einem eine grundlegende christliche Sozialisation ermöglicht hat. Wäre ich in einer typischen landeskirchlichen Familie groß geworden, mir würde der christliche Glaube mit 90%iger Sicherheit überhaupt nichts bedeuten…

Grüße

Holger F.

P.S.1 Statt 90% hätte ich auch 99% schreiben können, das ist ja wohl die aktuelle landeskirchliche „Formellenrate“… 🙃
P.S.2 Ich warne davor, die „großen Kirchen“ durch die rosarote Brille anzuschauen. Dort verflüchtigt sich der christliche Glaube in atemberaubender Geschwindigkeit…

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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#26 Beitrag von Andreas Ponto » 26.09.2024, 15:36

Holger F. hat geschrieben:
23.09.2024, 09:21
Andreas Ponto hat geschrieben:
18.08.2024, 22:37

Das Machtsystem NAK hat sich nicht gewandelt und wird sich nicht wandeln.
... nicht vom „Machtsystem“ sprechen, sondern von einem „Organisationssystem“. Die Apostel der NAK strukturieren und organisieren Gemeinden und Bezirke…

...
Hallo Holger,

da bin ich nicht bei dir.

Sog. Apostel der NAK führen zum einen eine Organisation - aus meiner Sicht unter dem Deckmantel der KdÖR ein gewinnorientiertes Unternehmen. Aber das müssen rechtlich gesehen andere beurteilen. Ist halt wie mit vermeintlichen Stiftungen.

Zum anderen sind sie, die sog. Apostel der NAK gleichzeitig nach eigener Darstellung für alle Menschen, die leben und jemals gelebt haben und leben werden der einzig reguläre und legitime Weg und Möglichkeit zum Heil und beanspruchen daraus abgeleitet für sich gegenüber den Mitgliedern der NAK die absolute geistige Autorität.

Zudem sind die sog. Apostel der NAK theologische, soziologische, pädagogische und seelsorgerliche Laien und absolute Dilettanten.
Die NAK selbst ist stolz darauf, da ja u.a. deswegen und per se von Gott und dem Heiligen Geist inspiriert - und aus deren Sicht andere eben nicht.

Nicht eine Menschenseele noch ein Individuum würde ich in seinem Sein der NAK und speziell deren sog. Aposteln anvertrauen wollen - auch nicht zur Sozialisation.
Unabhängig davon, dass es durchaus nette Kerle, gute und/oder gerissene Geschäftsmänner, tolle Familienväter, und, und, oder, oder ..., die ganze Bandbreite eben, sein können.

Ich für mich stelle fest, dass der Begriff Machtsystem es ganz gut trifft und der Begriff geistliches Missbrauchssystem sich gut dazu gesellt - organisatorisch, systematisch, strukturell.
Und damit sage ich nichts zu und im Vergleich mit anderen Sekten, Glaubensgemeinschaften, Kirchen und Religionsgemeinschaften, wo es das so und anders alles geben kann und sicherlich auch gibt.

Unabhängig davon, dass ich meinen Weg gehe, ist es nach meiner persönlichen Ansicht notwendig, dass vor solchen geistlichen Missbrauchs- und Machtsystemen gewarnt werden muss.
Zu lange war ich selbst hoch aktiver Teil dieses Systems.

Deinen Versuch der Verharmlosung ("Organisatiosnsystem ...") kann ich nicht gelten lassen. Und so zu tun, als ob man halt einfach zwischen grünen, roten oder blauen Socken wählt / wählen kann, ebenfalls nicht.
Es ist auch hier der subtile Versuch die Verantwortung für seine Sozialisation und erfahrenem geistlichen Missbrauch jedem in die eigenen Schuhe zu schieben: du kannst doch wählen und einfach gehen...

Von niemandem erwarte ich, dass er protestantisch oder evangelisch ist oder einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehört.
Bereits bei meinem Wechsel war mir bewusst, dass es keine perfekte Gemeinschaft oder Organisation geben wird und kann. Für mich war es schlicht die ehrlichste Form.

Dass du landeskirchlich sozialisierten Menschen den Glauben mit einer Quote von bis zu 99% absprichst, raubt einem den Atem und diqualifiziert dich aus meiner Sicht.
Frage: Was sagt Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und vermeintliche Aktivität/Inaktivität über den Glauben eines Menschen aus?

