ZWERGENWUNDER UND KINDERSEGEN...

Nachricht
Autor
tergram

#11 Beitrag von tergram » 14.06.2008, 09:47

Katharina hat geschrieben:Oder dass gar keine Kinder mehr gewollt werden.
So, so. :shock:

Wäre das denn moralisch-religiös betrachtet verwerflich? Sozusagen die Verweigerung eines Gottesgeschenks? (Wobei ja niemand weiss, ob Gott einer Frau dieses Geschenk überhaupt zugedacht hätte...) Man ist da gefährlich nahe an der Empfängnisverhütungsverteufelung der RKK. Und ich sehe die Neigung, absichtlich-bewussten Nicht-Müttern einen moralischen Stempel aufzudrücken. Was ist in diesem Zusammenhang eigentlich mit den (poten(t)(ziell)en) Vätern?

Tatyana

#12 Beitrag von Tatyana » 14.06.2008, 12:27

Lieber Micha,
ich habe seit gestern zu dem Thema mal etwas Brainstorming betrieben, vielleicht helfen dir meine unausgegorenen Gedanken ja trotzdem etwas weiter...

Kinder sind eine Gabe des Herrn. Nun sind Gaben des Herrn nicht immer (auf den ersten, menschlichen Blick hin gesehen) positiv. Man denke bloß an Hiob. Der hätte wohl gern auf manche "Gabe" verzichtet...
Beim Themenansatz fange ich klassisch an: bei Adam und Eva. Im Paradies gab es keine Kinder. Es gab keine Entwicklung, keinen Fortschritt. Alles stagnierte. Kinder gab es erst, als sich "etwas tat".
Eva wurde verheißen, sie solle ihre Kinder unter Schmerzen gebären. Auf den ersten Blick eine Strafe. Wirklich? Die Erfahrung lehrt uns doch, daß wir nur das zu schätzen wissen, was uns eben grade nicht in den Schoß fällt, was wir uns unter Schmerzen und Tränen erarbeitet haben.
Dann Kain und Abel. Verschieden, wie Kinder nun einmal sind. Abel, der die Werte der Eltern hochhält und respektiert, und Kain, der erste Rebell, der seinen eigenen Kopf hat, sich seine eigenen Gedanken macht. Beide wurden erzogen, die Werte ihrer Eltern zu erfüllen, die Tradition weiterzuleben. Aber nur einer tut es. Und der stirbt, mit ihm die alte Wertigkeit. Sein "Ersatz" wird unter enormem Druck stehen. Während Kain sich on seinen Eltern nun auch physisch entfernt und sich sein eigenes Leben aufbaut, fern der alten Lebensweise.
Auch das bedeuten Kinder: loslassen, gezwungenermaßen oder freiwillig ihnen Raum zur eigenen Entwicklung einräumen. Alles andere führt zu keinem glücklichen Ende.
Was haben Kinder historisch immer bedeutet? Prestige. Viele Söhne helfen viel bei der arbeit(so die Hoffnung), unterstützen die alten Eltern und schützen die Familie, Töchter pflegen, nähren und können benutzt werden, wichtige Verbindungen aufzubauen. Kinder also als (soziale) Sicherheit. Im Idealfall.
Kinder wurden aber auch immer dazu benutzt, Frauen in Abhängigkeit zu halten.
Was war wohl mit Maria? Sozial gesehen, war dies größte Gabe Gottes, ihr Sohn, wohl eher ein Fluch. Jeder wußte, daß sie unverheiratet schwanger gewesen war. Dieser Makel wird sie ihr Leben lang nicht verlassen haben. Als Jesus die Sünderin vor der Steinigung rettete, hat er damit auch seine eigene Mutter versucht zu rehabilitieren...

Soviel vorerst, wie gesagt, noch völlig unausgegoren...

Maximin

AUSWEGLOSIGKEITEN...!

#13 Beitrag von Maximin » 14.06.2008, 12:33

„Was ist mit den potentiellen Vätern“, fragt Tergram mit einem gewissen Unterton.

1995 hatten mich meine russischen Gastgeber in eine Entbindungsklinik geschleppt. Als ich erfuhr, was man dort von mir erwartete, blieb mir nicht viel Zeit für eine Vorbereitung. Jedenfalls fand ich mich in der Frauenklinik in einem Raum wieder und rd. 80 hochschwangeren Frauen gegenüber, die den festen Vorsatz hatten, ihre Schwangerschaft durch einen ärztlichen Eingriff abzubrechen. Meine Gastgeber und die Klinikleitung erwartete von mir, diese Frauen mit christlichen Argumenten umzustimmen oder sie wenigstens zum Nachdenken zu ermutigen. Was tun...?

