Gottverlassenheit

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Lobo

Gottverlassenheit

#1 Beitrag von Lobo » 08.09.2009, 10:03

Sonntag, 06.09.2009
Papst Benedikt XVI. in der Diözese Viterbo
...Wer in die Wüste der Gottesverlassenheit gerate, erblinde und könne die Wirklichkeit nicht mehr erkennen. Seine Ohren würden taub und könnten den Schrei dessen nicht mehr vernehmen, der um Hilfe flehe; das Herz verhärte sich; man werde gleichgültig und egoistisch. Aber es gebe eine Rettung aus dieser Wüste: das Leben in Christus...
Was bedeutet hier der Begriff der Gottverlassenheit? Sind nur die Menschen gut, die an Gott glauben? Und was bedeutet hier die Aussage -das Leben in Christus-, wenn sich an seine radikalen Aussagen doch keiner hält; weichgespültes und gleichzeitig geschärftes christliches Leben?

Gruß
Lobo

tergram

#2 Beitrag von tergram » 08.09.2009, 11:09

Lieber Lobo,

ich kann dir nicht theologisch fundiert antworten. Ich weiss auch nicht, wie der Sprecher das gemeint hat/haben könnte. Ich kann dir nur meine beschränkte Sehensweise mittteilen:

Wenn Gott existiert und auch nur annähernd so ist, wie wir uns das Unvorstellbare vorstellen, dann gibt es keine "Gottverlassenheit". Dann sind Gott, seine Liebe, "das Heil" so umfassend und allmächtig, dass wir Gott gar nicht dauerhaft verlassen können. Die größte uns drohende Gefahr wäre also, dass Gott uns verlässt.

Die permantente Halb-Drohung mit "wenn wir uns von ihm abwenden, wird es finster um uns her" wird in unterschiedlichen Schattierungen von allen Kirchen immer mal wieder ins Spiel gebracht. Vielleicht will man schlichtweg die Schafe bei den Hirten halten...

Wenn Gott, wenn "das Heil" von uns durch Wohlverhalten erworben werden müssten, dann hätten wir allesamt schon verloren. (Dann wäre es auch völlig egal, ob Gott existiert.)

Der Gedanke an einen liebenden, alles "wieder gut" machenden Gott lässt uns Menschlein die Ungerechtigkeit dieses Lebens ertragen. So bewahren wir uns die Hoffnung, dass am Ende die Ungerechtigkeit, das Leid, der Tod eben nicht das letzte Wort behalten.

Es handelt sich ehrlicherweise um eine Hoffnung - nicht um Gewissheit.

Was das "Leben in Christus" angeht, sollte man die fragen, die dieses Leben leben - mit allen unangenehmen Konsequenzen. Beispielsweise die Frauen und Männer aller Kirchen, die sich "am Menschen" um die kümmern, die sich nicht um sich selbst kümmern können - Alte, Kranke, Behinderte, Sterbende, Arme, Hungernde, ..., ... Die den Anblick und den Geruch des Elends ertragen, ohne wegzulaufen und in die komfortable Zivilisation zu flüchten.

Kirchenführer aller Schattierungen halte ich da für eine nicht so erfahrene Adresse...

42

#3 Beitrag von 42 » 08.09.2009, 12:33

...Wer in die Wüste der Gottesverlassenheit gerate, erblinde und könne die Wirklichkeit nicht mehr erkennen. Seine Ohren würden taub und könnten den Schrei dessen nicht mehr vernehmen, der um Hilfe flehe; das Herz verhärte sich; man werde gleichgültig und egoistisch. Aber es gebe eine Rettung aus dieser Wüste: das Leben in Christus...
Hat der Papst die Predigt des Stammapostels in Uganda zur Vorlage genommen oder womoeglich umgekehrt?

