Kirche darf trauen

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GG001

Kirche darf trauen

#1 Beitrag von GG001 » 03.07.2008, 16:17

Seit 1875 (sorry ...) verlangt das Personenstandsgesetz, dass Ehen standesamtlich geschlossen werden muessen und dass ein Geistlicher erst dann die kirchliche Trauung vornehmen darf, nachdem dies geschehen ist.

Dies soll dahingehend geaendert werden, dass die Trauung auch nur kirchlich erfolgen kann. Allerdings fehlt dieser Trauung ein wesentliches Merkmal: sie hat rechtlich nicht die selbe Geltung wie die standesamtliche, sondern wird vor dem Gesetz wie eine nichteheliche Gemeinschaft angesehen.

Merkwuerdig, in den USA hat die vor einem Geistlichen geschlossene Ehe den selben rechtlichen Status wie die im dortigen "Standesamt" geschlossene. Wer ganz sicher gehen will, laesst sich dies von der deutschen Botschaft noch ausdruecklich auf dem von der Kirche ausgefuellten Marriage Certificate bestaetigen.

Die EKD teilt dazu mit:
Wie der Stellvertreter des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, David Gill, erklärte, wird es keine klassische evangelische Trauung im liturgischen Sinne geben, ohne vorherige staatliche Eheschließung: "Das lässt das evangelische Kirchenrecht nicht zu und daran will man auch festhalten."
Click!
Brautleute sollten sich auf jeden Fall vor der Entscheidung rechtlich beraten lassen. Vielleicht koennen sie jetzt aber anschliessend noch zum Standesamt gehen :mrgreen:

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tosamasi
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#2 Beitrag von tosamasi » 03.07.2008, 16:41

Vielleicht koennen sie jetzt aber anschliessend noch zum Standesamt gehen
Womit alles (fast) beim Alten bliebe.
Man muss bei einer Eheschließung heutzutage ja auch gleich mal an Scheidung denken. Wie sieht es denn da aus, bei einer nur kirchlichen Trauung, wenn vielleicht auch wieder anderweitig geheiratet werden soll.
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
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Maximin

#3 Beitrag von Maximin » 03.07.2008, 18:38

Kirchenwechsel vielleich... :?: :mrgreen:

tergram

#4 Beitrag von tergram » 03.07.2008, 22:07

(An GG001 herzlichen Dank für die Erhellung der Bedeutung des Jahres 1875. :mrgreen: )

Kirchenwechsel? Nützt wenig bis nix. Auch die RKK hat heute erklärt, dass sie am bisherigen Modus festhalten will.

Alles bleibt gut. Nur anders. :wink:

Kann mir mal jemand erklären, wozu diese Änderung überhaupt gut sein sollte und wer sie wollte?

Katharina

#5 Beitrag von Katharina » 04.07.2008, 07:54

Ein Grund wird wohl sein, damit die Witwen ihre Witwenrente bei einer Heirat nicht verlieren.

Paul

#6 Beitrag von Paul » 04.07.2008, 08:33

@ GG001: Danke für den Hinweis. Das war gestern eine der interessantesten Nachrichten.

tergram hat geschrieben: Kann mir mal jemand erklären, wozu diese Änderung überhaupt gut sein sollte und wer sie wollte?
Ich vermute einmal, daß es auch mit dem Komplex Islam und Polygamie zu tun haben könnte.

tergram

#7 Beitrag von tergram » 04.07.2008, 10:03

Paul hat geschrieben:
tergram hat geschrieben: Kann mir mal jemand erklären, wozu diese Änderung überhaupt gut sein sollte und wer sie wollte?
Ich vermute einmal, daß es auch mit dem Komplex Islam und Polygamie zu tun haben könnte.
Inwiefern? Ich verstehe es nicht.

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#8 Beitrag von tosamasi » 04.07.2008, 10:06

Katharina hat geschrieben:Ein Grund wird wohl sein, damit die Witwen ihre Witwenrente bei einer Heirat nicht verlieren.
Vor Gott ein Ehepaar, vor dem Gesetz aber nicht. Irgendwie praktisch, das Konkubinat samt Gewissenskonflikt wäre Vergangenheit.
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
tosamasi

Paul

#9 Beitrag von Paul » 04.07.2008, 20:29

tergram hat geschrieben:
Paul hat geschrieben:Ich vermute einmal, daß es auch mit dem Komplex Islam und Polygamie zu tun haben könnte.
Inwiefern? Ich verstehe es nicht.
Nun ja, wenn dieser Plan Gesetz wird, dann könnte z.B. ein Mann nach religiösem Recht mit mehreren Frauen verheiratet sein, der Staat akzeptiert aber nach wie vor nur eine Ehefrau. Vielleicht eine Kompromißformel, um die "Integration" bestimmter Personen mit "Migrationshintergrund" zu erleichtern.
Aber ehrlich: etwas genaues weiß ich darüber noch nicht. War nur so ein Gedanke ... 8) Werde die nächsten Tage mal recherchieren.

