Über Gott und die Welt

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tosamasi
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Re: GAUKLER GOTTES...?

#31 Beitrag von tosamasi » 01.05.2009, 12:14

Maximin hat geschrieben: Wenn es Gott nicht gäbe, ich verspreche Ihnen, ich würde ihn erfinden und hätte für diese Erfindung reißenden Absatz.
Weil der Mensch sich mit der Endgültigkeit des Lebens bzw. des Todes nicht abfinden will oder kann.
Nur der Einfältige fürchtet die Vielfalt
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evah pirazzi
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#32 Beitrag von evah pirazzi » 01.05.2009, 16:22

Cerebron hat geschrieben: Und damit auch der (mittlerweile emanzipierte) alte Gottesmann noch zu Wort kommt:
Ach, was muß man oft von bösen
Schwestern hören oder lesen!
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten.
Aber wehe, wehe, wehe!
Wenn ich auf das Ende sehe!
:mrgreen:
Derselbe "alte Gottesmann" schrieb auch einst über die Philosophen:

Wenn einer, der mit Mühe kaum
gekrochen ist auf einen Baum,
Schon meint, daß er ein Vogel wär,
So irrt sich der.

(1908) - Der fliegende Frosch.

Bild

Nichtsdestotrotz sind wir doch alle den Philosophen und denen, die uns ihre wertvollen Erkenntnisse näherbringen, zutiefst dankbar. Schließlich hilft es uns im Alltag ganz wesentlich weiter, zu wissen, dass der Mensch nicht nur ein Lebewesen, dem Tier gleich, ist, das gern mal die "Sau rauslässt" oder "feige wie ein Kojote", "diebisch wie eine Elster", "dumm ein Schaf" etc. ist, sondern sich darüberhinaus in der Lage wähnt, Objekte seines Umfeldes zu erkennen und seine sinnliche Beziehung zu ihnen und die Erkenntnisse daraus verinnerlicht zu haben.

Wie sonst wäre es uns möglich an einen Gott zu glauben, den wir nicht sehen? Da hilft uns doch ganz immens die von Philosophen entdeckte Fähigkeit des Menschen zur Transzendenz weiter, wenngleich dieser Begriff letztlich mehrfach zerlegt wurde - ähnlich wie es jüngst mit dem Begriff "Heiliger Geist" im zeitgemäß-neu-apostolischen Erkenntnistheorieentwicklungsgeschehen passierte. :wink:

Ja, wir lieben sie, die Philosophen, wenn auch böse Zungen behaupten:
"Ein Philosoph ist ein Mann, der in Ermangelung einer Frau die ganze Welt versucht zu umarmen".

:mrgreen:
[i][size=75]"... Ich bin einerseits sehr froh, dass ich diesen Gedanken aussprechen kann, auf der anderen Seite fällt es mir auch nicht schwer..."
(Bap Klingler - Neujahrsgd 2009)[/size][/i]

Bedenkenträger

Re: GAUKLER GOTTES...?

#33 Beitrag von Bedenkenträger » 01.05.2009, 18:40

Maximin hat geschrieben::) Mein lieber Bedenkenträger,
üblicherweise halte ich mich aus Ihren tiefgründigen philosophischen Diskussionen heraus. Der nachfolgende von Ihnen geschriebene Satz reizt mich aber doch zu sehr: „Existiert überhaupt etwas, außer unserem eigenen Bewusstsein? Könnte nicht das alles dort draußen, was wir für die wirkliche Welt halten, bloß eine Halluzination sein oder ein Traum?“

Gesetzt den Fall, dann wäre mein Ich mutterseelenallein, meine Umwelt eine furchtbare Gaukelei meines Bewusstseins, ein entsetzlicher Selbstbetrug und konsequenterweise dann auch der Himmel leer.

Wenn es Gott nicht gäbe, ich verspreche Ihnen, ich würde ihn erfinden und hätte für diese Erfindung reißenden Absatz.

Freundliche Grüße vom ollen Maximin :wink:
Lieber oller Micha,

der von mir geschriebene Satz, der Dich hier zum Einwurf bewegt hat, war im Grunde nur ein von mir wiedergegebener Gedankengang aus meinem damaligen Philosophiekurs. Ich habe zum Glück noch die eine und andere Aufzeichnung von damals; ich fragte mich nur schon oft, ob man solche Überlegungen irgendwann mal wieder gebrauchen könnte ... nun stellt sich mir diese Frage erst einmal nicht ... ;)

Mithin gibt diese Spekulation nicht wirklich eine Auffassung von mir wieder. Aber ich kann dieser Reflexion schon so einiges abgewinnen, schließlich macht man sich bei solchen Überlegungen mal einige wichtige grundsätzliche Dinge doch etwas bewußter, unter anderem sinniert man dann auch mal über die Wirklichkeit nach oder über das, was wir für die Wirklichkeit halten, und über das eigene Bewußtsein und all solche Dinge.