Es war mir unmöglich, diesen Frauen ins Gewissen zu reden. Ich lies sie reden. Und sie redeten. Sie schilderten, meist sehr emotional, ihre Lebensumstände:

Gewissenlose versoffene Männer ohne sicheres Einkommen und ermutigende Perspektiven, das elende Leben von der Hand in den Mund leben zu müssen und mit dem dringenden Wunsch, ihren ungeborenen Kindern diese Ausweglosigkeiten zu ersparen. Keine dieser Frauen hat darauf bestanden, dass ihr Bauch ihr gehört, aber es war unüberhörbar, dass sie darauf bestanden, dass ihre Seele ihnen gehört und ihr Gewissen auch.

Inzwischen haben sich die Verhältnisse in Mütterchen Russland stabilisiert und wohl auch wesentlich verbessert. Gleichzeitig ist jedoch die Geburtenraten weiter gesunken. Der übermäßige Alkoholkonsum bedauerlicherweise nicht.
Micha + + +
Zuletzt geändert von Maximin am 17.06.2008, 11:15, insgesamt 2-mal geändert.

Katze

#14 Beitrag von Katze » 14.06.2008, 14:23

Lieber Micha,

ich vermute mal, dass dies nicht nur in Russland so ist und war.

Auch bei uns lassen viele Frauen ihre Schwangerschaft abbrechen, oder noch schlimmer, sie bringen ihr Neugeborenes um...

Diese Frauen sind sicher nicht alle Monster, nur was ist da schief gelaufen, dass eine Frau so etwas tut?

Wenn dann in den Medien berichtet wird: Mutter tötete ihr Kind kurz nach der Geburt... der Vater des Kindes, habe von der Schwangerschaft nichts gewusst, obwohl er mit der Schwangeren zusammen in einer Wohnung gelebt hat, dann kann man ein klein wenig erahnen was schief gelaufen ist...

Bestraft wird in der Regel nur die Kindstöterin...

Wie Gott das wohl sieht?

lg Katze

tergram

#15 Beitrag von tergram » 14.06.2008, 14:37

Von der Kindermörderin Marie Farrar
Berthold Brecht

Marie Farrar, geboren im April
Unmündig, merkmallos, rachitisch, Waise.
Bislang angeblich unbescholten, will
Ein Kind ermordet haben in der Weise:
Sie sagt, sie habe schon im zweiten Monat
Bei einer Frau in einem Kellerhaus
Versucht, es abzutreiben mit zwei Spritzen.
Angeblich schmerzhaft, doch ging’s nicht heraus.
Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


Sie habe dennoch, sagt sie, gleich bezahlt,
Wie ausgemacht war, sich fortan geschnürt
Auch Sprit getrunken, Pfeffer darin vermahlt.
Doch habe sie das nur stark abgeführt.
Ihr Leib sei zusehends geschwollen, habe
Auch stark geschmerzt, beim Tellerwaschen oft.
Sie selbst sei, sagt sie, damals noch gewachsen.
Sie habe zu Maria gebetet, viel erhofft.
Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


Doch die Gebete hätten, scheinbar nichts genützt.
Es war auch viel verlangt. Als sie dann dicker war
Hab ihr in Frühmetten geschwindelt. Oft hab sie geschwitzt.
Auch Angstschweiß, häufig unter dem Altar.
Doch hab den Zustand sie geheim gehalten
Bis die Geburt sie nachher überfiel.
Es sei gegangen, da wohl niemand glaubte
Daß sie, sehr reizlos, in Versuchung fiel.
Und ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


An diesem Tag, sagt sie, in aller Früh
Ist ihr beim Stiegenwischen so, als krallten
Ihr Nägel in den Bauch. Es schüttelt sie.
Jedoch gelingt es ihr, den Schmerz geheimzuhalten.
Den ganzen Tag, es ist beim Wäschehängen,
Zerbricht sie sich den Kopf; dann kommt sie drauf:
Daß sie gebären sollte, und es wird ihr
Gleich schwer ums Herz. Erst spät geht sie hinauf.
Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


Man holte sie noch einmal, als sie lag:
Schnee war gefallen und sie mußte kehren.
Das ging bis elf. Es war ein langer Tag.
Erst in der Nacht konnte sie in Ruhe gebären.
Und sie gebar, so sagt sie, einen Sohn.
Der Sohn war ebenso wie andere Söhne.
Doch sie war nicht so wie die anderen, obschon:
Es liegt kein Grund vor, daß ich sie verhöhne.
Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