In die Ev. Landeskirche habe ich doch tatsächlich auf so ziemlich allen Ebenen einen sehr tiefen Einblick bekommen:
Menschlich, persönlich, geschäftlich, familiär - als Gläubiger, als Prädikant, als Theologiestudent, als Gemeindemitglied, als Kirchengemeinderat, als Mitglied und Aufsichtsrat einer Diakonischen Einrichtung, als EDV-Sachgebiets- und Projekt-Leiter in der Verwaltung einer Landeskirche, als Teilnehmer einer Fortbildung für weibliche (sic!) Angestellte zur Führungskraft in kirchlich/diakonischen Spitzenpositionen, ...
Glaub mir, ich habe ein sehr realistisches Bild dazu geschenkt bekommen und gewonnen - ganz ohne rosarote Brille.

Mein Anspruch ist inzwischen vermeintlich banal geworden: Nämlich, dass der Mensch sich selbst und jeglichem Gegenüber als Mensch begegnet.

Dass ein Mensch das lernen darf und es in der Folge auch tun kann und tut, das ist dann doch nicht mehr so banal.
Das meine ich sehr ernst.

LG
Andreas

Holger F.
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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#27 Beitrag von Holger F. » 27.09.2024, 12:53

Lieber Andreas,

ich bin überrascht von deinen gelegentlichen emotionalen Äußerungen, die zu erzeugen gar nicht meine Absicht war… Um mich nicht zu verzetteln, schreibe ich einige Anmerkungen ohne diese in epischer Breite aufzufächern.

<< Sog. Apostel der NAK führen zum einen eine Organisation - aus meiner Sicht unter dem Deckmantel der KdÖR ein gewinnorientiertes Unternehmen. Aber das müssen rechtlich gesehen andere beurteilen. Ist halt wie mit vermeintlichen Stiftungen.<<

1 Die Geistlichen der NAK nennen sich – wie auch die Geistlichen vieler anderer Gemeinschaften – „Apostel“. Zu meinem eigenen Erstaunen haben in ökumenischen Veranstaltungen weder evangelische noch katholische Geistliche ein Problem damit, diese Amtsbezeichnung zu verwenden. Das ist auch gut und richtig so…

2 Die Körperschaftsrechte der NAK sind kein „Deckmäntelchen“ (für was auch immer). Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften können auf Antrag Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, sofern sie „grundgesetzloyal und auf Dauer und Repräsentanz angelegt sind“ (Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland). Seit vielen Jahrzehnten ist das für die NAK der Fall und völlig unstrittig…

3 Anders als die Landeskirchen erhebt die NAK, wie du weißt, keine Kirchensteuern. Es wäre fatal, würde die NAK – so wie viele evangelische Landeskirchen und katholische Bistümer permanent Verluste erwirtschaften. Meine erheblichen – wenn auch laienhaften – Einblicke in die NAK-Finanzen sind überaus positiv (und ja, ich kenne die Finanz-Skandale aus NRW, Niederlande und Südafrika)…

<< Zum anderen sind sie, die sog. Apostel der NAK gleichzeitig nach eigener Darstellung für alle Menschen, die leben und jemals gelebt haben und leben werden der einzig reguläre und legitime Weg und Möglichkeit zum Heil und beanspruchen daraus abgeleitet für sich gegenüber den Mitgliedern der NAK die absolute geistige Autorität.<<

4 Das Christentum erhebt gegenüber anderen Religionen einen Absolutheitsanspruch. Der Katholizismus – in einer sehr verfeinerten und durchaus überzeugenden Art – erhebt einen Anspruch auch und gerade gegenüber den protestantischen Kirchen… Der seitens der NAK erhobene Anspruch ist jedenfalls für die Kirchen der Ökumene kein Grund gewesen, die NAK nicht aufzunehmen. Seit ca. 20 Jahren verfolgt die NAK außerdem die Idee einer „Wohlfühlkirche“…

5 Was genau soll eine „absolute geistige Autorität“ sein? Richtig ist, dass die protestantischen Kirchen das Konzept des allgemeinen Priestertums der Gläubigen verfolgen, was jede hierarchische Abstufung von „geistlicher Autorität“ ausschließt. Die Katholische und auch die Orthodoxen Kirchen kennen darüber hinaus eine weitere Form des geweihten Priestertums. Die NAK-Vorstellungen sind dem nicht unähnlich – in der Zwischenzeit sogar in ihrer Dreigliedrigkeit…

