KIRCHE OHNE BOTSCHAFT...?

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Maximin

KIRCHE OHNE BOTSCHAFT...?

#1 Beitrag von Maximin » 06.02.2008, 17:40

:) Lieben Freunde,
natürlich kann man den Zustand der Kirchen beklagen, sich über sie ärgern und ihnen nicht mehr zugehören wollen, ihnen davonlaufen, wenn sie den Leuten nicht mehr zuhören und sie die Verkündigung des Evangeliums teuren Werbeagenturen überlassen.

Ehen krachen, wenn man dem Partner nicht mehr zuhört, einander nichts mehr zu sagen hat und wenn Vertrauen gegen Unaufrichtigkeit eingetauscht wird.

Der verstorbene Bundspräsident Johannes Rau hatte 1999 Wünsche an die Kirchen gerichtet. Hier wenige Auszug seiner Rede.

Micha grüßt :wink:

Grußwort von Bundespräsident Johannes Rau vor der Synode der Evangelischen Kirche (EKD) in Deutschland, am 09.11.1999, in Leipzig (Aus züge)

Ich würde gern den Wunsch äußern, dass die Kirchen erkennbar Kirchen bleiben und dass sie nicht mutieren zu gesellschaftlichen Kräften, zu öffentlichen Lebemännern. Das alles gibt es, aber das brauchen wir nicht so nötig wie eine unverwechselbare Botschaft beider Kirchen.
[...]
Hermann Hesse hat einmal gesagt: "Gestaltlose Nebel begegnen sich nie." Man muss Profil behalten, damit der Dialog der Kulturen und Weltreligionen vorangehen kann und wir miteinander lernen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Weltfrieden und den Weltreligionen, einen Zusammenhang, der schwer zu lernen ist, weil in den Weltreligionen unterschiedliche, auch bis ins Materielle reichende Differenzierungen stattfinden. Fundamentalismus ist wahrlich kein islamisches Problem, sondern ein Problem aller großen Weltreligionen.
[...]
Ich wünsche mir eine Kirche, die in ihrer Botschaft unverwechselbar ist, die deutlich macht: Die Welt, die im Argen liegt, soll dort nicht liegen bleiben, weil sie eine gerettete Welt ist, in der man es den Menschen anmerkt, dass diese Welt nicht hinfällig ist, sondern geliebt. Wenn das deutlich würde, dann könnte von uns mehr Kraft ausgehen.


Quelle: klick

Gaby

#2 Beitrag von Gaby » 07.02.2008, 08:58

Lieber Micha,

wenn Kirche bestehen bleiben will, ist es schon richtig, sie muß eine unverwechselbare Botschaft behalten.

Aber das ist halt nicht alles, was die Menschen von einer Kirche erwarten.

Vielleicht habt ihr ja Lust, auf folgenden Seiten ein wenig zu stöbern.

http://www.kirchefuermorgen.de/1.html

Das Problem ist, dass Menschen heute andere Erwartungen an ihre Gemeinde haben als früher. Und wenn Kirche da nicht flexibler wird,
wird sich an den leeren Kirchen nicht viel ändern.

Liebe Grüße

Gaby


Lobo

#4 Beitrag von Lobo » 15.03.2009, 13:53

Glaube bekämpft Leere
...Zudem muss die Kirche ihr Angebot so gestalten, dass sich alle Mitglieder in ihrer täglichen Problemlage verstanden und gestützt wissen...
...Inhaltlich fesselnde Gottesdienste bewegen zum Wiederkommen. Deshalb muss der Anteil unbefriedigender Gottesdienste so klein wie möglich gehalten werden...
Grundsätze, die für alle Kirchen Gültigkeit haben. Leider erlebt man in der Regel in den Gottesdiensten genau das Gegenteil.

uhu-uli

#5 Beitrag von uhu-uli » 06.07.2009, 17:39

8)
Zuletzt geändert von uhu-uli am 12.10.2009, 15:43, insgesamt 1-mal geändert.

tergram

#6 Beitrag von tergram » 06.07.2009, 22:06

uhu-uli hat geschrieben:Für mein Gefühl hat die Wirtschaft die Profitmaximierung wie einen Mammon angebetet ...

Na ja... "die Wirtschaft" gibt es nicht. Zumindest nicht in Form eines moralisch denkenden, handelnden und zur Verantwortung zu ziehenden Individuums. "Die Wirtschaft" - das sind letztlich wir alle. Es seufzt sich halt so herrlich über "die anderen". Nur: Jedes von uns ist "die Wirtschaft".

