Hermine Breithaupt hat geschrieben:Interessant! Im Kelch mehrfach ausgesonderte, überlagerte Gluten-Hostien - verlieren oder gewinnen sie (was auch immer) mit jeder neuen sakramentalen Segnung? Werden sie immer "wertvoller" oder eher nicht?
Das wäre doch mal ein interessantes Thema für eine Predigt - meinetwegen auch homiletisch aufbereitet, mit etwas Humor, etwas Psychologie bestückt und auch den geistlichen Ernst mit eingebunden usw.
Verehrte Frau Breithaupt,
Eine ernsthafte Behandlung des Themas in einer neuapostolischen Predigt koennte (!) tatsaechlich aufschlussreich sein. Da die Zahl der Theologen in der neuapostolischen Kirche endlich und - sogar sehr leicht - abzaehlbar ist, verwende ich den Konjunktiv. Nebenbei: Ueberlagerte Gluten-Hostien muessen nicht sein. "Für Allergiker produziert die Hostienbäckerei auch Hostien aus reiner Maisstärke. Die Sondermischung beinhaltet ein pflanzliches Bindemittel, hergestellt aus Johannisbrotkernmehl und Calciumlactat." (Zitat NAK Bielefeld).
Die katholische Kirche - die ja erklaertermassen der neuapostolischen recht nahe steht und bei deren theologischem Gedankengut die neuapostolische Kirche sich gelegentlich bedient hat - hat auf solche Fragen eine klare Antwort. Da ausgesegnete Hostien nach Auffassung der katholischen Kirche zum tatsaechlichen Leib Christi geworden sind, werden sie anschliessend getrennt von den "gewoehnlichen" Hostien aufbewahrt.
In der neuapostolischen Kirche wird der Inhalt der Abendmahlskelche nach dem Gottesdienst wieder zurueck in die Pappschachtel mit dem Plastikbeutel entleert, wo er sich mit von der Hostienbaeckerei gelieferten Hostien vermischt. Ich weiss natuerlich nicht, wie Ihre Erfahrung in RT damit ist. Die Amtstraeger in der neuapostolischen Kirche erklaeren seit dem Erscheinen des Katechismus den Vorgang beim Abendmahl ziemlich einheitlich als
Konsubstantiation, die katholische Kirche spricht hingegen von
Transsubstantiation.
Neben der in den christlichen Kirchen unterschiedlich beantworteten Frage von Transsubstantiation und Konsubstantiation mit den sich daraus ergebenden Schluessen, wie mit den nicht verwendeten Hostien umzugehen ist, erhebt sich eine weitere Frage nach der Wirksamkeit des Abendmahls aufgrund der Abendmahlspraxis.
Grundsaetzlich ist es fraglich, ob die Abendmahlspraxis der neuapostolischen Kirche mit getrockneten Weintropfen auf den Hostien ueberhaupt den
Jesus zugeschriebenen Einsetzungsworten aus 1. Kor. 11 entspricht, wo es heisst "... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, so oft ihr daraus
trinkt, zu meinem Gedächtnis!" Es gab etliche sehr weltliche Gruende, warum die neuapostolische Kirche diese abgewandelte Form des Abendmahls waehrend des WW I eingefuehrt hatte. Wie die Erklaerungen des damaligen Stammapostels Niehaus (
Hygiene, gestiegene Kosten fuer den Wein, erleichterter Versand der betraeufelten Hostien zu den Soldaten im Feld) auch als Grundlage fuer eine bis heute geltende
biblisch und theologisch nachvollziehbare Entscheidung gewertet werden koennen, kann jeder fuer sich selbst entscheiden. Zur Abendmahlspraxis haben christliche Kirchen jedenfalls dezidierte Auffassungen; getrockneter Wein gehoert m.W. nicht dazu.
Getrocknete Weintropfen auf einer Hostie ("instant wine", wie es eine katholische Theologin amuesiert nannte) kann man nun einmal
nicht trinken. Warum zur Anerkennung und Gueltigkeit des
einen Sakraments grosser Wert auf die mit der Ueberlieferung uebereinstimmende ("rite") Anwendung gelegt wird und bei einem anderen Sakrament nicht, muesste die neuapostolische Theologie einmal schluessig erklaeren, und damit ausserdem, warum das Sakrament des Abendmahls in dieser abgewandelten Form dennoch wirksam sein soll. Uebrigens lauten die Einsetzungsworte in der neuapostolichen Kirche ebenfalls " ... Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von diesem Wein
trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt.“ (nach 1 Kor 11, 23-26) Zitat aus
==> Wikipedia. Den logischen Bruch muss der neuapostolische Glaeubige aushalten.
Die alternativ moegliche
intinctio (Eintauchen des Brots oder der Hostie, z.B. in der AG durch den Kommunionsspender) in echten Wein koennte man evtl. als ein Mittelding zwischen Trinken und "instant wine" betrachten. Sie sollte vor allem in den Kirchen der Reformation die Ausnahme sein (Wikipedia).
Abgesehen davon koennte sich eine Entschleunigung des Abendmahls im getrennten Reichen von Brot und Wein wohltuend von der in der neuapostolischen Kirche bekannten Abfertigung unterscheiden. Wenn die Zahl der Gottesdienstteilnehmer dort weiterhin abnimmt, faellt der zusaetzliche Zeitbedarf, der dann sowieso gewollt waere, nicht ins Gewicht. Wuerde gleichzeitig auch noch die Predigtzeit entsprechend verkuerzt, entfielen auch manche Anreize, die Zeit mit den oben erwaehnten Floskeln zu fuellen - womit wir beim Thema waeren.
Nachtrag 2015-08-29 23:05 Uhr: Im damaligen glaubenskultur Forum konnte man den Wortlaut einer Predigt nachlesen, in der Niehaus die Aenderung beim Abendmahl erklaerte.
Sehr geehrte Frau tergram!
Ich danke Ihnen für die Aufklärung und schicke Ihnen zur freundlichen Kenntnisnahme eine thematisch einschlägige Predigt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Heinrich Cemper
Anlage:
PREDIGT DES STAMMAPOSTELS NIEHAUS ZUM ABENDMAHL IN DER NEUAPOSTOLISCHEN KIRCHE
Quelle: Neuapostolische Rundschau, 23. Jahrgang Nr. 19, Sonntag, 6. Mai 1917, Seite 81f., Neuapostolische Rundschau, 23. Jahrgang Nr. 20, Sonntag, 13. Mai 1917, Seite 85f.
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http://forum.glaubenskultur.de/viewtopi ... 214#249214 2007-11-07
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