Aber noch kurz zu der Dich etwas reizenden Sache und Deinem Gegengedanken: Der hier zur Sprache gekommene Solipsismus ist bei genauerer Betrachtung ein sinnloses Unterfangen, aus verschiedenen Gründen. Ich nenne hier nur einen einzigen, sehr einleuchtenden: Wenn der Solipsist glaubt, sich vorstellen zu können, sein Bewußtsein sei die einzige Sache, der er sich wirklich sicher sein kann, daß es sie gibt, und was die ganze körperliche Welt angeht, so müsse man davon ausgehen, daß sie nicht existiert, dann kann er nicht feststellen, daß diese Welt nicht existiert, weil er ja davon ausgeht, daß es nur seinen eigenen Geist, sein Bewußtsein gibt. Dies ist das Problem hier bei der ganzen Sache: Man versucht die Außenwelt, also die Welt außerhalb des eigenen Bewußtseins von der Gesamtheit menschlicher Eindrücke und Wahrnehmungen abzukoppeln, kommt hierbei aber schon von den theoretischen Betrachtungen her auf keinen grünen Zweig.

Grundsätzlich stellt sich ja bei solchen Fragestellungen gleich auch eine wichtige Frage immer mit: Ist es sinnvoll oder sinnlos anzunehmen, daß unser Geist, unser Bewußtsein das einzige ist, das es tatsächlich gibt, und die Welt außerhalb unseres Bewußtseins vielleicht gar nicht existiert?

Diese Frage ist übrigens tiefstphilosophisch, aber auch sehr praktisch zugleich. Philosophie ist ja im Grunde etwas sehr praktisches, auch wenn man dies beim ersten und zweiten Blick nicht gleich bemerkt. Aber man findet hier so manche Antwort auf Fragen alltäglicher, unmittelbarer Art, wie z. B. auf die hier soeben erörterte Frage, ob es nun nicht besser ist, an die Möglichkeit zu glauben, daß es eine Welt außerhalb unseres Bewußtseins gibt.

Damit aber nun genug philosophiert für einen Feiertag. Es grüßt Dich der auch nicht mehr so frische BT.

Cerebron

#34 Beitrag von Cerebron » 05.05.2009, 12:31

Werter Bedenkenträger,

um es gleich vorweg zu sagen: Solipsismus ist nichts für mich. Ich halte ihn für aufgeblasen, weil er vorgibt, etwas zu wissen, das er nicht wissen kann: Nämlich, dass es ein "Selbst" oder "Ich" gibt. Dafür gibt es nur einen Anhaltspunkt, nämlich die durch die Denkkategorie eines "Ichs" ermöglichte gedankliche Bequemlichkeit - der Denkende braucht sich (wenn er erst einmal akzeptiert hat, dass er ein "Ich" ist) nicht weiter Gedanken darüber zu machen, was er eigentlich ist. Faulheit mag eine Entschuldigung sein, sie ist aber kein Beleg für Wahrheit.

Wenn ich Sie recht verstehe meinen Sie, niemand könne sein "Ich-Sein" (was gleichbedeutend zu verstehen ist mit "Subjekt-Sein") leugnen, denn zumindest die Tatsache des eigenen Denkens kann niemand leugnen. Wer denkt, ist (ein Subjekt).

Als Skeptiker habe ich daran so meine Zweifel. Gewiss werden Sie (wie ich) beklagen, dass der Begriff "Ich" einen kleinen Dämon insinuiert, der irgendwo im Gehirn sitzt und "mich denkt", und ebenso gewiss werden Sie diese naive Vorstellung von "Ich" von sich weisen, ohne dass wir darüber lang sprechen müssten. Und ebenso wenig relevant wird für Sie das Problem des "Gehirns im Tank" sein - die Tatsache unseres Denkens ist ja unabhängig davon, ob wir die Außenwelt "richtig" wahrnehmen.