Beispielsweise dann, wenn wir ökologisch erzeugte, heimische und saisonale Lebensmittel links liegen lassen, weil die Erdbeeren, im Dezember frisch aus Chile eingeflogen, so toll aussehen.

Oder dann, wenn wir nicht bereit sind, für ein von deutscher Industrie hergestelltes T-Shirt für unseren Junior den Preis zu bezahlen, den es nun mal wert ist, wenn man heimische Arbeiter bezahlt und in der Produktion auf heimische Umweltschutzbestimmungen Rücksicht nimmt. Das Shirt aus China ist doch so viel billiger, und dass dabei chinesische Arbeiter/innen, oft Kinder, ausgebeutet werden und sich und die Umwelt vergiften, geht uns christlich seufzend am Ar... vorbei. Ist ja alles ganz weit weg und die Bösen sind immer die Anderen.

Die "Geiz-ist-geil-Schnäppchen-Mentalität" ist (auch) ein Götze. Anbetende finden sich genug: Montags bei ALDI und am Donnerstag bei LIDL. Aber die Millionen kleinen Verbraucher, die sich trotz besseren Wissens falsch verhalten, sind natürlich nicht schuld. Weil man selbst ein Teil davon ist.

Schuld sind die bösen Wirtschaftsbosse und Bankmanager. Die sind weit weg, sowieso viel zu reich und daher prima für's mit-dem-Finger-draufzeigen geeignet.

Erschlagt mich. Allersanftigst.

Hannes

#7 Beitrag von Hannes » 07.07.2009, 06:42

Guten Morgen tergram und Uli und ...

kaum bin ich zurück, muss ich hier so etwas lesen ... tztztz ... :wink:

tergram, wie Recht du hast. Mit jedem Satz triffst Du ins Mark. Es war immer auch schon meine Frage, warum beispielsweise die Menschen, die binnen eines Jahres aus 100.000 Euros 200.000 Euros machen wollten, jetzt auf irgendwelche ähnlich konstruierten Banker schimpfen, die diese ungebändigte Gier ausgenutzt haben.

Klar wird es immer schwieriger sich von dieser Mentalität abzugrenzen, die sich wie ein Krebsgeschwür in unser Wohnzimmer und in unser Denken frißt. Machen wir den Fernseher an, fahren U-Bahn oder bewegen uns im Arbeitsleben - wir kommen fast nicht aus.

Ich habe jetzt 10 Tage live mit Menschen zu tun gehabt, die aus den einzigartigsten Tieren millionenschwere Sportgeräte gezüchtet und trainiert haben und diese über Hindernisse oder durch brutale Parcours jagen. Immer wieder verletzen sich diese Tiere so sehr, dass sie beim Metzger landen. Und das alles, weil wir Menschen dabei so viel Spaß und "gute" Unterhaltung haben. Die Tiere und ihre Art als Fluchtwesen werden hier völlig ignoriert.

Diese Ignoranz wird uns mehr und mehr gelehrt. Gehe DEINEN Weg, verwirkliche DICH selbst und der ganze Ego-Mist, der mit irgendwelchen guten und sanften fernöstlichen Weisheiten, die zu diesem Zweck geschickt uminterpretiert werden, verkauft wird. Die Kunden sind dann auch Manager, die sonst an der Ausbeutung von chinesischen Wanderarbeitern aktiv mitarbeiten. Natürlich nur zu deren Wohl. Im christlichen Kontext heisst das: "MIR sind MEINE Sünden vergeben."

Das ist ein Fass ohne Boden ... aber mir stellt sich jetzt die Frage, wie wir, Uli, tergram, Bischof Huber, manch anderer und ich es schaffen, diesen Tag anzugehen, dass er anders werden kann. Und wir trotzdem mitten in diesem Wirtschafts- und Wertesystem aufrecht (über)leben können ohne uns dauernd zu belügen. Das ist die Frage, die an mir nagt.

tergram, beim Erschlagen stelle ich mich gerne vor Dich ...

Schönen Tag - Hannes

tergram

#8 Beitrag von tergram » 07.07.2009, 07:30

Ach Hannes...

die Sache mit dem Christ-sein in dieser Welt ist verd... schwierig. Zumindest dann, wenn man jenseits von tiefergelegten Sinnsprüchen, schönen Gesängen und frommen Bibelzitaten versucht, sich irgendwie anständig durch diese komplizierte Welt zu schlagen.

Im Himmel ist gut fromm sein, aber auf Erden... :roll:

Vielleicht müssen wir Christ-sein viel tiefer begreifen, sozusagen radikal. Dieser Jesus war nicht ein sanftmütig lächelnd über die Erde schwebender Heiland, sondern (auch) ein gesellschaftskritischer Revolutionär. Wenn wir wahre Christen sein wollten, können wir unser bisheriges Leben nicht einfach weiterleben. Das aber wollen wir doch zumeist nicht.

