Schaut Gott weg?

Für Zweifler und andere gute Christen
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Gaby

#1 Beitrag von Gaby » 27.08.2008, 18:21

Da gibt’s den lieben Gott im Himmel, mit Beistand als Versprechen
Doch selbst in größter Not und bei himmelschreienden Verbrechen
Greift er nicht ein
Lässt dich allein
Vertrau auf Gott in aller Not, das kann sich tödlich rächen!

nächtliche Grüße
Pritzebilsky


Lieber Pritzebilsky,

auch wenn Dein Posting schon etwas zurückliegt.

Ja Gott greift nicht ein, da stimme ich Dir zu (deshalb glaube ich auch nicht, dass Gott Krankheiten schickt oder sonstige Erziehungsmaßnahmen ergreift um uns zu bestrafen oder zu lehren).
Aber trotzdem glaube ich nicht, dass Gott uns alleine lässt. Wenn wir uns auf Gott im Leid verlassen, verändert das zwar nicht die Situation des Leiden müssens, aber wir können Kraft aus dieser Gewissheit schöpfen, dass wir nicht alleine sind in unserem Leid, Gott mit uns leidet und das kann uns verändern. Wir sind dann vielleicht besser in der Lage, dieses Leid anzunehmen und zu ertragen, können versuchen es zu lindern oder eventuell sogar beenden.
Selbst im Alten Testament haben die Menschen Gott angeklagt, mit ihm
gerechtet. Wenn es einem hilft, warum sollte man dies nicht tun? Trotzdem haben sie nicht an seiner Existenz gezweifelt und letztlich haben sie IHM dann auch vertraut.

"Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott." Hände in den Schoß legen und auf Gottes eingreifen warten - ja, ich denke, da können wir lange warten und das kann sich dann wie Du schreibst "tödlich rächen". Zumindest nach MEINEM jetzigen Glaubensstand.

Trotzdem bin ich mir sicher, ganz gleich was mich erwartet in meinem Leben, Gott wird immer bei mir sein und mir die nötige Kraft mein Schicksal anzunehmen und durchzustehen nicht verwehren.

Liebe Grüße

Gaby

Pritzebilsky

#2 Beitrag von Pritzebilsky » 27.08.2008, 19:52

Liebe Gaby!

Du schreibst, dass du nicht glaubst, dass Gott uns alleine lässt. Genau das ist der Punkt, um den es sich dreht. Ich denke auch, dass sich derjenige, der leidet und an Gottes Beistand glaubt, eine gewisse Linderung seines Leids verschaffen kann. Es ist schwerer als Atheist mit Situationen fertig zu werden, in denen dir niemand mehr helfen kann, in denen die nackte Verzweiflung da ist. Da kann ein Zwiegespräch mit Gott erst einmal Erleichterung verschaffen. Ich kenne ja beide Seiten, aber einmal desillusioniert ist es vorbei mit derlei Trost und nach Ersatzreligionen, welcher Art auch immer, steht mir auch nicht der Sinn.

Dieses Gottesbild, dass Gott sich um uns kümmert und uns in der Not beisteht ist zwar ein genuin christliches, aber eben nur eines unter vielen mögllichen. Modernere Interpretationen etwa gehen von einem völlig unerkennbaren Gott, den wir uns nicht so menschlich vorstellen dürfen, wie wir es gerne täten, aus.

Ich frage mich nur, was soll ein Glaube, der eher Selbstsuggestion als wirklicher Ausdruck von erfahrbarem Beistand ist? Jeder liebe Mensch, der mir nahesteht und mich im Leid versucht zu trösten ist mir unendlich wertvoll. Und Gott, der so viel mehr Macht und Möglichkeiten hätte, mein Leid zu lindern hält sich "vornehm" zurück? Gott bringt mir nicht einmal die Hilfe, die ein im Vergleich zu ihm "popeliger" Mensch bringt? Ist das der Gott, an den ich glauben sollte? Voller Liebe, Güte, Gerechtigkeit und Weisheit? Den alle Christen mit genau diesen Eigenschaften loben und besingen?

Im übrigen war der Limerick konkret auch auf den 20. Juli, den Tag des Widerstands gegen die Hitler-Diktatur gemünzt. Viele werden geglaubt haben, sie würden vielleicht verschont, das Inferno ginge an ihnen vorbei, da sie doch mit Gott im Bunde seien. In den Schützengräben, in den Bombennächten, im KZ. Hätten die Russen und die Amis Deutschland nicht befreien sollen, sondern auf Gottes Hilfe hoffen? Sollten sich politisch Aufrechte, die das Morden nicht mitmachen wollten und daher in den Widerstand gegangen sind, aufs Beten und Hoffen verlegen oder haben sie nicht mitgeholfen, die Wege Satans (religiös gesprochen) zu durchkreuzen, gerade indem sie auf Taten und nicht irgendwie auf Gott vertraut haben. das meinte ich mit dem "kann sich tödlich rächen".

