SUCHTFAKTOR - N

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abendstern_
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#31 Beitrag von abendstern_ » 03.08.2009, 06:15

Lieber Micha,

wärst du doch hin gegangen, zum Tag der offenen Tür. Du hättest vermutlich festgestellt, dass deine Träume von Anatolien wirklich nur Träume sind und die Realität unter Umständen krass davon abweicht. Es kann sehr positiv sein, sich mit dem, was man so vor sich hinträumt ab und zu zu konfrontieren, das rückt so manchen Traum dann ganz schnell zurecht...

Ehrlich - versuchs. Setze dich deiner vermeintlichen heimlichen Sucht mal aus. Geh ihr nach. Du wirst feststellen, es ist keine Sucht, es ist höchstens eine Suche. Es besteht keinerlei Gefahr, dass du rückfällig wirst. Du wirst höchstens desillussionierter...


Mutmachende Grüße
abendstern_
:)

Gaby

#32 Beitrag von Gaby » 03.08.2009, 07:21

Das sehe ich auch so. Natürlich wird es mich immer wieder berühren, wenn ich im Urlaub oder sonstwo an einer neuapostolischen Kirche (zu erkennen an dem Emblem
klick ) vorbeifahre. Die NAK gehört nun einmal zu meiner Vergangenheit und Erinnerungen kann man nicht einfach so auslöschen.
Auch wird immer ein ganz kleines bisschen Sehnsucht nach "Heiler Welt" bleiben. Aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass mein Empfinden heute anders ist. Wenn ich heute in einem neuapostolischem Gottesdienst sitzen würde, ist das anders, als wenn ich damals in so einem gesessen habe.
Früher mehr oder weniger kritiklos, beobachte ich heute halt genauer und dieses Gefühl "Heile Welt" will sich nicht bei mir einstellen.
Inzwischen weiß ich das :-) ... man kann die Vergangenheit nicht wieder zurückholen ... und inzwischen weiß ich auch, dass ich das gar nicht will.
Diese Erkenntnis hat zwar etwas gedauert, aber heute kann ich meine Gefühle dementsprechend einordnen.
Außerdem sieht man im Nachhinein manchmal viele Dinge ein wenig "verklärt" ... man denke an seine Schulzeit (wir hatten grad Klassentreffen nach 30 Jahren). Ich war erstaunt, wie unterschiedlich mancher seine Schulzeit im Nachhinein betrachtet. Man erfuhr viele Dinge von ehemaligen Mitschülern, die ihre Schulzeit in nicht so guter Erinnerung hatten, weil es doch auch so etwas wie Mobbing damals schon gab. Mir selbst war das gar nicht mehr so bewußt gewesen ... aber wenn man so drüber nachdenkt, fällt einem doch einiges wieder ein, was man "verdrängt" hatte. Man sieht oft nur noch die schönen Seiten ... und die gabs letztlich in der NAK ja auch ;-)

LG Gaby

agape

#33 Beitrag von agape » 06.08.2009, 08:37

Eigentlich ist dieser Beitrag wahrscheinlich grotten-überflüssig, ;) weil Abendstern und Gaby sowohl einfühlsam als auch klar sagten, was ich auch dazu meine. ;)
Sentimentale Gefühle, verklärte Vergangheitsbilder, Sehnsucht nach Vertrauten und Vertrautem - so tickt der Mensch, auch wenn es einem lästig werden kann.
Wenn man dem "Heimatsehnsuchtsgefühl" mal nachgibt, kann das "Wunder" wirken.
Ohne jetzt polemisieren zu wollen, aber es gibt so etwas wie ein weiteres "Heilsames Erschrecken". Das haben diejenigen erlebt, die den Versuch zwei- dreimal wagten dorthin zurückzugehen und immer vorzeitig den GD verlassen "mussten", weil.... (und dan folgt die Reihe der klassischen Argumente).
Nur gut, dass sie es wirklich "wagten".