Christ im Dialog zitiert:
"Wir stehen auf einem Felsen. Ich erinnere daran, dass Jesus einst zu Petrus sagte: 'Du bist Petrus, und auf diesen Felsen ...(Matth. 16.18 )' . Wir, als die Gemeinde, stehen auf dem Felsen. Solange wir mit diesem Felsen verbunden sind, haben wir Kraft. Diese Kraft befähigt uns, den Teufel zu überwinden, ja alle Geister zu bezwingen. Aber wenn man nicht mehr auf dem Felsen steht, wenn es anderen Mächten gelingt, diese Verbindung zu unterbrechen, dann verliert man sofort seine Kraft. Dann ist man nicht mehr gesegnet. Dann verliert man den Glauben und kann die Liebe Christi nicht mehr wahrnehmen. Deshalb ist es so wichtig, auf diesem Felsen gegründet zu sein, mit dem Stammapostel verbunden zu bleiben, Verbindung mit Aposteln zu haben, so oft wie möglich in die Gottesdienste zu gehen. Stehen wir nicht mehr auf dem Felsen, sind wir unserer Kraft beraubt und werden zum Spielball der Geister.

Ich möchte euch deshalb die Botschaft ins Herz legen: Bleibt auf dem Felsen, fest verbunden mit dem vom Herrn gegebenen Amt! Lasst euch davon nicht trennen, denn dann hätten wir nicht mehr die Kraft, die wir brauchen, um für den Tag des Herrn würdig zu werden. Unser Vorsatz sei: Wir stehen auf dem Felsen und da bleiben wir. Wir lassen nicht zu,
dass irgendein Geist daran etwas ändert."
"Wir stehen der katholischen Kirche naeher als der evangelischen". Das kommt mir bei solchen Parallel-Texten in den Sinn.

Auch ich kann nicht theologisch fundiert darauf eingehen, mir erscheint aber die Rechtfertigungslehre Luthers in einem Spannungsverhaeltnis zu diesen Aussagen zu stehen.

Ja, tergram, "Darkness soon will gather 'round us if we turn away from him" (Lied 501; oder sollte der alte Liederdichter "Him" gemeint haben?) Ja, er hat, obwohl diese Grossschreibung heute angeblich im am. Sprachgebrauch nicht mehr so gebraeuchlich ist. Das englische GB stammt ja noch aus dem Jahr 1985.

Lobo

#4 Beitrag von Lobo » 08.09.2009, 13:43

tergram hat geschrieben:...ich kann dir nicht theologisch fundiert antworten...
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...Es handelt sich ehrlicherweise um eine Hoffnung - nicht um Gewissheit...
Hallo tergram,
ich glaube, dass so oder so ähnlich viele Christen denken, was absolut in Ordnung ist.
Nur die Unterstellung von Papst Benedikt, aber auch von anderen Kirchenführern, dass Menschen die ohne Gott leben automatisch hartherzig und egoistisch sind, zeugt von großem Hochmut. Das ist es, was das Christentum oft unerträglich macht.

tergram

#5 Beitrag von tergram » 08.09.2009, 17:06

Lobo hat geschrieben:Nur die Unterstellung von Papst Benedikt, aber auch von anderen Kirchenführern, dass Menschen die ohne Gott leben automatisch hartherzig und egoistisch sind, zeugt von großem Hochmut.
Die Unterstellung geht gelegentlich noch weiter: Man unterstellt, dass Menschen, die ohne Kirche leben, automatisch (auch) ohne Gott leben. Aber so lange es geglaubt wird...

Gaby

#6 Beitrag von Gaby » 09.09.2009, 07:40

>>Das Leben in Christus<<

Für mich ist das ganz einfach "kirchliche Sprache" ... so wie für Aussenstehende der NAK manche Predigtformulierungen gewöhnungsbedürftig oder gar unverständlich sind, so gibt es auch in der RKK regelmäßig wiederkehrende Formulierungen die einem Nicht-Katholiken manchmal seltsam vorkommen.