Sehen Sie, meine Zweifel entzünden sich zunächst einmal daran, dass das angebliche "Ich" der eigenen Erfahrung nicht zugänglich ist, obwohl es doch so "dicht an 'mir' dran" ist, dass ich hinsichtlich seiner Existenz keiner Täuschung erliegen können [!] dürfte. Ich finde das ein wenig unheimlich. Bitte behandeln Sie mein Unbehagen aber nicht als Argument.

In der Sache: Ich kann nicht sicher sein, dass mein Denken auf die gleiche Weise "ist" wie alles, was ich sinnlich erfahre. An dieser Stelle muss ich ausholen:

Zum einen finden wir "ist" in Tautologien. Berühmt und beispielhaft in soweit ist der Satz: Eine gute Lage ist eine gute Lage ist eine gute Lage. Dieses "tautologische Ist" meinen Sie sicher nicht, denn es bezeichnet nichts, woraus etwas folgen würde.

Wenn Sie von "ist" sprechen, dann meinen Sie damit, dass etwas unabhängig von unserem Wissen oder Wollen in der Welt vorliegt. Beispiel: Ein bestimmter Tisch "ist", weil jeder sich daran stößt, der versucht, den gleichen Platz wie der Tisch einzunehmen. Dieses "ist" nenne ich "konkretes Ist".

Nun ist aber Einiges weder Ihrer noch irgend jemand anderes Erfahrung zugänglich. Beispiel: Zwei plus zwei "ist" vier. Dieser Satz gilt natürlich nur für bestimmte Definitionen von "zwei", "plus" und "vier". Dieses "ist" nenne ich "logisches Ist", denn es bezeichnet etwas, das - unter den gegebenen Definitions-Randbedingungen-, wiederum unabhängig von unserem eigenen Wissen und Wollen jedermann durch Nachvollzug zugänglich ist.

Und dann gibt es (mindestens) noch ein weiteres Ist, nämlich dasjenige, was ich hier als "plausibles Ist" bezeichnen möchte. Beispiel: Jener Mensch dort ist der "Bedenkenträger". Ich erkenne ihn wieder, er verhält sich so, wie ich es von "Bedenkenträger" erwarte, und die Möglichkeit eines Doppelgängers oder Schauspielers kann ich außer Betracht lassen. Das ist zwar nicht logisch, und es hängt zudem vom Wissen oder Wollen eines jeden ab, ob der Satz als korrekt anzusehen ist (vielleicht weiß ja jemand, dass jener Mensch dort nicht "Bedenkenträger" sein kann, weil der echte "Bedenkenträger" gerade an einem Karibik-Strand liegt statt dort zu sein, wohin ich weise), aber dieses Denkmuster erleichtert das Zurechtfinden im Wust der Erfahrungen so ungemein, dass man es nicht ohne Einbuße an Verstand ignorieren kann.

Vor diesem Hintergrund betrachte ich noch einmal den Satz "Ich denke, also bin ich". Das Wort "bin" bezeichnet nichts anderes als ein "ist", hierüber brauchen wir wohl nicht zu streiten.

Der soeben wiederholte Satz geht von der Annahme aus, dass Denken überhaupt einer Person zuzuschreiben ist. Das wirkt plausibel, denn wir beobachten an anderen Menschen, dass sie denken und dass sie "sind" (auf welche der 3 obigen Weisen auch immer). Hieraus folgt jedoch nichts, weil uns unsere Beobachtung narren kann. Wir sind ja auf der Suche nach a priori-Wissen.

Nun könnte man behaupten, "Denken" und "Person" bzw. "Subjekt" seien einfach verschiedene Begriffe für den gleichen Gegenstand. Dann aber wäre der Satz "Ich denke, also bin ich" tautologisch und irrelevant. Das "ist" soll ja gerade aus dem "denke" folgen.

Und jetzt stehen wir vor dem Problem: Wie definieren wir "ist" bzw. "bin" und "denke" ohne Rückgriff auf etwas, das nicht zu unserem (angenommenen) a priori-Wissen gehört? Es gehört zum Wesen der Definition, das jeweils Definierte abzugrenzen von allem, was nicht der Definition unterfällt. Für jede Definition benötigen wir also ein Unterscheidungskriterium - oder zwei Etwasse (nämlich das Definitionsgemäße und das Nichtdefinitionsgemäße). Woher aber soll - nota bene: a priori - das Unterscheidungskriterium kommen?