Aber, wenn ich dich recht verstehe, siehst du das ja auch so ähnlich.

In der Religion, in der Abwendung von Not und Ungerechtigkeit in unserer Welt, liegt auch ein kritisches, andere Verhältnisse ersehnendes Element. Das ist das progressive Element der Religionen, wie es schon Marx sah. Hier können sich auch Christen und Nichtchristen treffen und diskutieren.

Ich wünsche dir wenig Anlässe, auf Gottes Beistand hoffen zu müssen.

Liebe Grüße
Pritzebilsky

tergram

#3 Beitrag von tergram » 27.08.2008, 22:04

Pritzebilsky hat geschrieben:Ich frage mich nur, was soll ein Glaube, der eher Selbstsuggestion als wirklicher Ausdruck von erfahrbarem Beistand ist?
Pritze, (übrigens schön, dich wieder mal zu lesen)

gilt nicht auch hierbei die (unbestreitbare) Weisheit "Wer heilt, hat recht"?

Vielleicht ist der große, allmächtige Gott gar nicht einer, der in seinem goldgeränderten Himmel sinnlos herumsitzt, sondern offenbart sich durch den Menschen, der dir die zitternde Hand hält, wenn du ganz unten bist... Den Freund, der nicht wegläuft, wenn's ganz schlimm wird... Den wärmenden Sonnenaufgang nach einer kalten, tränenreichen Nacht...

Vielleicht bist du heute, morgen, übermorgen für jemanden der "Gott" , der Schmerz und Elend schweigend begleitet, aushält, durchhält, der tröstet, hilft, lindert... Was wissen wir schon davon, wie und wo Gott sich offenbaren kann?

Wir sollten uns von dem kindlich-naiven Gottesbild, das uns häufig in Kirchen vermittelt wird, verabschieden. Erwachsen werden und ein erwachsenes Gottesbild entwickeln.

Und für den Fall der Fälle: Wenn wir im Augenblick unseres Todes tatsächlich feststellen müssten, dass es keinen Gott gibt - hätte uns der Glaube an ihn geschadet?

filippo

#4 Beitrag von filippo » 27.08.2008, 22:23

gel.
Zuletzt geändert von filippo am 27.09.2009, 17:13, insgesamt 2-mal geändert.

filippo

#5 Beitrag von filippo » 27.08.2008, 22:27

gel.
Zuletzt geändert von filippo am 27.09.2009, 17:14, insgesamt 1-mal geändert.

Tatyana

#6 Beitrag von Tatyana » 28.08.2008, 06:58

Wie schwer macht es sich doch das Christentum...nur die Christen müssen die Dualität eines liebenden Vatergottes und einem, dem menschliches Leid zynisch herzlich egal zu sein scheint, ausgleichen.
Den Juden des Alten Testamentes waren klare Regeln vorgeschrieben und ihr Gott bestrafte bei schon kleinsten Verstößen unbarmherzig. Bei den Buddhisten ist Leid gar der Sinn des Lebens; nur aus dem daraus folgenden Lernprozeß kann der Mensch so weit geläutert werden, daß ihm eine weitere Reinkarnation erspart bleibt. In beiden Fällen ist der Mensch an seinem Elend oder Glück selbst Schuld, muß er mit sich und seiner Umwelt direkt leben und erfährt unmittelbar die Auswirkung seines Tun und Denkens.
Und dann kommt da dieser Christus mit seinem Versprechen von Gnade und Belohnung oder Bestrafung im Jenseits. Und plötzlich sind die Menschen unsicher...mit der Möglichkeit, nicht mehr für seine Sünden bestraft zu werden, ergibt sich eine größere Freiheit des Sündigens. Vielleicht kann man sich ja nun von der Konsequenz seiner Schandtaten losmogeln? Oder belohnt werden für etwas, das man gar nicht so ernst gemeint hat? So ein bißchen Hintergedanken bei guten Taten, das kann doch nichts ausmachen, oder? Das muß einem doch auch vergeben werden...und wenn der, der so viele und große Sünden begangen hat, hier so gut lebt, dann muß mir doch erst Recht erlaubt sein, meinem kleinen inneren Schweinehund und auch wenig Auslauf zu gewähren? Und wenn ich dann kurz vor meinem Tod so ein wenig bereue, muß das doch für Gnade reichen? Und wenn auch das nicht ehrlich gemeint war, gibt es doch bestimmt auch in Ewigkeit noch eine Möglichkeit, zu verhandeln, sich zu läutern? Oder Fürsprecher? Dann ist ja genug Zeit...

