#18
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von Brombär » 13.04.2008, 22:25
Anne, Maximin, tergram, Lobo, Hannes, Abendstern, uhu-uli und all ihr lieben anderen Schwestern und Brüder, die ihr mir in meinen Sorgen, um ein tröstliches Zusammentreffen mit meinem Freund Hans, beigestanden seid, ich will nun berichten wie es „ uns „ erging.
Am Abend des 19. März erreichte ich nach langwieriger Autofahrt das Ziel meiner Reise. Dieses war ein alter Bauerhof in Siebenbürgen in Rumänien. Nicht dass ich bezüglich meiner Abstammung etwas mit diesem Landstrich zu tun hätte, nein, ich habe dieses Anwesen vor einigen Jahren gekauft, weil ich mit einem, von dort stammenden, guten Bekannten dieses Gebiet bereiste und den Vorsatz fasste, dort ein Rückzugsnest zu etablieren, in welchem ich der Schnelllebigkeit unserer westlichen Konsumgesellschaft zeitweise enthoben bin. Seither sind schon 5 Jahre ins Land gezogen und ich bin noch immer mit Freude und Genugtuung beim Renovieren.
Hans war es damals, der mich, als ich mit einem 7,5-Tonner die ersten Habseligkeiten in den Hof fuhr, fragte, ob er sich während der Einzugspause etwas zu mir setzen dürfe. Natürlich war mir seine Anwesenheit sehr willkommen, hatte ich doch mehr als 1000 Fragen auf dem Herzen, für die ich mir keinen besseren Informanten hätte vorstellen können. Es stellte sich in unserer Unterhaltung heraus, dass Hans ein gelernter Baumeister war, ( Maurer und Zimmermann mit Gesellenbrief ) tja, was wollte ich noch mehr. Fortan war er mir mit Rat und Tat zur Seite, so, als ging es um sein und nicht um mein Eigentum.
In den zurückliegenden Jahren gab es so manche Stunde, in der wir auf den kleinen grünen Gartenbänklein unter dem Mirabellenbaum saßen und über den 2. Weltkrieg, Gott und die Welt plauderten. Im Laufe der Zeit ergab es sich, dass wir uns Dinge erzählten, die man nur eng Befreundeten oder den allernächsten Verwandten berichtet. Es entstand jene Verbundenheit, die ich so gerne mit meinem Vater gehabt hätte, der sich aber, ob seines Amtsauftrags in der neuapostolischen Kirche, Abend für Abend, im Dienst „ für die Sache des Herrn „ verzehrte.
Hans war vom Schicksal nicht verwöhnt worden. Auch als fleißiger Handwerker war sein Einkommen so, dass er zur Versorgung der großen Familie noch Nebenerwerbslandwirtschaft betrieb. In einer schweren Gewitternacht, wurden ihm zwei trächtige Wasserbüffelkühe vom Blitz erschlagen, so dass seine Existenz bedrohlich in Gefahr geriet. Hans war noch keine 40 Jahre alt, als er seine Frau, die Mutter von drei Kindern, zur letzten Ruhe betten musste. Einer seiner Söhne, erkrankte an einer schweren Krankheit unter der dieser zeitlebens zu leiden hat.
Die sei nur einmal ein kleiner Einblick in Hans´ Leben, um sich ein Bild zu machen, was u.a. unsere Themen in manch stiller Abendstunde waren.
Doch zurück zum Abend des 19. März.
Nachdem erst einmal der Kaminofen angeworfen war, griff ich zum Telefon um zu erfahren, wie es Hans erging, von dem ich zuletzt hörte, dass er mit Herzschwäche ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Seine Frau Hedwig, die von meinem Besuch wusste, freute sich, dass ich unversehrt im Dorf angekommen war. Sodann erzählte sie mir, dass Hans tags zuvor aus dem Krankenhaus entlassen wurde und es ihm wieder etwas besser ginge. Hans, der schon zu Bett gegangen war, gab seiner Frau Auftrag, mir im Falle eines Anrufs mitzuteilen, dass er mich am anderen Tag besuchen wolle. Er hatte also auf mich gewartet und gab zu verstehen, dass er in der Lage sei, mich aufzusuchen. Ich war sehr froh und dankbar.
Hans ist ein Mann, der sich im Leben mit viel Einfühlungsvermögen bewegt. So war ganz klar, dass er am Tag darauf erst Mittags erscheinen würde, denn er weiß genau, dass es nach langer Abwesenheit und langwieriger Anreise erst einiger ordnenden Maßnahmen bedarf, ehe man zur Normalität übergehen kann. So war es auch diesmal.
Am Nachmittag des 20. März klopfte es an mein Hoftor. Der Hofhund blieb völlig unberührt vor seiner Hütte liegen. Es musste also ein guter Bekannter vor der Türe sein. Ich eilte zum Tor und öffnete. Vor mir stand Hans, abgemagert, bleich und mit tief zurückliegenden Augen.
Mit einem schwachen, lächelnden „ Hallo „ streckte mir Hans seine knochige Hand entgegen.
Schnell zog ich ihn in den Hof, schloss die mächtige Tür hinter uns und dann lagen wir uns in den Armen und kämpften erfolglos gegen die Tränen.