<< Zudem sind die sog. Apostel der NAK theologische, soziologische, pädagogische und seelsorgerliche Laien und absolute Dilettanten.<<

6 Vorsicht! Die NAK verfügt seit vielen Jahren über (kirchen-) musikalische und pädagogische Spitzenkräfte. Die persönliche (sog. individuelle) Seelsorge hat aktuell einen guten Stand; die großen Kirchen könnten – so sie es denn wollten – all ihren Mitgliedern eine solche Seelsorge gar nicht bieten. Von „absoluten Dilettanten“ zu sprechen, halte ich für undifferenziert. Die Landeskirchen und Bistümer werden zukünftig froh sein, wenn sich mehr „Laien“ und „Dilettanten“ in der Kirche engagieren und zwar nicht nur zum Kuchenbacken für´s Pfarrfest, sondern auch auf Leitungsebene…

<< Die NAK selbst ist stolz darauf, da ja u.a. deswegen und per se von Gott und dem Heiligen Geist inspiriert - und aus deren Sicht andere eben nicht.<<

7 Das stimmt schon lange nicht mehr. Die Kirchenleitung weiß um die Defizite theologischer Bildung ihrer Amtsträger, hat diese immer wieder auch thematisiert und zahlreiche Fortbildungsformate installiert. Darüber hinaus gibt es viele, die sich privat ein sehr profundes biblisches und theologisches Fundament erarbeitet haben, eines das nicht selten so tragfähig ist wie das von Religionslehrern der allgemeinbildenden Schulen…

<< Nicht eine Menschenseele noch ein Individuum würde ich in seinem Sein der NAK und speziell deren sog. Aposteln anvertrauen wollen - auch nicht zur Sozialisation.<<

8 Es ist dein gutes Recht, diese Meinung zu vertreten. Aber obwohl ich seit 30 Jahren kein Mitglied der NAK mehr bin, würde ich hier kritisch anmerken, dass Kinder und Jugendliche zu weiten Teilen auch und vor allem den großen Kirchen längst den Rücken gekehrt haben. Und das ist keine Meinung, sondern statistische Realität…

<< Unabhängig davon, dass es durchaus nette Kerle, gute und/oder gerissene Geschäftsmänner, tolle Familienväter, und, und, oder, oder ..., die ganze Bandbreite eben, sein können.<<

9 Das klingt ein wenig herablassend. Richtig ist, dass neuapostolische Amts- und Funktionsträger (wie auch die vielen Funktionsträger z.B. der Baptisten) über ein breites Spektrum an Lebenserfahrung verfügen (oft gepaart mit sehr guter beruflicher Expertise und beachtlicher Führungserfahrung), die sie – unendgeltlich – den Mitgliedern zur Verfügung stellen…

<< Ich für mich stelle fest, dass der Begriff Machtsystem es ganz gut trifft und der Begriff geistliches Missbrauchssystem sich gut dazu gesellt - organisatorisch, systematisch, strukturell.<<

10 Der Begriff „Machtmissbrauch“ ist wissenschaftlich unklar und ein typischer Containerbegriff. Ich bin einmal die Checkliste für kritische Anzeichen von geistlichem Missbrauch des Bistums Münster durchgegangen. Vieles davon trifft zum Teil auf die NAK zu, wie ich sie vor 30 bis 40 Jahren kennengelernt habe. Man muss aber m.E. schon sehr voreingenommen sein, die Veränderungen innerhalb der NAK zu ignorieren und den Zustand dieser Kirche mit dem Begriff „geistliches Missbrauchssystem“ zu charakterisieren…

<< Deinen Versuch der Verharmlosung ("Organisatiosnsystem ...") kann ich nicht gelten lassen. Und so zu tun, als ob man halt einfach zwischen grünen, roten oder blauen Socken wählt / wählen kann, ebenfalls nicht. Es ist auch hier der subtile Versuch die Verantwortung für seine Sozialisation und erfahrenem geistlichen Missbrauch jedem in die eigenen Schuhe zu schieben: du kannst doch wählen und einfach gehen...<<