Mir ist dieser "Bericht" von einer ehem ZJ-Frau in die Hände gefallen und ich denke, dass darin ungefähr beschrieben ist, wie es so vielen auch in der NAK erging, die vielleicht wie Maximin fühlten und den Weg durch die "Offene Tür" gingen.

http://www.sektenausstieg.net/sekten/le ... kurdi.html
Lieben Gruß,
agape


PS: Ein pers. Bekenntnis von mir: ;)
Als Kind sang und hörte ich das total schwülstige, romantische Lied "Heimat, Heimat, glanzumflossen" so gern. Als Kind malte ich mir einen schönen Himmel aus. Irgend einen Teil des Liedes brauch(t)e ich dann wohl. ;) Vielleicht auch diese besondere Melodie mit den verschiedenen Singstimmen.

Wenn ich das manchmal unterbewusst so vor mich hinsumme, schäme ich mich nicht. Mein kleiner Himmel von früher. ;)
Soweit zur "Heimat, Singen und Schämen". ;)

Pritzebilsky

#34 Beitrag von Pritzebilsky » 06.08.2009, 09:13

agape schreibt:
Als Kind sang und hörte ich das total schwülstige, romantische Lied "Heimat, Heimat, glanzumflossen" so gern. Als Kind malte ich mir einen schönen Himmel aus. Irgend einen Teil des Liedes brauch(t)e ich dann wohl. Wink Vielleicht auch diese besondere Melodie mit den verschiedenen Singstimmen.

Wenn ich das manchmal unterbewusst so vor mich hinsumme, schäme ich mich nicht. Mein kleiner Himmel von früher. Wink
Das (und auch das Vorangehende) halte ich für eine sehr gesunde Einstellung.

Gruß Pritze

tergram

#35 Beitrag von tergram » 06.08.2009, 09:14

Nein agape, dein Beitrag ist nicht überflüssig! Gar nicht.

Man fährt in unbekannter Gegend auf einer Straße gedankenlos dahin und sieht irgendwo ein Gebäude mit NAK-Emblem (-Turm) (lieben Gruß an shalom) - und im Kopf macht es "klick". Ja natürlich macht es "klick"! Es wäre ungesund, würde es nicht "klick" machen.

Wir können unsere frühesten Kindheitserlebnisse nicht verdrängen, vergessen, negieren. Das hat sich tief in die Seele geprägt: Die Lieder, die Melodien, die Rituale. Ich würde meine Ex-Gemeinde vermutlich mit verbundenen Augen sogar am Geruch erkennen: Irgendein Fußbodenpflegemittel (Marke: Frühlingsfrisch), die Politur für die Holzbänke und der Duft nach einem Blumengesteck gehen eine einmalige Verbindung ein - zusammen mit den quietscherosa Pfefferminzbonbons, die Oma Müller neben mir pausenlos lutschte und freigiebig durch mehrere Bankreihen verteilte. Na, wenn's da nicht "klick" macht... :lol:

Na und?

Müssen mir die Grillabende bei Geschwister Meier inklusive mehrstimmigem Gesangbuch-fast-komplett-absingen im Nachhinein peinlich sein? Muss ich mich schämen, mit dem Chor nach der anstrengenden Probe zum "Stimmbandölen" in der netten Kneipe gegenüber gewesen zu sein? (Übrigens hatte sich der gemütliche Wirt auf die GD-Zeiten der NAK eingestellt und bot einen Sonntagsbrunch ab 10.30 an - was "Geistvolles" zum Predigt runterspülen inklusive.)

Na und?

Manchmal, nur manchmal, beschleicht mich sogar der leise Verdacht, es sei damals etwas einfacher gewesen mit all den bunten NAK-Jenseits- und Gottesbildern in der Seele. Auch wenn sie nicht stimmen, hatten sie doch etwas tröstliches: Der liebe Gott war der liebe Gott, der vertraute Vater, etwas stammapostel-ähnlich... Und das Jenseits war eine allegorische Mischung aus Hochzeitssaal und himmlischem Jerusalem - schön einfach und schön bunt.

So. Und nun ist man erwachsen geworden. Das holt einen aus der bunten Kinderwelt manchmal ganz schön herb auf den Betonboden der Realität. Peng. Wo man dann schon mal etwas ratlos herumsitzt und sich in sentimentalen Momenten nach dem kuscheligen Kinderzimmer zurücksehnt.

Bei näherer Betrachtung stellt man aber immer wieder fest, dass man die neue Freiheit eines Christenmenschen nicht ernsthaft aufgeben mag. Weil das Gras auf der anderen Seite der Strasse nicht nur grün ist, sondern ohne Zaun drum. Und weil es zur Freiheit keine wirkliche Alternative gibt. Zum Glauben übrigens auch nicht.