So will ich also weiter denn erzählen
Wie es mit diesem Sohn geworden ist
(Sie wollte davon, sagt sie, nichts verhehlen).
Damit man sieht, wie ich bin und du bist.
Sie sagt, sie sei, nur kurz im Bett, von Übel-
keit stark befallen worden und, allein
hab sie, nicht wissend, was geschehen sollte
Mit Mühe sich bezwungen, nicht zu schrein.
Und ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


Mit letzter Kraft hab sie, so sagt sie, dann
Da ihre Kammer auch eiskalt gewesen
Sich zum Abort geschleppt und dort auch (wann
Weiß sie nicht mehr) geborn ohn Federlesen
So gegen Morgen. Sie sei, sagt sie,
Jetzt ganz verwirrt gewesen, habe dann
Halb schon erstarrt, das Kind kaum halten können
Weil es in den Gesindabort hereinschnein kann.
Auch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.


Dann zwischen Kammer und Abort, vorher sagt sie
Sei noch gar nichts gewesen, fing das Kind
zu schreien an, das hab sie so verdrossen, sagt sie
Daß sie’s mit beiden Fäusten ohne aufhörn, blind
So lang geschlagen habe, bis es still war, sagt sie.
Hierauf hab sie das Tote noch gradaus
Zu sich ins Bett genommen für den Rest der Nacht
Und es versteckt am Morgen in dem Wäschehaus.
Doch ihr, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf vor allem.

Marie Farrar, geboren im April
Gestorben im Gefängnishaus zu Meißen
Ledige Kindesmutter, abgeurteilt, will
Euch die Gebrechen aller Kreatur erweisen.
Ihr, die ihr gut gebärt in saubern Wochenbetten
Und nennt "gesegnet" euren schwangeren Schoß
Wollt nicht verdammen die verworfnen Schwachen
Denn ihre Sünd war schwer, doch ihr Leid groß.
Darum, ich bitte euch, wollt nicht in Zorn verfallen
Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.

simpel

#16 Beitrag von simpel » 14.06.2008, 14:49

Entsetzlich.

Wer wirft den ersten Stein?

Tatyana

#17 Beitrag von Tatyana » 17.06.2008, 10:20

Was ist eine Gabe?
Eine Gabe kann ein Geschenk sein.Oder eine Leihgabe. Ob wir diese Gabe pflichtschuldigst in die hinterste Ecke der Vitrine stellen und dort vergessen, oder sie in Gebrauch nehmen, hängt unter anderem auch von unserer Wertschätzung für den Geber ab...

Benutzeravatar
tosamasi
Beiträge: 2157
Registriert: 24.11.2007, 15:56
Wohnort: tief unten

#18 Beitrag von tosamasi » 17.06.2008, 11:15

Manchmal schätzt man aber auch die Gabe nicht, und sie ist vielleicht auch nicht schätzenswert. Eine Verlegenheitsgabe zum Beispiel. Der Geber hat sich keine Gedanken über Gabe und Empfänger gemacht. Nicht jede Gabe ist eine gute Gabe.
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
tosamasi

Maximin

DURCHREISENDE...

#19 Beitrag von Maximin » 17.06.2008, 11:20

:) „Kinder wären Durchreisende, denen man den Weg sagt“, meinte eine kluge Frau mit 2 kleinen Buben, die sie umständehalber alleine aufziehen musste.
Micha :wink:

Tatyana

#20 Beitrag von Tatyana » 27.06.2008, 12:55

...man muß eine Gabe aber auch als solche erkennen können. Habt ihr schon einmal kleine Kinder mit einem Geschenk beobachtet? Oft teuer und liebevoll ausgesucht, wird das Geschenk meist unbeachtet in die Ecke gelegt, während das Kind fröhlich mit dem bunten Papier und der glänzenden Schleife spielt :wink:
...
Kennt ihr diese Würfel, in die man Klötzchen durch vorgeformte Löcher stecken soll? Snd diese Klötzchen aus wabbeligem Weichplastik, kann man die runden (z.B.) mit viel Körperkraft und Sturheit auch durch die eckigen Löcher quetschen. So manche Mutter, so mancher Vater verbiegt seine Kinder so, um sie seinen/ihren Wünschen anzupassen...

Gesperrt

Zurück zu „Kinder“