Christus befreit also nicht nur von Sünde, sondern auch ein Stück weit von Eigenverantwortlichkeit. Mit der Furcht vor direkter Bestrafung schwindet auch die Furcht vor Gott. Und die Achtung vor den Mitmenschen. Und die vor sich selbst und dem Vertrauen in das eigene Urteil. Denn wo ich einem Gott und seiner Gnade hilflos ausgeliefert bin, kann ich nichts tun, um entweder Gnade oder Verdammnis wirklich zu verdienen...

Anne

#7 Beitrag von Anne » 28.08.2008, 08:35

tergram hat geschrieben: Vielleicht ist der große, allmächtige Gott gar nicht einer, der in seinem goldgeränderten Himmel sinnlos herumsitzt, sondern offenbart sich durch den Menschen, der dir die zitternde Hand hält, wenn du ganz unten bist... Den Freund, der nicht wegläuft, wenn's ganz schlimm wird... Den wärmenden Sonnenaufgang nach einer kalten, tränenreichen Nacht...

Vielleicht bist du heute, morgen, übermorgen für jemanden der "Gott" , der Schmerz und Elend schweigend begleitet, aushält, durchhält, der tröstet, hilft, lindert... Was wissen wir schon davon, wie und wo Gott sich offenbaren kann?
tergram, danke. Einfach nur dafür.

Gaby

#8 Beitrag von Gaby » 28.08.2008, 08:36

Steppenwolf hat geschrieben:Hier und hier gefriert einem das Blut in den Adern...

Schaut Gott weg?
Lieber Steppenwolf,

in der Kabbala (mystisches Judentum) wird gelehrt, dass das Gute UND das Böse eine Notwendigkeit ist, weil es für die Entwicklung des Menschen wichtig ist. Das Böse kommt aus dem Menschen (und auch nur er SOLL es überwinden). Nicht, dass Gott es nicht könnte oder wollte. Gott hat uns Individualität gegeben. Wir können frei zwischen gut und böse wählen. Würde Gott sich nun einmischen, würde er uns die Freiheit und die Individualität nehmen. Würde unsere Entwicklung hemmen, Marionetten aus uns machen. Dann hätte er uns ja gleich als solche schaffen können.
Wenn ich das so sehe, kann ich auch den Plan den Gott vielleicht hatte, als er uns als Individualisten geschaffen hat, gut heißen, obwohl dadurch eben so viel Leid in die Welt gekommen ist. Denn Verursacher des Leidens ist nicht Gott, sondern die Menschen und nur sie können daran etwas ändern.

Liebe Grüße

Gaby

P.S. Zu Deinen Links - Indien hat eine Regierung, Militär, Polizei und eine Justiz - es ist alles da, um solche Überfälle zu bekämpfen. Solche Extremisten zu bestrafen. Wozu brauchen wir da Gott?

filippo

#9 Beitrag von filippo » 28.08.2008, 08:50

gel.
Zuletzt geändert von filippo am 27.09.2009, 17:15, insgesamt 1-mal geändert.

Gaby

#10 Beitrag von Gaby » 28.08.2008, 09:09

Pritzebilsky hat geschrieben:Liebe Gaby!

Du schreibst, dass du nicht glaubst, dass Gott uns alleine lässt. Genau das ist der Punkt, um den es sich dreht. Ich denke auch, dass sich derjenige, der leidet und an Gottes Beistand glaubt, eine gewisse Linderung seines Leids verschaffen kann. Es ist schwerer als Atheist mit Situationen fertig zu werden, in denen dir niemand mehr helfen kann, in denen die nackte Verzweiflung da ist. Da kann ein Zwiegespräch mit Gott erst einmal Erleichterung verschaffen. Ich kenne ja beide Seiten, aber einmal desillusioniert ist es vorbei mit derlei Trost und nach Ersatzreligionen, welcher Art auch immer, steht mir auch nicht der Sinn.

Dieses Gottesbild, dass Gott sich um uns kümmert und uns in der Not beisteht ist zwar ein genuin christliches, aber eben nur eines unter vielen mögllichen. Modernere Interpretationen etwa gehen von einem völlig unerkennbaren Gott, den wir uns nicht so menschlich vorstellen dürfen, wie wir es gerne täten, aus.

Ich frage mich nur, was soll ein Glaube, der eher Selbstsuggestion als wirklicher Ausdruck von erfahrbarem Beistand ist? Jeder liebe Mensch, der mir nahesteht und mich im Leid versucht zu trösten ist mir unendlich wertvoll. Und Gott, der so viel mehr Macht und Möglichkeiten hätte, mein Leid zu lindern hält sich "vornehm" zurück? Gott bringt mir nicht einmal die Hilfe, die ein im Vergleich zu ihm "popeliger" Mensch bringt? Ist das der Gott, an den ich glauben sollte? Voller Liebe, Güte, Gerechtigkeit und Weisheit? Den alle Christen mit genau diesen Eigenschaften loben und besingen?