Also verständigen wir uns systemkonform auf ein Weichspüler-Christentum: Sonntags sind wir Christen, von Montag bis Freitag haben wir einen Job, eine Familie und ein Bankkonto und am Samstag haben wir frei. So isses.

Wenn wir wirklich Christen wären, müssten wir angesichtes des Elends und der Ungerechtigkeit auf dieser Welt aufschreien, wir müssten allesamt ständig dagegen ankämpfen, uns mit den Mächtigen dieser Welt anlegen und notfalls unser Leben dafür einsetzen, dass es auch dem Nächsten mindestens so gut geht, wie uns selbst. Wir müssten unser altes Leben "verkaufen" und Jesus nachfolgen.

Tun wir aber nicht. Weil wir schwach sind und egoistisch. Klein, kleinkariert und bequeme Gewohnheitsmenschen. Weil wir in Ruhe gelassen werden wollen. Die Bilder von verhungerten Kinderleichen kann man irgendwann einfach nicht mehr sehen. Vor allem nicht beim Abendessen. Unzumutbar. Also wegzappen. Alles einfach wegzappen.

Unserer gelegentlich aufkommenden moralischen Empörung verleihen wir alternativ dadurch Ausdruck, dass wir mit dem Finger auf andere zeigen: "Herr, ich danke dir, dass ich nicht so schlecht bin wie der Chef der Londoner Investmentbanker. Oder der Vorstandsvorsitzende von Quelle. Amen"

Und danach gehen wir zum Media-Markt - die neue Digicam - in Asien gefertigt - soll ja eine Sensation sein. Und bei Kick gibt's diese Woche Kinderjeans für 2,99, direkt aus China.

DAS ist unsere Schuld. Nicht die albernen kleinen Sünden, die wir täglich so begehen: Die kleine Notlüge, der migenommene Taschenrechner aus dem Büro, die Mogelei bei der Steuererklärung. Alles Peanuts. Aber was antworten wir, wenn ER uns fragt, was wir in unserem Leben getan haben, wie wir unserer Verantwortung für diese Welt nachgekommen sind? Wir können nicht mal ein armseliges "Aber Herr, davon wussten wir ja gar nichts!" für uns gelten lassen.

Was wird ER sagen, wenn wir verzweifelt veruchen, ihm all unsere guten Taten in seinem Namen aufzuzählen?

"Herr, wir haben in deinem Namen gepredigt, wir haben Weihnachten immer etwas ans Rote Kreuz gespendet und uns liebevoll um unsere Oma gekümmert. Wirklich. Und wir sind immer zur Kirche gegangen. Jeden Sonntag. Gelogen haben wir selten, gestohlen fast nie. Und Ehebrecher waren wir nur im Kopf. Wir hatten eine 40-Stunden-Woche und einen Haushalt. Und dann noch die Kinder. Und der Garten. Wie sollten wir uns da auch noch um Afrika kümmern? Als Einzelner kann man sowieso nichts machen. Du hättest dich ja auch mal um das Elend auf der Welt kümmern können. Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?"

Seine mögliche Antwort steht in Matthäus 7:
"Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!"

Wir sollten inniger beten: "Und vergib uns unsere Schuld, vor allem die Schuld der Feigheit, der Faulheit und des nicht-darüber-nachdenken-Wollens. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Vor allem von dem Bösen tief in uns selbst."

Hannes

#9 Beitrag von Hannes » 07.07.2009, 08:36

Liebe tergram: :arrow: :!:
Danke fürs Erinnnern ...

LG - Hannes

bonsai

#10 Beitrag von bonsai » 07.07.2009, 09:45

Sehr schön, tergram,

solch ein idealisiertes, plakatives Christsein muss man sich allerdings auch leisten können.
Alternativ kann man sich aber auch aus dieser, nicht selbstgewählten, Zivilisationsform ausklinken und in den Wald ziehen - schließlich hatte Jesus nicht mal eine Stelle für sein müdes Haupt...

Ich kann auch gut nachts schlafen, nachdem ich 2 Schnitzel aus dem Angebot zu 2,99 € verspeist habe und es tut mir nicht mal leid; habe allerdings auch kein Problem, einem Hilfsbedürftigen mein letztes Hemd zu geben.

Diese globalisierte Welt kann ich nicht ansatzweise überblicken, kann und will mich auch nicht dem Konsum verweigern, trete auch nicht Attack bei.

Hab ich trotzdem eine Chance auf den Himmel?

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