Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

Christliche Ethik
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Pagan

Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#1 Beitrag von Pagan » 13.07.2013, 08:39

Die "Botschaftsgeschichte" in der NAK wirft die Frage nach dem moralischen Verhalten vieler NAK-Christen bis zum heutigen Tag auf. Fragwürdiges moralisches Verhalten findet man jedoch in der ganzen Geschichte des Christentums, und das nicht nur bei Hexen- und Ketzerverbrennungen. Ungeachtet dessen heisst es, dass der Glaube - natürlich der christliche - unabdingbar ist für die individuelle und die gesellschaftliche Moral.

Im Mittelpunkt einer humanen Moral, wie sie hierzulande auf breiter Basis anerkannt ist, stehen die elementaren Bedürfnisse und Interessen der einzelnen Mitmenschen, auf die moralisches Verhalten Rücksicht zu nehmen hat. Eine Konsequenz daraus sei, so N. Hoerster, dass man niemanden daran hindern darf, sich sein eigenes Weltbild zu formen und sein persönliches Leben diesem Weltbild entsprechend zu gestalten. Daraus leitet sich unter anderem auch die Religionsfreiheit ab.

Ausgelöst durch Beiträge im Thema "Versöhnung jetzt" stellt sich mir schon die Frage, ob und wie weit der christliche Glaube sich positiv auf die Moral und das resultierende Verhalten der Gläubigen speziell bei der Akzeptanz anderer (Welt-)Anschauungen und anderer Glaubensrichtungen auswirkt und wie es denn um die Versöhnungsbereitschaft (liebe deinen Nächsten wie dich selbst) steht.

Pagan

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#2 Beitrag von Pagan » 15.07.2013, 08:38

Der Grund für die Annahme, christliches Verhalten sei moralisch korrektes Verhalten, ist wohl, dass die Meinung vorherrscht, dass Gott mit Gebote und Verboten und Weisungen festlegt, was moralisch richtig oder falsch ist. Das stellte schon Platon in Frage. Man muss darüber nicht einmal philosophieren, denn der despotische Gott, der im alten Testament angetroffen wird, der kann nun wahrlich kein Festleger ethisch-moralischer Normen und Werte sein.
Wie aber sieht es denn im neuen Testament aus, wo Gott als Sohn (oder wie geht das schon wieder mit der Trinität) wahrer Mensch wurde und doch wahrer Gott blieb? (So wenigstens wurde ich noch gelehrt, aber vielleicht haben die Theologen inzwischen eine neue Interpretation gefunden?) Jede christliche Ethik muss sich ja irgendwie auf das Leben (Vorbildfunktion) und die Gebote Jesus abstützen.

Tatsächlich enthalten die Evangelien ein paar beachtenswerte Punkte. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist da zu finden. Das Gebot steht aber in unmittelbarer Verbindung mit dem "Liebe Gott über alles", was bei Berücksichtigung des Gottes aus dem alten Testament den ersten Teil des Gebotes bestimmt für viele nicht ausführbar macht. Wie wärs stattdessen mit "Fürchte Gott über alles und liebe deinen Nächsten wie dich selbst"? Das ist schon schwierig genug.
Oder dann gibt es sogar eine Forderung nach Feindesliebe, ein Unterfangen, das nicht nur meiner Ansicht nach einem Menschen unmöglich gelingen kann. Es macht aber den Menschen vor Gott stets und immer wieder neu sündhaft! Wie viel angebrachter wäre da die Forderung zum Verzicht auf Rache und Gewalt gewesen, die Forderung nach einem erträglichen und gewaltfreien Nebeneinander auch bei Hass und Streit. Aber das wäre ja mit etwas gutem Willen realisierbar gewesen, was meiner Ansicht nach nicht im Sinne des Erfinders war.
Und dann gibt es da auch noch die sogenannte goldene Regel wie sie am Schluss der Bergpredigt zu finden ist: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ oder wie man das heute in der praktischen Ethik sagt „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ Mit dieser goldenen Regel kommt man immerhin sehr weit, was moralisch-humanes Verhalten betrifft. Es beinhaltet doch auch Toleranz gegenüber der Anschauung und Einstellung des anderen, schliesslich erwarten wir das alle doch auch von den anderen.

Anzufügen ist aber auch, dass wohl nichts von alledem, was in den Evangelien als ethisch-moralische Regel oder Gebot, als Norm oder Wert Jesus zugeschrieben wird, originär von Jesus stammt ausser vielleicht die Forderung nach Feindesliebe, die aber im ältesten Evangelium nicht zu finden ist. Die goldene Regel z.Bsp. war (sinngemäss) schon viele hundert Jahre vorher bekannt und schriftlich niedergelegt, z.B. bei Konfuzius und Buddha.

Hat Jesus, nach christlichem Verständnis Gottessohn, Gott und auch wahrer Mensch, seine Gebote und Regeln selbst auch so gelebt und danach gehandelt? Wie sah es mit seiner Toleranz gegenüber anderen Anschauungen aus? Wie mit seiner Versöhnungsbereitschaft?

tergram

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#3 Beitrag von tergram » 15.07.2013, 10:21

In diesem interessanten Zusammenhang verweise ich gern auf die "10 (An)Gebote des Evolutionären Humanismus":
  • 1. Diene weder fremden noch heimischen „Göttern“, sondern dem großen Ideal der Ethik, das Leid in der Welt zu mindern!