Die Formulierung >>Das Leben in Christus<< bezieht sich glaube ich auf folgende Bibelstelle:

>>22Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, daß ihr heilig werdet, das Ende aber ist das ewige Leben. 23Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HERRN.<< Römer 6, 18


Aber wenn man die ganze Predigt liest, hört sich das für mich nicht so an, als wenn der Papst (dem ich ziemlich kritisch gegenüberstehe, weil er dem Opus Dei Schützenhilfe gibt) mit dieser Predigt Atheisten unterstellen will, sie wären nicht gut, weil sie nicht an Gott glauben.

Wenn der Mensch nicht mehr in der Lage ist, mit Gott und den anderen zu sprechen, dann ist sein Herz die „tiefste Wüste“.

Als Geistlicher spricht er die Gläubigen an, die mutlos geworden sind und natürlich rät er diesen Gott zu vertrauen, das ist ja wohl letztlich seine Aufgabe.

>>Abschließend rief der Papst die Gläubigen dazu auf, sich nicht zu fürchten, wenn sich das Herz in der Wüste des Lebens verlieren sollte, und riet allen, sich Christus anzuvertrauen, „dem Erstgeborenen der neuen Menschheit: einer Familie aus Geschwistern in der Freiheit und in der Gerechtigkeit, in der Wahrheit und in der Liebe der Kinder Gottes“.

In dieser Predigt geht es einzig und allein um Christen, die das Vertrauen in Gott verloren haben, den Bezug zum Evangelium verloren haben.
Sich gegen "das Gute" im Menschen entschieden haben.
Dort steht nicht, dass sich JEDER der sich von Gott entfernt hat auch gegen das Gute entschieden hat. Es wird nur an die appeliert, die durch ihren Egoismus verlernt haben zuzuhören, verlernt haben auf den Mitmenschen zu achten.

Denn in der Predigt steht auch folgendes:

Der Symbolgehalt des Wortes „Wüste“ verweise auf dramatische Ereignisse, schwierige Situationen und die Einsamkeit, von denen das Leben nicht selten gekennzeichnet sei. Das Kommen des Herrn veranlasse den Propheten aber dazu, dem Menschen zuzurufen: „Fürchte dich nicht!“

Das Evangelium von der Heilung des Taubstummen verdeutliche den glühenden Wunsch Jesu, „im Menschen die vom Egoismus geschaffene Einsamkeit und mangelnde Kommunikation zu besiegen, um einer ‚neuen Menschheit’ ein Antlitz zu verleihen: der Menschheit des Hörens und des Wortes, des Dialogs, der Kommunikation, der Gemeinschaft“. Diese Menschheit sei eine „gute“ Menschheit, so wie die ganze Schöpfung Gottes gut sei: „eine Menschheit ohne Diskriminierungen, ohne Ausgrenzungen, so dass die Welt wirklich für alle ein ‚Raum der wahren Brüderlichkeit ist“.


Als Papst kann er natürlich schlecht sagen, ein Leben OHNE Gott kann genauso erfüllend sein wie MIT Gott ... dann würde er ja wohl irgendwann einen Mitgliedernotstand haben ;-)

Lobo

#7 Beitrag von Lobo » 09.09.2009, 09:49

Gaby hat geschrieben:...Für mich ist das ganz einfach "kirchliche Sprache"...
Ist es eben nicht. Es ist der Versuch, moralisch, ethische Maßstäbe zu setzen.
Gaby hat geschrieben:...Die Formulierung...bezieht sich glaube ich auf folgende Bibelstelle...< Römer 6, 18
Glaube ich auch nicht. Hier ist ein guter Erklärungsversuch.
...2. Korintherbrief 5,17: „Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“...
...bedeutet „in Christus“ zu sein, als Christ in zwei unterschiedlichen Welten zu leben – im Diesseits der alltäglichen Wirklichkeit und in der „unsichtbaren Welt“ geistlicher Realität... Dies hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir diese Welt sehen...

Maximin

GOTTES NÄHE...

#8 Beitrag von Maximin » 09.09.2009, 09:51

Niemand ist gottlos und kein Mensch wird Gott los. Manche empfinden das als bedrohlich. Ich empfinde es als tröstlich.
Micha grüßt herzlichst

Aus Psalm 139:
1 "Ein Psalm Davids, vorzusingen." HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. 4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest. 5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

6 Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. 7 Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? 8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. 9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, 10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

11 Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -, 12 so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.