11 Halt stop, lieber Andreas, hier gehst du m.E. zu weit! Ich schiebe niemandem irgendetwas in die Schuhe und ich war nie aktives „Element“ der NAK. Im Gegenteil. Ich versuche seit meinem Ausstieg aus der NAK nur, ihre weitere Entwicklung halbwegs objektiv wahrzunehmen und zu beschreiben. Ein Teil meiner Familie ist wieder lutherisch, ein anderer Teil katholisch und eben einige auch noch neuapostolisch. Man kann also wählen…

<< Dass du landeskirchlich sozialisierten Menschen den Glauben mit einer Quote von bis zu 99% absprichst, raubt einem den Atem und diqualifiziert dich aus meiner Sicht. Frage: Was sagt Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und vermeintliche Aktivität/Inaktivität über den Glauben eines Menschen aus?<<

12 Über die Quote können wir sicher streiten, aber über die Austrittszahlen und die allgemeine Verdunstung des christlichen Glaubens in Deutschland nicht. Das ist schon fast eine Binse…
Ich kenne die Argumentation gut genug: Die treten alle aus der Kirche aus, sind aber gläubige Christen; die gehen zwar nicht in die Kirche, führen aber ein zutiefst christliches Leben…

Nein so ist es nicht! Die Menschen verlassen zuhauf die Kirche und nehmen nicht mehr an ihren gottesdienstlichen Vollzügen teil, weil ihnen der Glaube egal geworden ist, schlicht nichts mehr bedeutet. Und ja: es gibt Ausnahmen, Christen, die mit ihrem Austritt ein Zeichen setzen wollen… Aber das sind eben: Ausnahmen…

Ein Beispiel: Sollten die oft vermuteten Gründe, die dazu führen, dass ein Katholik die Kirche verlässt, stimmen, dann müssten die Evangelischen Kirchen bzw. die Altkatholiken sich vor lauter Eintritten nicht mehr retten können. Ist aber nicht der Fall…

<< In die Ev. Landeskirche habe ich doch tatsächlich auf so ziemlich allen Ebenen einen sehr tiefen Einblick bekommen: … Glaub mir, ich habe ein sehr realistisches Bild dazu geschenkt bekommen und gewonnen - ganz ohne rosarote Brille.<<

13 Das glaube ich dir, widerspricht aber nicht meiner – ebenfalls sehr realistischen – Beschreibung über die Verdunstung des Glaubens… Die übrigens überall dort weniger drastisch ausfällt, wo es etwas „strenger“ zugeht, z.B. bei evangelisch-freikirchlichen oder evangelikalen Gruppen…

<< Mein Anspruch ist inzwischen vermeintlich banal geworden: Nämlich, dass der Mensch sich selbst und jeglichem Gegenüber als Mensch begegnet.<<

14 Damit wäre schon viel gewonnen. Die Anbindung an den Glauben und die Teilnahme an kirchlichen Vollzügen sollte – im besten Falle – diese Zielsetzung verstärken.

Vieler Grüße zurück

Holger
Zuletzt geändert von Holger F. am 27.09.2024, 19:43, insgesamt 7-mal geändert.

Viola
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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#28 Beitrag von Viola » 27.09.2024, 14:34

Hallo allerseits,

ich würde hier gerne kurz reingrätschen und noch einmal bezüglich ein paar Punkten aus deinem obigen Beitrag nachhaken:
Holger F. hat geschrieben:
27.09.2024, 12:53

6 Vorsicht! Die NAK verfügt seit vielen Jahren über (kirchen-) musikalische und pädagogische Spitzenkräfte. Die persönliche Seelsorge hat aktuell einen guten Stand; die großen Kirchen könnten – so sie es denn wollten – all ihren Mitgliedern eine solche Seelsorge gar nicht bieten. Von „absoluten Dilettanten“ zu sprechen, halte ich für undifferenziert. Die Landeskirchen und Bistümer werden zukünftig froh sein, wenn sich mehr „Laien“ und „Dilettanten“ in der Kirche engagieren und zwar nicht nur zum Kuchenbacken, sondern auch auf Leitungsebene…
Hier stellt sich mir die Frage woran du die von dir postulierte "gute" Qualität in der Seelsorge festmachst? Folgt das aus deiner persönlichen Erfahrung aus dem weiteren/näheren Umfeld oder gibt es da kirchenintern Erhebungen/Bewertungen auf die du Zugriff hast, insbesondere im Vergleich zu den anderen "großen" kirchlichen Gemeinschaften, die ihre Seelsorge professionalisiert haben?
Holger F. hat geschrieben:
27.09.2024, 12:53