    2. Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!

    3. Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

    4. Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!

    5. Befreie dich von der Unart des Moralisierens! Trage dazu bei, dass die katastrophalen Bedingungen aufgehoben werden, unter denen Menschen heute verkümmern, und du wirst erstaunt sein, von welch freundlicher, kreativer und liebenswerter Seite sich die vermeintliche „Bestie“ Homo sapiens zeigen kann.

    6. Immunisiere dich nicht gegen Kritik! Ehrliche Kritik ist ein Geschenk, das du nicht abweisen solltest.

    7. Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher! Zweifle aber auch am Zweifel! Selbst wenn unser Wissen stets begrenzt und vorläufig ist, solltest du entschieden für das eintreten, von dem du überzeugt bist. Sei dabei aber jederzeit offen für bessere Argumente, denn nur so wird es dir gelingen, den schmalen Grat jenseits von Dogmatismus und Beliebigkeit zu meistern.

    8. Überwinde die Neigung zur Traditionsblindheit, indem du dich gründlich nach allen Seiten hin informierst, bevor du eine Entscheidung triffst!

    9. Genieße dein Leben, denn dir ist höchstwahrscheinlich nur dieses eine gegeben!

    10. Stelle dein Leben in den Dienst einer „größeren Sache“, werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen woll(t)en! Eine solche Haltung ist nicht nur ethisch vernünftig, sondern auch das beste Rezept für eine sinnerfüllte Existenz.
(Quelle: http://www.schmidt-salomon.de/bruno/hum ... gebote.htm )

Was braucht es da noch Religionen, Kirchen, Regeln, Rituale, Opfer, Strafen, Erlösungsangebote, ...?

Pagan

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#4 Beitrag von Pagan » 15.07.2013, 11:57

tergram hat geschrieben:In diesem interessanten Zusammenhang verweise ich gern auf die "10 (An)Gebote des Evolutionären Humanismus":
...
Was braucht es da noch Religionen, Kirchen, Regeln, Rituale, Opfer, Strafen, Erlösungsangebote, ...?
Danke Tergram, ein wunderbares Beispiel dafür, dass Ethik ohne Religion überhaupt nicht in ethischen Nihilismus (ohne Gott ist alles erlaubt) führt.

Religiöse Ethik kann auch nach in die Zwickmühle in Absurdistan führen, wenn man von der Fragestellung Platons ausgeht, ob ein Verhalten moralisch gut ist, weil Gott es gebietet oder gebietet es Gott, weil es gut ist.
Wer Ja zu ersterem sagt, für den muss alles gut sein, was Gott gebietet, auch Barbareien im alten Testament wie das Abschlachten von Schwangeren und Kindern. Wer nun aber findet, dass zwar (grundsätzlich) alles gut ist, was Gott gebietet oder tut, nur eben solche Anordnungen nicht gut waren, der anerkennt, dass es einen anderen, einen Gott übergeordneten Standard für die Bemessungen von gutem oder schlechtem Verhalten gibt.

Daher dürfte die zweite Option die bessere sein, aber wozu dann Gott?

tergram

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#5 Beitrag von tergram » 15.07.2013, 13:00

...es scheint sich herumzusprechen...

(Zitat) Eine evangelisch-reformierte Pfarrerin aus der Schweiz hat gestern in einem Rundfunkgespräch die Existenz Gottes abgestritten. "Es gibt keinen Gott", sagte Pfarrerin Ella de Groot im Schweizer Radio SRF 2 Kultur. "Alles was wir über Gott sagen ist unsere Fantasie, ist in unserem Kopf entstanden", sagte sie.

Die Pfarrerin in Muri-Gümligen im Kanton Bern erklärte weiter, dass sie auch nicht an das ewige Leben glaube. Die gebürtige Niederländerin, die in ihren Gottesdiensten keinen Talar trägt, wollte sich aber nicht als Atheistin bezeichnen. "Diese Frage stellt sich für mich nicht."

Auch ein Landsmann von de Groot, der Pfarrer Klaas Hendrikse, hatte mit seinem Bekenntnis, dass es keinen personalisierten Gott gebe, für Aufsehen gesorgt. Er schrieb dazu zwei Bücher. In einem nennt er sich einen "atheistischen Pfarrer". (Zitatende)

( Quelle: http://hpd.de/node/16402 )

Matula

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#6 Beitrag von Matula » 15.07.2013, 13:56

Zitat pagan:

Hat Jesus, nach christlichem Verständnis Gottessohn, Gott und auch wahrer Mensch, seine Gebote und Regeln selbst auch so gelebt und danach gehandelt? Wie sah es mit seiner Toleranz gegenüber anderen Anschauungen aus? Wie mit seiner Versöhnungsbereitschaft?


Pagan, lass dich doch mal beschimpfen, bespucken und vorallen Dingen unschuldig ans Keuz nageln, dir einen Speer in die Seite rammen und dir noch eine Dornenkrone aufsetzen.