Im übrigen war der Limerick konkret auch auf den 20. Juli, den Tag des Widerstands gegen die Hitler-Diktatur gemünzt. Viele werden geglaubt haben, sie würden vielleicht verschont, das Inferno ginge an ihnen vorbei, da sie doch mit Gott im Bunde seien. In den Schützengräben, in den Bombennächten, im KZ. Hätten die Russen und die Amis Deutschland nicht befreien sollen, sondern auf Gottes Hilfe hoffen? Sollten sich politisch Aufrechte, die das Morden nicht mitmachen wollten und daher in den Widerstand gegangen sind, aufs Beten und Hoffen verlegen oder haben sie nicht mitgeholfen, die Wege Satans (religiös gesprochen) zu durchkreuzen, gerade indem sie auf Taten und nicht irgendwie auf Gott vertraut haben. das meinte ich mit dem "kann sich tödlich rächen".

Aber, wenn ich dich recht verstehe, siehst du das ja auch so ähnlich.

In der Religion, in der Abwendung von Not und Ungerechtigkeit in unserer Welt, liegt auch ein kritisches, andere Verhältnisse ersehnendes Element. Das ist das progressive Element der Religionen, wie es schon Marx sah. Hier können sich auch Christen und Nichtchristen treffen und diskutieren.

Ich wünsche dir wenig Anlässe, auf Gottes Beistand hoffen zu müssen.

Liebe Grüße
Pritzebilsky



Lieber Pritzebilsky,

erstens sehe ich es ähnlich wie tergram, was kann es schaden an Gott zu glauben?
Zur "Selbstsuggestion". Nun, bislang habe ich das um an Gott glauben zu können noch nicht gebraucht. Ich weiß nicht warum es so ist, aber schon als Kind (ich komme aus keinem religiösem Elternhaus) war für mich die Existenz Gottes so etwas wie Gewissheit. Ich hatte nie Zweifel daran. Zweifel an dem was die Kirchen manchmal so lehren ja. Ich würde mich selbst belügen, wenn ich sagen würde, das und das hat mich überzeugt davon, dass es Gott nicht gibt.

Folgendes stammt von StA Fehr, auch wenn ich vieles kritisch in der NAK betrachte, ab und an gibt es auch mal Lichtblicke :-)

"Ich sagte den Aposteln vor dem Gottesdienst, dass ich wieder kürzlich von jemandem gehört habe, der sagte: 'Tot ist Tot! Und dann ist alles aus! Und es gibt keinen Schöpfer aller Dinge! Es ist alles entstanden durch die Moleküle und schließlich durch einen Urknall.' Und wie diese Theorien alle heißen. Da habe ich gesagt: das ist genau gleich, wie wenn man behaupten würde, durch eine Explosion in einer Buchdruckerei ist das Brockhauslexikon entstanden."

Wenn ich mir unsere wunderschöne Welt (trotz des vielen Leids finde ich sie immer noch wunderschön) anschaue, dann kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie ganz ohne ordnende "Hand" entstanden ist. Damit muss ich die Evolution nicht leugnen, aber auch die kann gesteuert gewesen sein.

Um auf die Schützengräben und die Hoffnung zu kommen, dass Gott einem beisteht. Gott wird m.E. immer auf der Seite der in Not geratenenen, der Leidenden stehen - unabhängig von jeglicher Couleur.

Cemper brachte bei GK das Beispiel der Geschichte vom Krieg 1914
http://de.wikipedia.org/wiki/Weihnachts ... ltkrieg%29 und dass ein Pastor gesagt hätte, diese Geschichte hätte ihm die Weihnachtsgeschichte erschlossen.
Für mich bedeutet die Weihnachtsgeschichte unabhängig von der christlichen Konfession die Hoffnung auf Veränderung. Ob es der Mensch selbst ist, der sich verändert (Umkehr) oder aber die Lebenssituation in der man sich befindet. Jesus ist in die Welt gekommen, um zu verändern.

Und da passt auch wieder tergrams Posting:

>>Vielleicht bist du heute, morgen, übermorgen für jemanden der "Gott" , der Schmerz und Elend schweigend begleitet, aushält, durchhält, der tröstet, hilft, lindert... Was wissen wir schon davon, wie und wo Gott sich offenbaren kann?<<

Es hängt an uns Menschen, an niemandem sonst.

>>Ich wünsche dir wenig Anlässe, auf Gottes Beistand hoffen zu müssen.<<

Für diesen Wunsch danke ich Dir

Liebe Grüße

Gaby

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