EIN LAUTER HILFERUF...!

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Maximin

EIN LAUTER HILFERUF...!

#1 Beitrag von Maximin » 10.03.2009, 19:21

Andacht in einer christlichen Selbsthilfegruppe für Drogenabhängige (2002)

Und er rief und sprach: Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich mein! Die aber vornan gingen, bedrohten ihn, er sollte schweigen. Er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich mein! Jesus aber stand still und ließ ihn zu sich führen. Da sie ihn aber nahe zu ihm brachten, fragte er ihn und sprach: Was willst du, dass ich dir tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen möge. (Lukas 18, 35-43)

Schrei doch weiter! Hier soll einer zum Schweigen gebracht werden. Mundtot, am Rand liegengelassen. Ein Blinder schreit seine ganze Not heraus. Er glaubt fest an seine einmalige Chance: "Jesus kann das, mich wieder sehend machen", davon ist der Blinde fest überzeugt. Also schreit er weiter um Hilfe.

Wann hast du zuletzt um Hilfe geschrieen? In der Kneipe? Auf der Rettungsstelle? In der Psychiatrie bei der Entgiftung? Heute? Eben, jetzt? Du warst so oft mit deinen Lebensfragen allein. Wolltest deine Probleme runterspülen. Vergeblich. Wie oft hast Du einfach nur mit jemandem in der Kneipe reden wollen. Aber der war auch voll. Er hat dir gar nicht zugehört. Ihr hattet zusammen getrunken, aber darin erschöpfte sich auch schon eure Gemeinsamkeit. Dein Hilferuf wurde nicht verstanden. Oft bist du dann abgefüllt allein nach Hause gewankt. Immer wieder dasselbe. Es ging dir schlecht, jedes mal schlechter, bis zum Zusammenbruch.

Für den Blinden gab es kein nächstes mal. Er erkannte sofort: "Wenn du jetzt schweigst, alle deine Not hinunterschluckst, dich mundtot machen lässt, dann bleibst du blind." Also schrie er noch lauter weiter. Und nun passierte etwas seltsames. Da steht geschrieben: "Die aber voran gingen, bedrohten ihn, er solle schweigen."

Ja wer bringt denn so etwas über`s Herz? Was glaubst du, wer ging da voran, also Jesus voraus? Wer sind die Leute, die dem Heiland der Welt den Weg freimachen, die Jesus vorangehen?

Jesus war im ganzen Land als Wundertäter bekannt geworden. Das Volk strömte ihm zu. Jeder wollte etwas von ihm. Wohin er auch kam, da gab es einen Volksauflauf mit beängstigendem Gedränge. Also musste eine Schutztruppe her. Starke, kräftige Kerle, die imstande waren, Jesus den Weg frei zu machen, ihn zu schützen. Ich bin sicher, es waren seine Jünger. In ihrem Eifer wollten sie den blinden Störenfried zum Schweigen bringen.

Ist dir das auch schon passiert? In deiner Not bist du vielleicht doch mal in eine Kirche, eine christliche Gemeinde gegangen. Du wolltest was von Gott, von Jesus oder wenigstens ein bisschen Ruhe, Frieden finden für dein verletztes Gewissen. Hat dich überhaupt jemand wahrgenommen, dich nach dem Gottesdienst etwa direkt und freundlich angesprochen? Nach meinen Beobachtungen ist das eher die Ausnahme.

Ich habe so etwas seltenes erlebt. Nach einem Gottesdienst prallte ich im allgemeinen Hinausgedränge auf einen offensichtlich geistig behinderten Menschen. Er lächelte mich an und ich lächelte zurück. Wir hatten uns nie zuvor gesehen und gingen doch aufeinander zu, nahmen uns wie alte Bekannte in die Arme und drückten uns herzlich ohne viele Worte. Aber unsere Augen haben sich fröhlich unterhalten und in Sekunden mehr mitgeteilt als in endlosen Diskussionen über Christentum und Nächstenliebe.

Christen sind heutzutage höchst diskrete Leute. Jedenfalls keine vom Schlage des Philippus. Der ist ja geradezu wie ein evangelistischer Wegelagerer über den Kämmerer aus dem Mohrenland hergefallen, um ihm von Jesus zu erzählen. Man fällt doch niemanden missionarisch an, nicht wahr? Etwas rücksichtsvoller bitte! Schließlich sind auch die Berührungsängste solcher Gäste zu respektieren. Fragt sich nur, wer hier eigentlich Berührungsängste hat. Der geistig Behinderte hatte keine und ich auch nicht. Im Gegenteil.