7 Das stimmt schon lange nicht mehr. Die Kirchenleitung weiß um die Defizite theologischer Bildung ihrer Amtsträger, hat diese immer wieder auch thematisiert und zahlreiche Fortbildungsformate installiert. Darüber hinaus gibt es viele, die sich privat ein sehr profundes biblisches und theologisches Fundament erarbeitet haben, eines das nicht selten so tragfähig ist wie von Religionslehrern der allgemeinbildenden Schulen…
Dass Fortbildungen/Seminare stattfinden ist unbestritten. Das allein sagt aber noch nichts über die Qualität der darin vermittelten Inhalte aus. Gerade im Vergleich zur universitären theologischen Ausbildung oder der an einer staatlich anerkannten kirchlichen Hochschule. Ich will damit den Versuch nicht geringschätzen, denn es zeigt ja, wie du sagst, dass ein Bewusstsein dafür herrscht, dass ein gewisser Ausbildungsstand sich auf die seelsorgerliche Tätigkeit nicht nur positiv auswirkt sondern auch anerkennt, dass Seelsorger durchaus der Anleitung bedürfen wie schwierigen Situationen und Fragen begegnet werden kann. Mich würde in dem Zusammenhang nur interessieren von wem welche Erkenntnisse vermittelt werden und auf welcher Basis (wissenschaftlich und theologisch) diese gewonnen werden. Wenn man an NAK Gottesdiensten teilnimmt, oder sich z. B. gleich mehrere Gottesdienste auf Youtube ansieht, so sie denn verfügbar sind, oder Gottesdienstberichte in der NAK Zeitschrift (mir fällt ehrlich gesagt gerade nicht ein wie sie aktuell heißt) oder auf NAK Gemeindeseiten durchliest, muss ich ehrlich gesagt sagen, dass ich bisher noch in jedem landeskirchlichen Gottesdienst den ich besucht habe und in jeder landeskirchlichen Andacht an der ich teilgenommen habe, eine größere Tiefe und theologische Fundiertheit erlebt habe. Ich frage mich wirklich wo man all diesen in-depth NAK-Gottesdiensten und Veranstaltungen beiwohnen kann, vielleicht lebe ich tatsächlich in der falschen Ecke von Deutschland.
Holger F. hat geschrieben:
27.09.2024, 12:53

9 Das klingt ein wenig herablassend. Richtig ist, dass neuapostolische Amts- und Funktionsträger (wie auch die vielen Funktionsträger z.B. der Baptisten) über ein breites Spektrum an Lebenserfahrung verfügen (oft gepaart mit sehr guter beruflicher Expertise und beachtlicher Führungsverantwortung), die sie – unendgeltlich – den Mitgliedern zur Verfügung stellen…
Das klingt nun wiederum etwas herablassend den durchschnittlichen Mitgliedern gegenüber - brauchen die diese Anleitung von "Führungskräften"? Da stellt sich mir die Frage welche Vorstellung ich von christlicher Gemeinde und Gemeinschaft habe? Ein hierarchisches Gefälle in dem im Zweifel das Amt immer oberhalb der normalen Mitglieder angesiedelt ist? Oder eine Gemeinde im Sinne der Gleichwertigkeit, die den Gemeindemitgliedern Mündigkeit im Umgang mit ihrem eigenen Glauben vermittelt? Da gehört sicherlich auch die Frage nach der Notwendigkeit der priesterlichen Weihe, wie sie auch z.B. in der katholischen Kirche ganz fundamental praktiziert und verstanden wird, dazu.
Holger F. hat geschrieben:
27.09.2024, 12:53