"Klick." :wink:

simpel

#36 Beitrag von simpel » 06.08.2009, 11:36

tergram hat geschrieben:So. Und nun ist man erwachsen geworden. Das holt einen aus der bunten Kinderwelt manchmal ganz schön herb auf den Betonboden der Realität. Peng. Wo man dann schon mal etwas ratlos herumsitzt und sich in sentimentalen Momenten nach dem kuscheligen Kinderzimmer zurücksehnt.
... seuftzzzzzzzzz...

agape

#37 Beitrag von agape » 07.08.2009, 09:06

Hallo simpel,

was meinst Du denn genau damit: "Da kentsch bleede wärn!" ?

Ist es der Jammer, dem Kinderzimmer entwachsen zu sein, oder das schwierige Erwachsenwerden mit einer neuen Sicht der Dinge oder etwas ganz anderes?

Lieben Gruß,
agape

simpel

#38 Beitrag von simpel » 07.08.2009, 11:13

Hallo agape,

"Da kentsch bleede wärn!" klingt zugegebenermaßen etwas salopp, beschreibt aber für
mich ganz gut den Zustand meiner eigenen Zerrissenheit bezüglich meines ´Glaubens´lebens.

Ist es nicht so, dass wir Zeit unseres Lebens immer fragen: Was ist Wahrheit und wo finde ich sie? Sind meine getroffenen Entscheidungen – aus welchen Motiven heraus auch – richtig gewesen, da sie ja auch Auswirkungen für die Zukunft haben?

Was bedeutet denn ´erwachsen´ zu werden? Heißt das, sich mehr auf seinen Verstand, der sicherlich eine Gabe Gottes ist, zu verlassen und alles erst mal gründlich zu hinterfragen? Bedeutet es, sich seinen Zweifeln, seiner Zerrissenheit zu stellen und dann ´sein eigenes Ding´ auf Gedeih und Verderb durchzuziehen?

Ich frage mal provokativ: Wer geht denn freiwillig im tiefsten Winter ohne wärmende Kleidung ins Freie? Da muss doch schon wirklich etwas außergewöhnliches passiert sein, dass man die kuschelige Wohlfühl-Gemeinde-Stube, die ja ein gewichtiger Teil der eigenen Biographie ist und in der man sehr wohl schon das Wirken des hl. Geistes verspürt hat, verlässt…

Heißt ´erwachsen werden´, sich mit dem Mut der Verzweiflung in unbekannte / wenig bekannte Gewässer zu stürzen – ohne Rettungsring?

Ich stelle mich mal neben mich, schaue mich mit größtmöglicher Objektivität an und stelle mir Fragen:
Bin ich zu feige, das warme Nest zu verlassen? JA.
Bin ich mir sicher, dass anderswo die Seele besser ´durchatmen´ kann? NEIN.
Bin ich mir sicher, anderswo nicht in meiner Befindlichkeit verletzt zu werden? NEIN.
Vermisse ich in meiner Gemeinschaft die ´Freiheit des Christenmenschen´ und fühle mich oftmals gegängelt? JA.
Bin ich aufgrund der Informationsfülle durch die Medien über meine Gemeinschaft verunsichert? JA.
Habe ich in dieser Gemeinschaft schon ganz tiefgehende seelische Glücksmomente gehabt? JA.
Kann ich meinem Verstand und meinen Gefühlen trauen? NEIN.




Ich wäge alles ab und entscheide mich für den ´Spatz in der Hand´, der sehr wohl auch die Taube sein kann. Niemand kann es wissen – jetzt noch nicht.

Liebe Grüße,
simpel (der Name ist Programm) :wink:

PS: Zurückgehen muss nicht zwangsläufig mit „Heilsamen Erschrecken“ gleichgesetzt werden – sehr wohl kann es auch sein, das Gefühl des Angekommenseins zu haben… :wink:

Philippus

#39 Beitrag von Philippus » 07.08.2009, 12:36

agape hat geschrieben:Ist es der Jammer, dem Kinderzimmer entwachsen zu sein, oder das schwierige Erwachsenwerden mit einer neuen Sicht der Dinge oder etwas ganz anderes?
Erst haben wir über den Tellerrand geschaut - mancher auch über den Brunnenrand; dann haben wir gesehen, daß der Horizont, oder was man auch so nennt, doch noch etwas weiter entfernt ist ...