Maximin

EHE IM WANDEL DER ZEITEN...

#10 Beitrag von Maximin » 05.07.2008, 06:04

:) Lieben Freunde,
Tergram hat so gefragt: „Kann mir mal jemand erklären, wozu diese Änderung überhaupt gut sein sollte und wer sie wollte?“

Der Deutsche Bundestag hat am 9. November 2006 mehrheitlich Änderungen des Personenstandsgesetzes beschlossen. Die Änderungen traten am 24. Februar 2007 in Kraft bzw. werden am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Der die Eheschließung betreffende Passus stellt dabei nur ein Randthema dar (siehe hier).

Wenn der Beauftragte einer religiösen Körperschaft (z. B. Kirche, Synagoge, Moschee usw.) eine Trauung durchführte ohne dass vorher eine standesamtliche Eheschließung erfolgt war, dann beging derjenige bisher eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet wurde. Mit der o. a. Änderung ist dieser Ordnungswidrigkeitstatbestand abgeschafft worden.

Bis zum Ende des 19ten Jahrhunderts wurden Personenstandsveränderungen (Geburt, Eheschließung, Tod) im Register der Kirchen (Kirchenbuch) beurkundet. Im Rahmen des Kulturkampfes führte Reichskanzler Bismarck 1875 die staatliche Beurkundung (Standesämter) ein und beendete damit das Kirchenrecht in seiner bis dahin öffentlich-rechtlichen Ausprägung. Seither besteht eine Trennung zwischen rechtsgültiger Eheschließung einerseits und kirchenrechtlicher Eheschließung andererseits.

Besonders in den letzten Jahrzehnten haben sich die Auffassungen über das Zusammenleben verändert. Neben die Ehe zwischen Mann und Frau sind Lebenspartnerschaften getreten. Nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Der Gesetgeber hat diesen veränderten Bedürfnissen mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz Rechnung getragen.

Mit der vollzogenen Änderung des Personenstandsgesetzes wird die oben erwähnte Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht einerseits und kirchlichem Recht andererseits vollendet. Der Staat überlässt es nun den Kirchen, ob und wen sie miteinander „verheiraten“.

Die Auffassungen z. B. der Evangelischen Kirchen (EKD) kann man u. a. hier nachlesen.

Sehr aufschlussreich empfindet ich die Stellungnahme der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Hier ein Auszug: „In den Grundlinien für das kirchliche Handeln bei der Trauung wird zunächst erläutert, dass unter einer Trauung ein Gottesdienst zu verstehen ist, der „anlässlich der Eheschließung zweier Christen“ gefeiert wird. In diesem Gottesdienst erhalten die Eheleute den Segen Gottes. Ihnen wird „Gottes Gebot und Verheißung für ihre Ehe verkündigt.“ Weiter wird betont, dass ein Pastor oder eine Pastorin sich „vor dem Vollzug einer Trauung davon zu überzeugen hat, dass die Ehe rechtsgültig geschlossen worden ist.

Das bedeutet, dass vor einer kirchlichen Trauung in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche auch weiterhin die Ehe standesamtlich geschlossen werden muss. Es ist jedoch vorstellbar, dass Paare, die aus wohlerwogenen Gründen keine Ehe vor dem Standesbeamten schließen wollen, aber eine geistliche Begleitung ihrer Lebensgemeinschaft suchen, die Möglichkeit der Fürbittenandacht erhalten.“

Quelle: hier

Interessant ist auch die Stellungnahme der Evangelisch-reformierten Kirche (Auszug): „Damit ist es weiterhin notwendig, dass Ehepaare beim Pastor oder bei der Pastorin vor einer kirchlichen Trauung ihre Eheschließung urkundlich nachweisen müssen. Das Kirchenrecht bedürfe erst dann einer Änderung, so Weusmann, wenn auch die Zivilehe nicht mehr auf den Grundlagen Freiwilligkeit, Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Dauer beruhen würde.“
Quelle: http://www.ekd.de/aktuell_presse/pm53_2 ... auung.html

Fazit:
Der (weltliche) Gesetzgeber überlässt es den religiösen Körperschaften, ob und wen sie miteinander verheiraten. Ich hoffe, mit diesen Ausführungen etwas Licht in das Dunkel getragen zu haben.
Liebe Grüße von Eurem Micha :wink:

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