Dieses Argument erinnert mich ein wenig an Achill und die Schildkröte: Bevor Sie etwas wissen können, müssen Sie etwas anderes wissen. Das Schildkrötenproblem lässt sich elegant durch Grenzwertbildung auflösen, aber wie steht es mit dem obigen Definitionsproblem? Ist eine hypothetische "philosophische Grenzwertbildung" ein zulässiges philosophisches Tun? Und falls ja: Woher wissen wir das, bevor wir überhaupt irgendetwas wissen können?

Das zweite Problem ist mein Zweifel daran, dass ich überhaupt "denke" auf gleiche Weise, wie ich eine andere Tätigkeit ausübe. Viele Prozesse laufen gleichzeitig in meinem Gehirn ab, manche erreichen mein Bewusstsein, andere nicht, einige früher, andere später und so weiter. Es kommt mir nicht so vor, als sei mein Denken eine Tätigkeit, sondern als sei "Denken" eher das Ergebnis vieler gleichzeitig ablaufender Tätigkeiten, die ich nur schwer beeinflussen kann. Ähnlich wie ein Moiré-Muster nicht wirklich "da" ist, sondern das Ergebnis günstiger (oder in der Photographie ggf. ungünstiger) Umstände ist.

Und selbst, wenn ich davon ausgehe, zu denken: Wenn ich mich konzentriere habe ich andere Gedanken als wenn ich unkonzentriert bin. "Bin" ich dann nur, wenn ich mich konzentriere, wenn also das Moiré-Muster sichtbar ist? Oder "bin" ich, weil ich mich konzentrieren kann? Oder bin ich ein anderer, wenn ich mich konzentriere? Alles sehr fraglich.

Insgesamt wirkt es auf mich wie ein Denkfehler, "denke" durch "bin" zu hypostasieren.

Deshalb geht mir die Feststellung eines Subjekt-Seins als unumstößlicher Wahrheit zu weit. Was weiss ich denn schon von mir? Es mag praktisch und plausibel sein, mich als Subjekt zu sehen, mit einer richtigen Beschreibung dessen, was der Fall ist, hat das aber nichts zu tun. Der Satz "Ich bin ein Subjekt" enthält also kein "konkretes Ist", sondern nur ein "plausibles Ist".

Das, was ich als mein Wissen ansehe, ist doch nur ein Fürwahrhalten ohne Anspruch auf ein Wahr-Sein.

Und wenn Sie fragen sollten, warum ich trotz allem das Wort "ich" gebrauche, kann ich Ihnen nur ein fröhliches "sprachliche Konditionierung" entgegenhalten. Ich bin eben zu faul, auf andere Weise zu denken. Richtig sein muss deshalb weder meine Annahme eines "ich" noch das Gegenteil meiner Annahme.

So. Aus meiner Sicht können wir also gern mit dem Begriff "Subjekt" weiter operieren, solange wir nur einig sind, dass alles, was wir mit dem Begriff meinen, auch ganz anders oder vollständig eingebildet sein kann. Wir entscheiden uns, die Welt auf eine bestimmte Weise zu sehen. Das wird uns niemand verwehren.

Mit freundlichen Grüßen in die Mittagspause,
C.E.

P.S.: Vielen Dank auch für das Stellunghalten in der Zwischenzeit. Und ja, ich habe die Zeit draußen in der Sonne mit einigen Freunden genießen können. Gleiches gehabt zu haben wünsche ich Ihnen!

Cerebron

#35 Beitrag von Cerebron » 08.06.2009, 08:57

Werter Bedenkenträger,

sind Sie noch da? Geht es Ihnen gut?

Gruß,
C.E.

Bedenkenträger

Re: Über Gott und die Welt

#36 Beitrag von Bedenkenträger » 13.09.2010, 20:26

Werter C. E.,

»ich denke, also bin ich« ... und jetzt bin ich - mal wieder - hier. ;-)

Übrigens, ich hörte neulich das Gerücht, Descartes sei damals eines ungewöhnlichen Todes gestorben. Als ihm während einer Teegesellschaft von der Gastgeberin Zucker angeboten wurde, sagte er: »Ich denke nicht«, und von diesem Augenblick an war er verschwunden.

Nun, ich denke, ich komme auf unsere Diskussion hier bald wieder zurück.

Für heute aber einen guten Abend!

Mit herzlichen Grüßen, Ihr BT

Cerebron

Re: Über Gott und die Welt

#37 Beitrag von Cerebron » 14.09.2010, 08:49

:mrgreen:

Herzlichst erwidere ich den Gruß!
C.E.

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