10 Der Begriff „Machtmissbrauch“ ist wissenschaftlich unklar und ein typischer Containerbegriff. Ich bin einmal die Checkliste für kritische Anzeichen von geistlichem Missbrauch des Bistums Münster durchgegangen. Vieles davon trifft zum Teil auf die NAK zu, wie ich sie vor 30 bis 40 Jahren kennengelernt habe. Man muss aber m.E. schon sehr voreingenommen sein, die Veränderungen innerhalb der NAK zu ignorieren und den Zustand dieser Kirche mit dem Begriff „geistliches Missbrauchssystem“ zu charakterisieren…
Und hier stellt sich mir wieder die Frage danach was genau sich denn - im Detail - verändert hat im System NAK im Vergleich zu den letzten 30-40 Jahre? Ja, es gibt Bewegung in den Lehrmeinungen. Ja, es gibt eine Bewegung hin zu größerer Professionalisierung. Ja, es gibt nun den Katechismus und die Bemühung mit anderen Religionsgemeinschaften in einen Dialog zu treten. Das ist wohl alles richtig. Aber was hat sich denn im Detail in der Beziehung des durchschnittlichen Gemeindemitglieds zu seinen "Vorangängern" geändert? Was hat sich im Umgang mit Mitarbeitenden geändert, verbessert? Wo werden diese angenommenen Verbesserungen denn festgehalten und vermittelt? Wo und wie werden denn genau die Mitglieder vor übergriffigem Verhalten, im persönlichen Bereich, im seelsorgerlichen Bereich, im pädagogischen Bereich, geschützt? Und von wem? In Summe also wüsste ich wohl gerne wie genau die "checks and balances" innerhalb der NAK denn genau aussehen und wo diese festgehalten sind. Die Frage die sich mir hier auf persönlicher Ebene stellt, ist: wären meine Kinder innerhalb der NAK vor ähnlichen Übergriffen und Herabwürdigungen, wie ich sie erlebt habe, heute besser geschützt? Ich beantworte diese Frag für mich, nach wie vor, mit einem klaren Nein.

Darüber hinaus - du sagst "Machtmissbrauch" sei ein "wissenschaftlich unklarer, typischer Containerbegriff" - dem möchte ich widersprechen, denn ich halte dies für eine unzulässig wertende Beschreibung. Ich denke die Strukturen von Machtmissbrauch, welches ein Oberbegriff ist unter dem verschiedene Ausformungen in unterschiedlichen Bereichen zusammengefasst werden, sind sehr gut wissenschaftlich untersucht und ihre Konsequenzen für Gemeinschaften und den Einzelnen belegt. Und zwar u.a. historisch, soziologisch, kulturell und mittlerweile auch theologisch. Ich glaube es widerstrebt nur nach wie vor einigen religiösen Gemeinschaften und deren Mitgliedern der Wahrheit ins Gesicht zu sehen: geistlichen Machtmissbrauch kann es eben überall geben, jede religiöse Gemeinschaft kann diesem anheim fallen. Der Unterschied im Umgang mit diesem ist einfach: erkenne ich das Risiko an, dass mein Verhalten und das Verhalten meiner Gemeinschaft darstellen kann für das persönliche (Glaubens-) Leben? Und welche Konsequenzen bzw. vorbeugende Maßnahmen ziehe ich daraus? Das ist sicherlich umso schwieriger je hierarchischer eine Gemeinschaft aufgestellt ist. Ehrlich gesagt ist das aber auch ein Problem was ich persönlich nicht nur mit der NAK habe sondern z.B. auch mit der katholischen Kirche. Allerdings denke ich beschäftigt sich die Katholische Kirche in Deutschland weitaus intensiver mit der Implementierung von "checks and balances".

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Re: NAK - Macht und Freiheit: Erfahrungen und Interpretationen eines Ex-Priesters der NAK Taschenbuch von Markus Lechner

#29 Beitrag von Holger F. » 27.09.2024, 18:59

Hallo Viola,

danke fürs Reingrätschen.

<< Hier stellt sich mir die Frage woran du die von dir postulierte "gute" Qualität in der Seelsorge festmachst? Folgt das aus deiner persönlichen Erfahrung aus dem weiteren/näheren Umfeld oder gibt es da kirchenintern Erhebungen/Bewertungen auf die du Zugriff hast, insbesondere im Vergleich zu den anderen "großen" kirchlichen Gemeinschaften, die ihre Seelsorge professionalisiert haben?<<

Gute Seelsorge bedeutet für mich zunächst einmal, dass man „seine Schäfchen“ kennt und weiß, was sie bewegt. Das ist naturgemäß in kleinen Gemeinschaften immer viel besser möglich als in großen. Die kirchlichen Zusammenhänge, in denen ich mich bewege, sind durch die Umsetzung der sog. Pfarrentwicklungsprozesse und dem z.T. dramatischen Personalmangel so, dass kaum mehr eine persönliche Beziehung möglich ist…

In Situationen, die besondere Seelsorge nötig machen (z.B. Todesfall), habe ich auch keine „bessere“ Seelsorge erfahren. Natürlich verfügen die großen Kirchen über Caritas und Diakonie und diese Institutionen sollte man nicht missen. Aber die Seelsorge, die von Pfarrern bzw. Pastoren bzw. Pastoralreferenten ausgeht, ist nach meiner Beobachtung auch nicht persönlicher/ professioneller als in der NAK...