„ Mein guter, alter Freund „waren seine ersten Worte, dann brauchten wir wieder eine Pause.
„ Der liebe Gott hat mir noch eine Gnadenfrist geschenkt „ fuhr er fort. „ Komm erst mal herein " entgegnete ich, denn auch mich hatte das Wiedersehen Kraft gekostet. Am warmen Kaminofen bei einem Glas Fruchtsaft ( Hans verzichtete auf sein zeitlebens geliebtes Schnäpschen ) kamen wir ins Gespräch und erzählten uns, wie alles gegangen war, seit unserem letzten Zusammensein. Hans hatte nach einem unverzüglich ärztlich behandelten Schlaganfall schon an eine völlige Genesung gedacht, als er urplötzlich mit Kreislaufschwäche erneut ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Es war eigenartig, Hans, der ansonsten spätestens bei Einbruch der Dämmerung mein Haus verließ, hatte es diesmal gar nicht eilig. In großer Ruhe und Gelassenheit leitete er, auf seinen Krankenhausaufenthalt bezugnehmend, über, dass er die Gnadenfrist seiner Genesung dankbar entgegen nähme und geduldig sein wolle, bis der „ Obere Chef „ sein Komm sprechen werde. Bei seinen Ausführungen war Hans überaus klar im Geist, etwas, was in den Zeiten davor so nicht immer der Fall war. Er wirkte gelassen und doch konzentriert.
Hristos a jnviat, adevarat a jnviat ( Christus ist auferstanden, wahrhaftig ist er auferstanden )
So begrüßen sich die Menschen jener Gegend ab dem Ostermorgen bis Pfingsten.
Zum Osterfest hatte ich, der Landessitte gemäß, ein Lämmchen schlachten lassen. Ich lud deshalb die noch am Ort verbliebenen Deutschstämmigen zum Essen ein. Unter diesen befand sich auch Hans´ Sohn, welcher zu seinen Vater seit Jahrzehnten ein belastetes Verhältnis hat. Insgeheim hatten beide darunter gelitten und so war es eine förmlich spürbare Genugtuung, wie Vater und Sohn in immer tiefer gehendes, angenehmes Gespräch kamen. Die 13 Personen am Tisch bildeten an diesem Tag eine sympathische Gesellschaft, die dieses Zusammensein vermutlich nicht so schnell vergessen wird und Hans und sein Sohn schon gar nicht.
Die Tage gingen schnell ins Land. Hans wollte und konnte bei kühlem Regenwetter nicht so gern aus dem Haus, so dass ich meinerseits in der warmen kleinen Wohnküche bei ihm und seiner Hedwig und derer fünf Katzen verweilte. Wieder einmal war ich Gast bei diesen zwei alten Leuten, als das Telefon läutete. Es war die Nachbarin, ebenfalls Deutsche, die mitteilte, dass der alte Dani - vor wenigen Jahren ins ferne Deutschland ausgewandert - verstorben sei. Hans war tief betroffen, zumal dieser Dani über Jahrzehnte das Kuratorenamt bei der Kirche mit ihm geteilt hatte. „ Wer wird der nächste sein ? „ frug er leise. Jetzt war mir um Trost wieder einmal bange.
Am Vorabend meiner Rückfahrt nach Deutschland saßen wir noch einmal in Hedwigs warmer kleiner Küche. Das Empfinden wirkte irgend wie geordnet. Wir sprachen in aller Offenheit davon, dass es unser letztes Zusammensein gewesen sein könnte. „ Und was kommt danach ? “ frug Hedwig unsicher. „ Vielleicht „ warf ich, an tergram´s Hinweis denkend, ein „ vielleicht werden wir uns wundern, was ER für Überraschungen bereithält “ Stille . . . . , dann die beiden Alten : „ Ja, das könnte tatsächlich sein .“
Hans nahm all seinen Mut zusammen und wandte sich dann an mich : Wir haben im Leben dienen und gehorchen gelernt und wir werden uns deshalb in unserer letzten Stunde in dieser Tugend üben und nun geh mit Gott mein alter, lieber Freund. “ Eine herzliche Umarmung und dann ging ich hinaus in die regnerische Nacht.
Am Morgen der Abreise stand Hedwig vor meinem Hoftor um mir noch eine Tüte mit frisch gebackenen Krapfen mitzugeben. Sie bedankte sich für mein Erscheinen im Dorf und für das so friedevolle Osterfest.
Nach meiner Rückkehr schrieb ich der Witwe des alten Dani einen lieben Brief, in dem ich ihr versicherte, dass in dessen Heimat sich die wenigen Landsleute zum Zeitpunkt des Begräbnisses versammelten und, nach innigem Gedächtnis bei Glockengeläut, zum Tränenbrot in Danis verlassenem Haus zusammen kamen.
Nachbetrachtung:
In unserer schnelllebigen Zeit laufen wir Gefahr, die Sorge und Nöte der Alten, Kranken und Verlassenen zu übersehen. So, wie alle Dinge unter dem Himmel ihre Zeit haben, so war oder ist dies meine Zeit wohl zu tun und mitzuteilen.
Brombär
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