Dann sagst du unter diesem Eindruck mal den Satz: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.

Dann kennst du auch die Antwort auf deine vorstehenden Fragen.

Und zum Schluss noch ein Hinweis auf Punkt 5.

Befreie dich von der Unart des Moralisierens !

Heinrich

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#7 Beitrag von Heinrich » 15.07.2013, 19:09

Befreie dich von der Unart des Moralisierens !
Genau das habe ich am letzten Sonntag zu meinem Vorsteher gesagt.... weil er wieder einmal so in Richtung 50er Jahre predigtge ;-) :evil:

Schmunzelnde Grüsse aus dem wilden Süden,
Heinrich

Pagan

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#8 Beitrag von Pagan » 15.07.2013, 21:14

Matula hat geschrieben:Pagan, lass dich doch mal beschimpfen, bespucken und vorallen Dingen unschuldig ans Keuz nageln, dir einen Speer in die Seite rammen und dir noch eine Dornenkrone aufsetzen.
Matula, bin ich denn Gott oder wenigstens Gottessohn oder bist du einfach ein Spassvogel?

Dieses blutige Menschenopfer ist so unendlich makaber und verdeutlicht ein so primitives inhumanes archaisches Blutopfer-Denken, dass es einem Übel würde, wenn es tatsächlich geschehen wäre. Da weiss doch ein allmächtiger und allgütiger Gott und Schöpfer der Welt (immer vorausgesetzt, man glaubt der Bibel) keinen anderen Weg um sich selbst [!!!!] zu besänftigen ausser dass er seinen Sohn (oder gar sich selbst ??) derart grausam sterben lässt. Wenn wir vernehmen, dass die Azteken ihrem Gott Huitzilopochtli grausam Menschen opferten, damit die Sonne aufging, sind wir entsetzt, dann schüttelt es uns vor Grauen. Christen aber verherrlichen solch blutiges Menschenopfer, das dieser allmächtige Gott offensichtlich lediglich aus Lust an einem solchen Opfer veranlasst hat, denn als Allmächtiger hätten ihm andere Mittel und Wege zur Verfügung gestanden. Wenn nicht, ist er nicht allmächtig!

Meiner Ansicht nach ist dieses grauenhafte Menschenopfer DAS biblische Paradebeispiel für völlige Inhumanität und gleichzeitig völliges Versagen der Theorie "lieber Gott", zumal dieses makabre Menschenopfer auch die Jesu-Worte "Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer." in Frage stellt.

So nebenbei, im ältesten Evangelium Markus weiss der Evangelist wie auch später der Verfasser des Matthäusevangeliums noch nichts von den von dir zitierten Worten, dort findet sich aber seine Bankrotterklärung "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", die dann Lukas bereits nicht mehr kennt und die dann 80 - 100 Jahre später im Johannesevangelium zu jenem "Es ist vollbracht" umgebogen wurden.

tergram

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#9 Beitrag von tergram » 16.07.2013, 08:06

Dass das Symbol des Christentums ein Folter- und Tötungsinstrument ist, sollte zu denken geben. In keiner anderen Religion findet man die symbolhafte Darstellung einer an einem Kreuz hängenden Leiche. Wir hängen diese schrecklichen und teilweise sehr drastischen Darstellungen nicht nur in Kirchen, sondern auch in Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Gerichtssäle.

Wenn das Christentum für Frieden und Vergebung stände, sollte das Symbol eine Friedenstaube sein. Ist es aber nicht.

Mit der grausigen Darstellung einer blutüberströmten Leiche war es möglich, den Gläubigen ein schlechtes Gewissen zu machen - "Weil du ein sündiger Mensch bist, musste Jesus für dich sterben!" Dass die gleiche Institution, die das Schuldgefühl macht, auch die Befreiung davon anbietet, ist doch praktisch. Und einträglich.

Bild

Matula

Re: Sag mal, wie hast du's mit der Moral?

#10 Beitrag von Matula » 16.07.2013, 08:56

Pagan, niemand kann verbindliche Aussagen zu Gott abgeben. Von daher ist es vermessend zu behaupten, er hätte einen anderen Weg wählen können und weil er sich aber für den bekannten Weg seinen Sohn qualvoll opfern zu lassen entschieden hat, wäre das ein Beleg oder gar Beweis, dass er darum nicht allmächtig ist.

Es ist zugegeben schwer zu verstehen, weshalb Jesus einen solch grauenvollen Tod in Kauf nehmen musste, " nur " damit die Menschen von der Erbsünde befreit werden und erlöst werden konnten.

Die Frage ist auch, weshalb müssen jedes Jahr tausende unschuldige Kinder durch Mörderhände qualvoll sterben oder sogar Kleinstkinder fallen perversen Pädophilen in die Hände und werden entführt und niemand weiß, wo diese leidenden Kinder sind ?

Zig tausende Kinder sterben täglich qualvoll den Hungertod.

Es ist schon mit unserem Verstand gar nicht fassbar, dass Gott ewig, also immer da war.

Man kann unbeliebig fortführen.

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