Die Ausbildung von professionellen Trauerbegleitern in der NAK und die persönliche Ansprache bei angemeldeten Seelsorgebedarf sollte man nicht kleinreden. Ebenso gab es in der Gebietskirche Westdeutschland eine professionelle Abfrage und Auswertung zur persönlichen Seelsorge…

Worauf ich hinaus will: Die Seelsorge der kleinen Gemeinschaften/ NAK ist IMO aktuell nicht besser oder schlechter, sondern vor allem anders als in den großen Kirchen.

<< Dass Fortbildungen/Seminare stattfinden ist unbestritten. Das allein sagt aber noch nichts über die Qualität der darin vermittelten Inhalte aus. Gerade im Vergleich zur universitären theologischen Ausbildung oder der an einer staatlich anerkannten kirchlichen Hochschule. <<

Ich kann die Hochbewertung universitärer theologischer Ausbildung in der Zwischenzeit und aus eigener Anschauung nicht mehr uneingeschränkt teilen. Vielleicht kennst du z.B. die Diskussion um die Theologenausbildung im Bistum Köln. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick in die Priesterausbildung (!) der Orthodoxie…

Damit möchte ich keineswegs die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines professionellen Hintergrundes in Frage stellen, aber doch zu bedenken geben, dass ein Theologiestudium nicht alles ist…

<< Mich würde in dem Zusammenhang nur interessieren von wem welche Erkenntnisse vermittelt werden und auf welcher Basis (wissenschaftlich und theologisch) diese gewonnen werden. <<

Das kann aktuell sicher nur bruchstückhaft dargestellt werden, da es auch von Bezirk zu Bezirk bzw. von Gebietskirche zu Gebietskirche anders ist. Aber die mündliche Weitergabe von hilfreichem Wissen und gemachten Seelsorgeerfahrung sollte man nicht gering schätzen (und versteht sich eigentlich von selbst), immerhin gibt es die NAK nicht erst seit gestern und man hat es hier nicht mit – sorry – Vollpfosten zu tun (der Eindruck wird ja manchmal erweckt)…

<< Wenn man an NAK Gottesdiensten teilnimmt, oder sich z. B. gleich mehrere Gottesdienste auf Youtube ansieht, so sie denn verfügbar sind, oder Gottesdienstberichte in der NAK Zeitschrift (mir fällt ehrlich gesagt gerade nicht ein wie sie aktuell heißt) oder auf NAK Gemeindeseiten durchliest, muss ich ehrlich gesagt sagen, dass ich bisher noch in jedem landeskirchlichen Gottesdienst den ich besucht habe und in jeder landeskirchlichen Andacht an der ich teilgenommen habe, eine größere Tiefe und theologische Fundiertheit erlebt habe.<<

Das würde ich sofort unterschreiben und wäre ja wohl auch erstaunlich, wenn dem nicht so wäre… Allerdings lässt sich das auch so beleuchten: in protestantischen Gottesdiensten sind Predigt und Gottesdienst fast Synonyme, in katholischen Gottesdiensten (in orthodoxen noch viel mehr) ist das anders, da steht die Anbetung Gottes und die Eucharistiefeier im Mittelpunkt, die Predigt kann da durchaus entfallen. Und ich empfinde Predigten, die politisch werden, ohnehin als übergriffig…

Mir scheint die Predigtqualität in der NAK nicht so schlecht zu sein wie ihr Ruf und sie war auch nie so schlecht, wie man (auch ich) früher gerne geunkt hat. Zumindest ist erstaunlich viel Gutes haften geblieben – so muss ich jedenfalls jetzt im Alter feststellen…

Über die Spezifika neuapostolischer Predigtpraxis ließe sich eigens diskutieren, aber auch hier darf nicht der Vergleich mit einer typischen landeskirchlichen Predigt der Maßstab sein, an dem sich christliche Predigt zu orientieren hätte…

<< Das klingt nun wiederum etwas herablassend den durchschnittlichen Mitgliedern gegenüber - brauchen die diese Anleitung von "Führungskräften"? <<

Hä? Das durchschnittliche Gemeindemitglied ist doch meistens nicht weniger „gebildet“. Ich wollte lediglich erläutern, dass Amtsträger der NAK im Vergleich zu den landeskirchlichen Pfarrern beruflich keine Deppen sind. Und ich habe schon so manchen Pfarrer/ Pastor erlebt, der hervorragend predigen konnte, aber in administrativer Hinsicht (und manchmal auch in zwischenmenschlich) fast ein Totalausfall war.