Gaby

#9 Beitrag von Gaby » 09.09.2009, 13:57

Lobo, wenn ein Humanist als Atheist sich mit einem modernen Christen unterhält, und beide nicht wissen, welcher Religion/Weltanschauung sie jeweils angehören, stellen sie sicherlich fest, dass sie größtenteils in ihren Überzeugungen übereinstimmen.
Das Problem ist, weiß man vorher, welchem Bekenntnis, welcher Weltanschauung man angehört, hat man von vornherein Vorurteile und sieht die Gemeinsamkeiten nicht mehr.
Warum müssen wir uns immer im Schubladen-Denken bewegen?

Ja das Christentum ist in seinem Denken oft exklusiv, sowie der Islam auch, auch die Juden halten sich in der Regel für das auserwählte Volk ...

trotzdem haben wir vieles gemeinsam ...

was nimmt der Christ nun dem Atheisten, wenn er glaubt, dadurch, dass er die Lehre Jesus annimmt, wird er zu einem anderen, besseren Menschen?

Beide Predigten sind an Menschen gerichtet, die schon Christen sind, oder aber Interesse daran bekunden, eventuell Christ zu werden.
Ich sehe eben nicht, dass mit der Vermittelung des Evangeliums gleichzeitig Atheisten als schlechtere Menschen dargestellt werden.
Denn es heißt doch in der Bibel, ALLE Menschen können vor Gott nicht "gerecht" werden. Wir ALLE sind von der Gnade Gottes abhängig". Das bedeutet doch dann aber, dass ein Christ mitnichten eine besserer Mensch ist als ein Atheist.
Aber dem Christen wird durch das Evangelium das ewige Leben versprochen, welches aber für den Atheisten doch im Grunde gar keine Bedeutung hat, weil er nicht daran glaubt, dass es so etwas gibt.

Ein Atheist wird sagen, die spinnen die Christen ... Jesus gibt es nicht in der Form wie gelehrt und ein weiterleben nach dem Tod schon mal gar nicht.

Ist die christliche Ethik, sind die Werte die die christliche Kirche lehrt wirklich so verschieden von dem, was Nichtgläubige darunter verstehen?

Ich glaube immer noch nicht, dass der Papst mit seiner Predigt Atheisten als "schlechtere" Menschen darstellen wollte.
Den Menschen ans Herz legen "Vertraut auf Gott", denn er kann Euch Kraft geben, wenn ihr in Not seid, einsam seid ... kann Euch helfen ein anderer Mensch zu werden, das lese ich aus der Predigt heraus.

Ja ich glaube, ein Christ kann durch das Evangelium, durch seinen Glauben eine andere Sichtweise auf diese Welt haben ... weil er glaubt, dass diese Welt nicht so bleiben wird, wie sie jetzt ist. Dies wurde ihm mit dem Evangelium versprochen und der Sinn des Evangeliums ist, schon heute (wenn auch vielleicht nur in seinem eigenen kleinen sozialen Umfeld) daran mitzuarbeiten.

Aber das schließt nicht aus, dass dies ein Humanist/Atheist nicht auch zum Ziel hat, auch wenn er nicht glaubt, dass es über seinen Tod hinaus noch "etwas" gibt.

Liebe Grüße

Gaby

Gaby

#10 Beitrag von Gaby » 09.09.2009, 14:01

Micha, danke für den Psalm 139

http://www.e-water.net/index.php?lng=de

Ich schaue es mir immer wieder gerne an ...

und ja, auch wenn es der Atheist vielleicht nicht glaubt oder zweifelt ...

Gott wird uns immer seine Hand reichen ... es liegt an uns, ob wir sie, wenn es soweit ist ergreifen ... ganz gleich ob mit oder ohne Konfession jeglicher Couleur ... wir müssen uns nur überwinden und VERTRAUEN ...

Gesperrt

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