Was jetzt kommt ist natürlich frei erfunden, nicht wirklich geschehen. Es liegt mir fern, irgend jemanden zu verletzen. Allerdings frage ich mich schon, ob sich die heutigen Jünger Jesu von denen damals wirklich so sehr unterscheiden.

Da verläuft sich so eine Jammergestalt in eine Gemeinde. Natürlich kommt er zu spät, platzt mitten rein in die Christenversammlung. Abgerissen, ungepflegte Kleidung, Schweiß, enorme Alkoholfahne und schon etwas unsicher auf den Füßen.

Zugegeben, um einen Blinden handelt es sich bei dem nicht. Wirklich nicht? Wenn man genau hinsieht: Ist nicht der ganze Mensch, so wie er da in die Gemeinde hineinstolpert, ein einziger Hilfeschrei? Was geschieht nun?

Die lieben Geschwister im Herrn rücken zur Begrüßung erst mal von ihm ab. Und dann diese Blicke. Ach wie Blicke verletzen können. Wenn der jetzt auch noch den Mund aufmacht, die Abläufe stört, dazwischen redet, na dann "Prost-Mahlzeit". Höchst wahrscheinlich wird so einer vom Ordnungsdienst früher oder später auf die Straße gesetzt werden, nicht wahr? Richtig. Störungen der Gottesdienstordnung sind nicht zu dulden. Wenn er schon mal da ist, soll er sich wenigstens ruhig verhalten. Hier geht es schließlich um die Verkündigung der Botschaft Jesu.

Dasselbe Bild wie bei dem Blinden vor Jericho, nur, dass der zu seinem Glück schon auf der Straße saß. Es ist auffällig, dass Jesus die meisten seiner Wunderheilungen auf irgendeiner Straße vollbrachte, da, wo die Menschen unterwegs sind. Von einem Wunder im Tempel hören wir wenig, außer, dass Jesus dort wütend und tätlich wurde. Das ist schon verwunderlich: Im Tempel, zur Ehre Gottes erbaut, heiligste Opferstätte, Ort des Gebets und der Wortverkündigung, da räumte Jesus gründlich auf.

Was willst du? Hast du schon aufgegeben um Hilfe zu bitten? Tu das bitte nicht. Lass dich doch von niemandem aufhalten. Jesus weist dich nicht ab, er geht nicht vorbei. Er bleibt bei dir stehen, hört dich an. Und nun das Tröstlichste für dich, für mich, für alle, die wir jetzt leben, wo von Jesus scheinbar weit und breit nichts zu sehen ist: Jesus schweigt nicht vorwurfsvoll. Er fragt: "Was willst du, dass ich dir tun soll?"

Am Teich Bethesda lag einer 38 Jahre lang ohne Chance, zur rechten Zeit in den krankenheilenden Teich hineinzukommen. Den fragt Jesus: "Willst Du gesund werden?" (Johannes 5,6). Seltsamerweise antwortet der Kranke nicht mit einem klaren ja, sonder klagt, dass er keinen Menschen hat, der ihm zur rechten Zeit ins heilende Wasser hilft. Er hatte niemandem der ihm hilft...

Liebe Christenleute: Es heißt nicht, dass wir unseren Fernsten lieben sollen wie uns selbst, sondern unseren Nächsten. Der geistig Behinderte hat das gewusst und es mir in Sekunden beigebracht.

Gebet:
Herr Jesus, wir sehen uns immer nur so, wie wir gerne sein wollen. Du siehst uns so, wie wir wirklich sind. Nun gib uns geheiligte Augen, dass wir erkennen, was wir anders machen müssen.
Amen.

(Michael Steinbach - Berlin)
Zuletzt geändert von Maximin am 11.03.2009, 10:20, insgesamt 4-mal geändert.

Tatyana

#2 Beitrag von Tatyana » 11.03.2009, 08:12

Eine wunderschöne Predigt, danke!

nikodemus

#3 Beitrag von nikodemus » 11.03.2009, 14:17

Hier noch eine passende dazu, von W. Busch

http://www.youtube.com/watch?v=vetJ0UsQm5k

In IHM
der Niko

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