<< Ein hierarchisches Gefälle… <<

Auch aus meiner früheren neuapostolischen Erfahrung heraus muss ich sagen, dass ich diese Sichtweise noch nie so ganz verstehen konnte, was die Amtsträger einer Gemeinde betrifft, das war zumeist ein gutes Miteinander. Mein Problem hatte ich in der Regel mit höheren Amtsträgern/ Aposteln, die damals geistliches Wissen/ geistliche Erkenntnisse vorgauckelten, die sie de facto nicht hatten…

<< Und hier stellt sich mir wieder die Frage danach was genau sich denn - im Detail - verändert hat im System NAK im Vergleich zu den letzten 30-40 Jahre?... <<

Meiner Beobachtung nach ist es die grundsätzliche Öffnung der Kirche. Die Kirche ist nur noch ein Teil des sozialen Umfeldes ihrer Mitglieder. Früher war man mit Haut und Haaren in jeder freien Stunde in der Kirche oder zu Hause. Kontakte zur „Welt“ oder mit „Weltmenschen“ waren nicht gern gesehen, notwendige Kontakte sollten genutzt werden, um den Weltmenschen Vorbild zu sein und sie vom neuapostolischen Glauben zu überzeugen. Man selbst orientierte sich am Idealbild des „Erstlings und Überwinders“…

Davon ist nichts mehr übrig geblieben. Kinder- und Jugendarbeit hat sich professionalisiert; für die Seniorenarbeit hat man eine gute Organisationsform gefunden. Die musikalische Arbeit hat sich ausdifferenziert und spezialisiert. Es wird mehr Wert darauf gelegt, dass ein Amtsträger mit Leitungsaufgaben auch die entsprechenden Fähigkeiten bzw. (Berufs-) Erfahrungen besitzt…

<< Was hat sich im Umgang mit Mitarbeitenden geändert, verbessert? Wo werden diese angenommenen Verbesserungen denn festgehalten und vermittelt? Wo und wie werden denn genau die Mitglieder vor übergriffigem Verhalten, im persönlichen Bereich, im seelsorgerlichen Bereich, im pädagogischen Bereich, geschützt? <<

Das klingt ja fast so, als sei übergriffiges Verhalten in der NAK an der Tagesordnung… Fähigkeiten werden, wie gesagt, in zahlreichen Seminaren vermittelt, für übergriffiges Verhalten stehen zumeist Telefonnummern von Fachfrauen und -männern zur Verfügung…

<< wären meine Kinder innerhalb der NAK vor ähnlichen Übergriffen und Herabwürdigungen, wie ich sie erlebt habe, heute besser geschützt? Ich beantworte diese Frag für mich, nach wie vor, mit einem klaren Nein. <<

Das kann ich gut verstehen. Obwohl meine Kinder getauft wurden (natürlich nicht in der NAK), habe ich sie nicht eine Sekunde lang genötigt, in die Kirche zu gehen oder sich mit Religion zu beschäftigen, wenn sie das nicht wollten – vermutlich aus ähnlichen Erfahrungen, die du da angedeutet hast, die ich auch in anderen Konfessionen nicht ausschließen wollte/ konnte…

<< Darüber hinaus - du sagst "Machtmissbrauch" sei ein "wissenschaftlich unklarer, typischer Containerbegriff" - dem möchte ich widersprechen, denn ich halte dies für eine unzulässig wertende Beschreibung…. <<

Das Thema ist zu umfassend als dass ich mir zutraue, das in drei oder vier Sätzen abzuhandeln. Jedenfalls halte ich geistlichen Machtmissbrauch eben nicht für klar definiert, auch wenn jeder eine ungefähre (!) Vorstellung davon zu haben glaubt. Für mich persönlich liegt der Begriff in der Nähe des klassischen Sektenbegriffs…

Viele Grüße
Holger

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