Und jetzt beschwere ich mich, daß ich aus dem Nest geplumpst bin.
Wer daran wohl wieder schuld ist? - Natürlich immer die anderen. :wink:

Aber es hat sich gelohnt, auch wenn manche neue Ansichten und Perspektiven zunächst etwas gewöhnungsbedürftig waren und sind.

Und es lebe die Freiheit. :!:

Allerseits ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße

Frank

Philippus

#40 Beitrag von Philippus » 07.08.2009, 13:29

Ist es nicht so, dass wir Zeit unseres Lebens immer fragen: Was ist Wahrheit und wo finde ich sie? Sind meine getroffenen Entscheidungen – aus welchen Motiven heraus auch – richtig gewesen, da sie ja auch Auswirkungen für die Zukunft haben?
Die Frage nach der Wahrheit und das Hinterfragen von Entscheidungen und Motiven sind es, die den Menschen von anderen Lebewesen unterscheiden - abgesehen von 3 oder 4 % unterschiedlichen Erbgutes. Ich darf meine Entscheidungen treffen, sie von Zeit zu Zeit verbessern; und ich darf sie ändern.
Was bedeutet denn ´erwachsen´ zu werden? Heißt das, sich mehr auf seinen Verstand, der sicherlich eine Gabe Gottes ist, zu verlassen und alles erst mal gründlich zu hinterfragen? Bedeutet es, sich seinen Zweifeln, seiner Zerrissenheit zu stellen und dann ´sein eigenes Ding´ auf Gedeih und Verderb durchzuziehen?

Im wesentlichen "Ja", nur beim Durchziehen jeglichen eigenen Dinges sollte bei allem Entusiasmus der Verstand doch ein wenig beteiligt sein. :wink:
Ich frage mal provokativ: Wer geht denn freiwillig im tiefsten Winter ohne wärmende Kleidung ins Freie?

Ganz provokativ zurück: Ich gehe gerne nach einem Saunagang nackt ins Freie, auch wenns noch so kalt sein mag; die Kälte kann mir dann nichts anhaben. Im übrigen kann man lernen, mit Kälte umzugehen (muß z.B. jeder Bauarbeiter tun). Und wenn man zu arbeiten hat, würde allzu dicke Kleidung nur hinderlich sein.
Da muss doch schon wirklich etwas außergewöhnliches passiert sein, dass man die kuschelige Wohlfühl-Gemeinde-Stube, die ja ein gewichtiger Teil der eigenen Biographie ist und in der man sehr wohl schon das Wirken des hl. Geistes verspürt hat, verlässt…
Manchmal ist es nichts Außergewöhnliches, sondern eine Entwicklung aufgrund von individuellen Gegebenheiten, denen keiner von uns aus dem Weg gehen kann ...
Heißt ´erwachsen werden´, sich mit dem Mut der Verzweiflung in unbekannte / wenig bekannte Gewässer zu stürzen – ohne Rettungsring?
Es hat noch keinem geschadet, schwimmen zu lernen; man sollte aber sichergehen, daß man auch die Chance hat, zu schwimmen, d.h.
  • bevor man Grundberührung hat ist es sicher eine Alternative, das Stürzen etwas zu verlangsamen z.B. durch vorsichtiges Vorantasten
  • bei zu starker Strömung sollte man vorher in seichterem Wasser üben,
  • allzu unbekannt sollten die Gewässer nicht sein. Vielleicht ergibt sich beim Erkunden des Uferbereiches bzw. des Gewässers eine Alternative zum Badengehen.
  • Insbesondere die Bewohner des Gewässers sind vorher zu erkunden ...*g*
Das Wort Mut gefällt mir schon ganz gut, aber wieso Verzweiflung.
... der Name ist Programm
Das glaube ich nicht so ganz ... :roll:

PS: Es ist heutzutage nicht nur möglich, sich vor dem Reinspringen über jedes Gewässer zu informieren. Es ist auch sehr ratsam.

Und wie immer beim Schwimmengehen bitte vorher im eigenen Interesse das Abkühlen nicht vergessen. :wink:

Gesperrt

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